Fruit Logistica

Fruit Logistica Modell im Wandel Der weltweite Transport von Obst und Gemüse ist ein dynamischer Wachstumsmarkt. Derzeit stehen die traditionellen Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand. Spezialisierte Logistikdienstleister können davon profizieren, wie die Fruit Logistica zeigte. Anfang Februar ist auf dem Berliner Messegelände alles Banane: Auf der Fruit Logistica, Messe für Obst- und Gemüsehandel, drängeln sich mehr als 60.000 Besucher. Erzeuger, Importeure, Exporteure und Vertreter des Groß- und Einzelhandels aus 140 Ländern machen die Fruit Logistica zu einem internationalen Happening. Mittendrin: Logistikdienstleister jeder Coleur. Angefangen von den internationalen Speditionen über Containerreedereien bis zu Airlines, Häfen und Lagerhaltern. Stabiles Wachstum Sie alle wollen an einem Geschäft teilhaben, das in den vergangenen zehn Jahren stabil gewachsen ist. Nach einer Analyse des Branchendienstes Drewry stieg allein die über Seeschiffe transportierte Menge verderblicher Güter („Perishables“) von 66,8 Millionen Tonnen im Jahr 2002 auf 92,4 im Jahr 2012. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 3,3 Prozent. Obst und Gemüse machen etwas mehr als 50 Prozent der Gesamtmenge aus. Die restliche Ladungsmenge besteht überwiegend aus Fleisch und Fisch. Die größten Wachstumsraten haben exotische Obst- und Gemüsesorten wie Ananas, Avocados, Mangofrüchte und Kiwis. Bei einer relativ geringen Jahresmenge von 4,5 Millionen Tonnen beträgt ihre Wachstumsrate 9,1 Prozent. Grund genug, auch für die großen Namen wie Kühne + Nagel, Schenker und DHL auf der Fruit Logistica Flagge zu zeigen. Besonders augenfällig ist die Präsenz der Containerreedereien. Maersk Line, CMA-CGM, MSC, Hapag-Lloyd und Hamburg Süd gehen mit großen Ständen auf Kundenjagd. Sie alle haben ihre Mitarbeiter aus den Anbauländern nach Berlin geflogen, um Geschäft zu machen: Auch wenn zahlreiche Reeder im Containergeschäft insgesamt rote Zahlen schreiben – mit Reefercontainern wurde laut Drewry zumindest im Jahr 2012 Geld verdient. Die Containerreeder sind der Gewinner einer schleichenden Entwicklung in der Kühlschifffahrt. Kühlcontainer verdrängen Stück für Stück die konventionellen Kühlschiffe aus dem lukrativen Markt. Im Jahr 2000 teilten sich Kühlcontainer und Kühlschiffe den Markt noch zu gleichen Teilen auf. Inzwischen werden nach einer Analyse der Fachzeitschrift „Containerisation“ 75 Prozent der gekühlten Ladung in Kühlcontainern über die Weltmeere gefahren. Die weltweite Kühlschiff-Flotte ist mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren alles andere als frisch und den hochmodernen Kühlcontainern in technologischer Hinsicht kaum noch gewachsen. Aktuell sprechen die Kühlschiff-Betreiber allerdings von einer guten Auslastung und kündigen sogar Investitionen in neue Schiffe an. Ihnen macht Hoffnung, dass die Transitzeiten der Containerschiffe aufgrund von Slow-Steaming gestiegen sind, was den Kunden aus der Perishable-Branche natürlich nicht schmeckt. Erik Osinga, beim Logistikdienstleister Damco für Frische- und Tiefkühllogistik verantwortlich, winkt jedoch ab. Das Kühlgeschäft sei für die Containerlinien wichtig genug, um wettbewerbsfähige Transitzeiten beizubehalten. Ein Besuch auf dem Messestand von Hamburg Süd bestätigt das. Die von der Hamburger Reederei zuletzt georderten Containerschiffe verfügen über 9600 TEU Stellplatzkapazität, davon 2100 mit Reeferanschlüssen. „Das ist branchenweit der höchste Anteil an Kühlcontainer-Stellplätzen, sagt Eva Graumann, Leiterin des Kommunikationsbereich, der Hamburger Reederei. Der Transport von Obst und Gemüse ist für die Reeder und andere Logistikdienstleister eine anspruchsvolle Aufgabe. Jedes Produkt benötigt unterschiedliche Transportbedingungen. Süßkirschen müssen bei -1 bis 0 Grad transportiert werden. Der Luftaustausch darf 10 Kubikmeter in der Stunde nicht überschreiten. Gurken benötigen eine Transporttemperatur zwischen 10 und 13 Grad und einen Luftaustausch zwischen 15 und 25 Kubikmeter pro Stunde. Dazu kommen Spezialverfahren wie Controlled und Modified Atmosphere zum Einsatz. Controlled Atmosphere beispielsweise entzieht der Luft Sauerstoff ersetzt ihn durch Stickstoff. Das stoppt den Reifeprozess der Früchte. Um die Kunden bei solchen Verfahren zu beraten, beschäftigt Hamburg Süd mittlerweile Lebensmitteltechniker. Großhändler bleiben außen vor Nicht nur die Kühltechnik ist im Wandel, auch das gesamte Geschäftsmodell des Obst- und Gemüsehandels steht auf dem Prüfstand. Traditionell sammeln Exporteure im Erzeugerland die Ernte bei den Produzenten ein und verkaufen sie an