Paris. Die Konzernleitung nennt es eine „Ungeschicklichkeit“, dass das Schreiben mit „Herrn und Frau” an die gesamte Familie adressiert war. Erhalten haben es nach einer Meldung des Rundfunksenders Europe 1 alle jene unter den Beschäftigten, die seit April aus Protest gegen ein „abscheuliches Sozialklima” bei Geodis BM Nantes in Carquefou die Arbeit niedergelegt haben. Das sind rund 30 Mitarbeiter, fast ein Drittel des gesamten Personals. Darin werden den Streikenden „schwerste Konsequenzen für das Beschäftigungsverhältnis“ angedroht für den Fall, dass der Ausstand fortgesetzt werde, und „jeder Streiktag“ bedeute „ein Tag weniger Lohn”.
Das Unternehmen, eine auf Straßengütertransport spezialisierte Tochter der Frachtbranche der Staatsbahn SNCF, Geodis, verhandele gerade über neue Verträge mit zweien seiner Hauptkunden, heißt es weiter in dem Brief, und wenn diese unzufrieden seien, würde das den Fortbestand der kommerziellen Beziehungen mit ihnen in Frage stellen.
Für die Gewerkschaften stellt der Vorgang einen „klaren Angriff auf das Streikrecht” dar , wie ein CFDT-Sprecher sagte. Dass das Schreiben auch die Familien der Betroffenen mit in die kaum verhüllten Drohungen einbeziehe, sei „schockierend und nicht akzeptierbar“. Wenn sich die Geodis-Gruppe nicht dazu erkläre, werde man sich direkt an die Mutter SNCF wenden. Die Filiale in Carquefou bezeichnete den inkriminierten Brief nach Hause als „klassisches Kommunikationsverfahren für ein Unternehmen wie das unsrige, das Fahrer beschäftig, die nur sehr selten Gelegenheit haben, im Büro vorbeizukommen”. Im Übrigen sei wegen des Streiks noch niemand entlassen worden. (jb)