Gefährliche Schlagseite

Die Straßentransportunternehmen machen womöglich zum 1. Januar 2015 einen Freudensprung, während die Reedereien und die Seehäfen an Nord- und Ostsee mit bangen Blicken erwarten, was auf sie mit dem neuen Jahr zukommt: Denn dann gilt in diesem auch als "SOx Emission Control Areas (Seca)" bezeichneten Seegebiet ein neuer Grenzwert für den Schwefelgehalt für Schiffskraftstoffe. Kosten und Frachtraten steigen Der Grenzwert liegt dann bei nur noch 0,1 Prozent statt bislang 1 Prozent. Aus Sicht der Reedereien ist das ein ambitioniertes Vorhaben, das bei so mancher Route eine gefährliche Schlagseite auslösen könnte. Bislang herrscht jedoch Unsicherheit über die damit verbundenen Kosten- und Frachtratensteigerungen sowie die Zahl der Sendungen, die deshalb auf den Landweg abwandern werden. Nur eines ist sicher: "Es wird zu Verlagerungen auf den Landweg kommen", sagt Christof Schwaner, Sprecher im Verband Deutscher Reeder (VDR). Es gibt verschiedene Studien, die die Folgen der von der International Maritime Organisation (IMO) beschlossenen Vereinbarung abschätzen. Eine Untersuchung hat das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) für den VDR und den Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) gemacht. Danach führen die mit den steigenden Kosten verbundenen Frachtratenerhöhungen dazu, dass von den 2,7 Millionen vorwiegend in der Ostsee beförderten Trailern ab 2015 22 Prozent oder 604.000 Trailer über den Landweg befördert werden. Bei den Containern wird in der Ostsee mit einer Verlagerung von 823.000 TEU (20-Fuß-Container; in etwa 412.000 LKW-Sendungen) gerechnet, was 15 Prozent des Volumens von 5,483 Millionen TEU entspricht. Ein gewaltiges Volumen. Allerdings sind diese Zahlen mit gewisser Vorsicht zu genießen. Zum einen ist die Studie - wie viele andere zu dem Thema - bereits aus dem Jahr 2010. Zum anderen erfolgt darin eine sogenannte Korridorschätzung in Abhängigkeit vor allem von der Entwicklung der Kraftstoffpreise. Unterstellt wird ein Dieselölpreis zwischen 850 und 1300 US-Dollar je Tonne. Die oben genannten Verlagerungswerte gelten nur unter der Annahme, dass sich die Kraftstoffkosten am oberen Rand des Prognosekorridors bewegen. Derzeit steht der Preis pro Tonne Diesel jedoch bei 900 US-Dollar. "Der Transportmarkt hat sich nicht so positiv entwickelt, wie wir 2010 angenommen haben", nennt Burkhard Lemper, Professor am ISL und Co-Autor der Studie, einen weiteren Grund, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit doch nicht so viele Sendungen auf den Landweg verlagert werden. Die Studie ist zudem davon ausgegangen, dass die Reedereien statt des Schweröls ausschließlich den teuren Marinediesel einsetzen. "Der ist bis zu 50 Prozent teurer als Schweröl", sagt Schwaner. Doch die Reedereien hatten seit dem Beschluss der IMO 2008 Zeit zu reagieren - und haben dies getan. Ein Beispiel ist die Fährreederei Scandlines: Auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby verkehrt seit dem Herbst letzten Jahres die "Prinsesse Benedikte" als Fähre mit Hybridantrieb (siehe Kasten rechts). Gerade auf dieser Route steht die Reederei unter hohem Druck, da ab 2020 die feste Fehmarnbelt-Querung kommen soll und für zusätzliche Konkurrenz sorgt. "Um dafür gewappnet zu sein, muss die Fährverbindung neben einem wettbewerbsfähigen