Importeure in den Verbraucherländern. Die Importeure treten als Großhandelsstufe auf und verkaufen an den Einzelhändler. Doch in Zeiten des Internets hat sich vieles geändert. Die Obst- und Gemüseproduzenten suchen direkte Absatzkanäle, um bessere Preise zu erzielen. Auch der Einzelhandel hat verstärktes Interesse an direkten Kontakten. Den Grund nennt Damco-Manager Erik Osinga: Neben Nordamerika und Westeuropa treten auch andere Regionen wie Osteuropa oder Asien stärker als Verbraucherländer in Erscheinung. Die Ernten lassen sich aber nicht beliebig steigern. Der Handel versucht, durch direkte Kontakte seine Beschaffungskanäle offenzuhalten. Osinga sieht sein Unternehmen in der Lage, solche Supply Chains von einem Ende zu entwerfen und zu betreiben. „Wir arbeiten diese Supply Chains auf einem weißen Blatt Papier aus“, sagt er und meint damit, dass Damco keine eigenen Transportnetze zu füllen hat. Man arbeite auch unabhängig von der Schwestergesellschaft Maersk, so Osinga, dessen Unternehmen in 90 Ländern weltweit vertreten sind. Für die Speditionswelt ist das Perishable-Geschäft höchst anspruchsvoll. Neben Know-how in der Frischetechnik werden Sendungsverfolgungssysteme und Fertigkeiten in der Lebensmittelsicherheit vorausgesetzt. Auch bei Hellmann Perishable sieht man neue Geschäftschancen. „Früher endete unser Geschäft, wenn die Großhändler die Waren entgegengenommen haben“, sagt Markus Lingohr, Chef des Luft- und Seefrachtbereichs bei Hellmann Deutschland. Heute werden insbesondere Edelfrüchte von der Spedition direkt an den Einzelhandel übergeben, um die Kühlkette möglichst nicht zu unterbrechen. Lingohr sieht nicht nur die Seefracht, sondern auch die Luftfracht durch die Frischetransporte im Aufwind: 25.000 Tonnen Obst und Gemüse jährlich transportiert allein Lufthansa Cargo. „Mit unserem speziellen Service Fresh-to-Door bieten wir Lebensmittel- und Blumenläden eine Direktzustellung vom Produzenten bis zum Verbraucher an“, erläutert Oliver Blum von Lufthansa Cargo. Schwankendes Kräfteverhältnis Auf dem europäischen Festland ist der Obst- und Gemüsetransport fest in der Hand der LKW-Spediteure. „Rund 90 Prozent der Transporte von Spanien nach Deutschland erledigt der LKW“, räumt Dirk Wessels, Verkaufsdirektor der Short-Sea-Reederei OPDR ein. Ein Umstand, den er gern ändern würde. Ein Ansatzpunkt dafür ist der Preis. Mit Laufzeiten von vier Tagen ist ein Short-Sea-Schiff dem LKW unterlegen. Preislich schwankt das Kräfteverhältnis. „Während der Erntesaison schnellen die Preise für LKW-Kapazität hoch. Dann ist das Schiff eine günstige Alternative.“ Unsere Preise sind das ganze Jahr über stabil“, wirbt Wessels. Anders sieht es allerdings in der Nebensaison aus, wenn die LKW-Frachtraten ins Bodenlose fallen. Dennoch hat OPDR sich auf einzelnen Relationen gegen den LKW durchgesetzt – beispielsweise bei Transporten aus dem spanischen Murcia nach Großbritannien für die Supermarktkette Tesco. Die Verteilung von Obst und Gemüse in Europa hat sich die Nagel-Group auf die Fahnen geschrieben. Seit einem Jahr transportiert Nagel neben anderen Frischeprodukten auch Obst und Gemüse in seinem Netzwerk. Das Unternehmen hat in Mehrkammerfahrzeuge investiert und sich nach dem IFS-Standard zertifizieren lassen. Diese Kompetenz stellte der Lebensmittellogistiker erstmals auch auf der Fruit Logistica in Berlin vor. ❙❚■ Björn Helmke, VR-Korrespondent in Hamburg Nordfrost Erfolg und Enttäuschung Zwischen 80 und 90 Millionen Euro hat sich Kühllogistikspezialist Nordfrost den Bau seines Kühlzentrums in der Logistikzone am Jade-Weser-Port kosten lassen. Doch die großen Containerschiffe laufen den Tiefwasserhafen bisher nur selten an und die Reefercontainer, mit denen man bei Nordfrost gerechnet hatte, bleiben aus. „Leer steht unserer Logistikzentrum deshalb aber nicht, im Gegenteil: „Wir sind recht gut ausgelastet“, sagt Britta Heine, die das Seehafen-Terminal leitet. Zum einen lässt Nordfrost Ladungen, die in Bremerhaven oder Hamburg ankommen, nach Wilhelmshaven bringen, was natürlich mit Zusatzkosten verbunden ist. Zum anderen kommen konventionelle Kühlschiffe in den inneren Hafen und löschen dort Obst und Gemüse. In schwierigen Verhandlungen gelang es Nordfrost, seit Januar zunächst monatlich ein Kühlschiff aus Argentinien mit Tafeltrauben, Äpfeln und Birnen zur Nordfrost-eigenen Hafenanlage zu holen. hel „Wir arbeiten die Supply Chains auf einem weißen Blatt Papier aus“ Erik Osinga, verantwortlich für Frische- und Tiefkühllogistik bei Damco Das gesamte Geschäftsmodell des Obst- und Gemüsehandels steht auf dem Prüfstand

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