Angebot auch ökologischen Ansprüchen genügen", sagt Morten Haure-Petersen, CCO von Scandlines. Zu teuer: DFDS stellt Routen ein Auch DFDS hat reagiert. Die Fährreederei setzt vor allem auf die Scrubber-Technologie. Dabei werden riesige Filter am Schornstein der Schiffe angebracht, die die Emissionen auffangen. Kosten pro Schiff: zwischen vier und fünf Millionen Euro. Dann kann jedoch weiterhin das günstigere Schiffsöl eingesetzt werden. "Wir geben insgesamt 100 Millionen Euro aus, um 21 unserer 50 Schiffe mit diesen Scrubbern auszustatten", sagt Gert Jakobsen, Sprecher von DFDS. Doch nicht auf allen Schiffen und Routen lohnen sich diese Investitionen. So hat DFDS zum 30. September 2013 die Route Sassnitz - Klaipeda eingestellt. Das gleiche Schicksal trifft die Route Harwich (England) - Esbjerg (Dänemark) zum Oktober dieses Jahres. In beiden Fällen gibt Jacobsen an, dass man die hohen Kosten zur Vermeidung der Emissionen den Kunden nicht den Nutzern überwälzen hätte können und somit die Einstellung der Verbindung die einzige Möglichkeit war. "Studien gehen davon aus, dass zunächst etwa die Hälfte der betroffenen Reedereien das teure Marinedieselöl einsetzen werden. Ungefähr ein Fünftel setzt auf die Scrubbertechnologie. Ein gutes weiteres Fünftel plant den Einsatz von Flüssiggas als Treibstoff", sagt Professor Carlos Jahn, Leiter des Instituts für Maritime Logistik der TU Hamburg-Harburg. Welche Technologie auch immer genutzt wird, sie verursacht spürbare Kosten. "Wir kommen nicht umhin, die Preise anzuheben", sagt dann auch Jakobsen. Doch weder der DFDS-Sprecher noch der Scandlines-Manager wollen genaue Werte nennen. Für Lemper besteht kein Zweifel, dass es zu einer Verlagerung kommen wird. "Die meisten Reedereien stehen mit dem Rücken zur Wand, sie haben nicht die Möglichkeit, diese Kosten intern aufzufangen", sagt er. In welchem Ausmaß es letztlich zu einer Verschiebung kommen wird, dazu will er sich nicht äußern. Er geht jedoch davon aus, dass die meisten Sendungen auf dem LKW landen, auch weil auf der Bahn auf den relevanten Strecken zu wenig Kapazitäten zur Verfügung stehen. Dann können also vor allem die LKW-Transporteure mit einem Sekt auf das neue Jahr anstoßen. Scandlines investiert in schadstoffarme Technik Hybrid-Technologie spart bis zu 15 Prozent der CO2-Emissionen Die ab 2015 geltenden Anforderungen hinsichtlich des Schwefelgehaltes von Schiffsdiesel stellen die Reedereien vor große Herausforderungen. Dem muss sich auch die Reederei Scandlines mit ihren neun Fähren auf den drei Routen Gedser - Rostock, Rødby - Puttgarden und Helsingør - Helsingborg stellen. "Wir investieren bis 2015 43 Millionen Euro in Umweltmaßnahmen", sagt Morten Haure-Petersen, CCO von Scandlines.Scandlines vetraut auf der Route Rødby - Puttgarden der Hybrid-Technik. Die "Prinsesse Benedikte" fährt bereits mit dieser Technik. Die drei weiteren Fähren auf dieser Route sollen bis Mitte diesen Jahres ebenfalls umgerüstet sein. Kostenpunkt für alle vier Fähren: 14 Millionen Euro."Auf diese Weise können bis zu 15 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden", so Haure-Petersen.Allerdings ist die Dieselmotor-/Batterie-Technik nicht ausreichend, um die Grenzwerte einzuhalten. Deshalb stattet Scandlines die Fähren zudem mit einem Scrubber aus, der die Motorabgase von Schadstoffen reinigt. cd