Fairness? - Pech gehabt!

Edeka liebt nicht nur Lebensmittel, sondern auch Paletten, vor allem wenn sie A-Qualität haben: "Es ist untersagt, Lieferanten Europaletten in 1A- und 2A-Qualität mitzugeben. Es werden ausschließlich 2B-Paletten dem Lieferanten zurückgegeben", heißt es in einer Anweisung, die der Trockensortiment-Leiter der Edeka Handelsgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen in Berbersdorf am 24. Februar 2017 per E-Mail an seine Kollegen mit der Bitte herausgegeben hatte, diese möchten ihre Mitarbeiter entsprechend informieren. Diese Information spielte ein Spediteur der VerkehrsRundschau zu, der im Auftrag eines Herstellers Waren an das Zentrallager von Edeka in Berbersdorf liefert. Namentlich genannt werden will er nicht. Er sagt: "Unsere Ware, da Lebensmittel, steht immer auf 1A-Paletten. Diese müssen wir bei unseren Kunden in den Tausch bringen." Er bekomme aber meistens nur B-Qualität oder schlechter zurück. Dann heiße es: "Nimm diese oder keine." Die besagte E-Mail bestärkte ihn deshalb in seiner Vermutung, sagt der Spediteur, dass die Paletten in guter Qualität aussortiert und verkauft werden, sich die Einzelhandelsketten also auf Kosten der Spediteure bereichern. In jedem Fall aber bleibe sein Unternehmen auf den Kosten sitzen, die es für den Zukauf beziehungsweise die Aufwertung von Paletten hat. Auf den Fall Edeka in Berbersdorf bezogen koste ihn das jährlich bis zu 13.000 Euro, die ihm keiner bezahle. Dennis Wolfert, Betriebsleiter des Edeka-Lagers in Berbersdorf, bestritt auf Anfrage gegenüber der VerkehrsRundschau zunächst, dass Paletten nach Qualitäten sortiert würden. Nach dem Hinweis auf die Anweisung des TL-Leiters räumte er aber ein, dass man die besseren Paletten für die eigene Förderanlage benötige. Von einer systematischen Sortierung zum Nachteil der Lieferanten wollte Wolfert aber nichts wissen. Der Betriebsleiter erklärte, dass ihm die Paletten-Diskussionen in der Lebensmittelbranche bekannt seien. Hinsichtlich der Nachteile, die den Transportund Speditionsdienstleistern durch die Praxis bei Edeka entstehen, meinte Wolfert: Darüber könne man noch lange diskutieren, letztlich aber könne er nur sagen: "Pech gehabt!" Händler zeigen sich schmallippig Auf Anfrage der VerkehrsRundschau erklärte dagegen Gernot Kasel, Abteilungsleiter Medienkommunikation in der Edeka Zentrale in Hamburg, dass dieser Fall nicht pauschal für die Praxis im gesamten Edeka-Verbund stehe. Hinsichtlich der Anforderungen an die Paletten der Lieferanten fordere Edeka nur, dass diese nach GS1-Kritierien tauschfähig sind. In einer Vielzahl von Lagern müssten diese auch MFH-tauglich sein, erklärte er. Das aber würde letztlich bedeuten, dass eine Qualitäts-Klassifizierung nach den fünf GS1-Klassen (neu, A, B, C und "nicht gebrauchsfähig") bei Edeka nicht stattfindet. Spediteure, die dort anliefern, müssen demzufolge grundsätzlich befürchten, nicht die gleiche Qualitätsklasse von Paletten nach dem GS1-System zurückzubekommen. Denn Kasel sagt: "Wir können keine Qualitäten garantieren, sondern stellen tauschfähige Paletten zur Verfügung." Für Berbersdorf trifft das allerdings nicht zu. Hier kann den Speditionsdienstleistern eine bestimmte Qualität garantiert werden: 2B. Einzelfall oder gelebte Praxis in der Lebensmittelbranche? Dazu von der Verkehrs-Rundschau angefragte Lebensmittel-Ketten und -Discounter, zeigten sich meist schmallippig auf unsere Frage: "Gibt es in Ihrem Unternehmen verbindliche Vorschriften, auf welchen Paletten die Lieferanten die Ware anliefern müssen beziehungsweise wie der Palettentausch vor Ort zu handhaben ist, um eine faire Lastenverteilung mit den Dienstleistern sicherzustellen?" Lediglich Aldi Süd in Mühlheim/Ruhr ließ über eine Sprecherin verlauten: "Grundsätzlich gelten für alle Regionalgesellschaften unserer Unternehmensgruppe einheitliche Regelungen zum Palettentausch, die auch Bestandteil der Einkaufsvereinbarungen sind. Der Palettentausch erfolgt demnach immer Zug um Zug." Sie betont außerdem: "Kann ein Tausch nicht Zug um Zug erfolgen - zum Beispiel infolge fehlender Zahl, Art und Güte von Paletten -, stellen wir unsererseits Palettengutschriften aus." In diesen Fällen, so die Sprecherin, erfolge der Palettentausch mit der jeweiligen Regionalgesellschaft nachgelagert. Über die Tauschfähigkeit hinaus bestehen keine besonderen Anforderungen an die Palettenqualität. Mag sein, dass Aldi Süd das Zug-um-Zug-Verfahren im Griff hat. Ansonsten aber ist das Edeka-Beispiel offenbar kein Einzelfall. "Das ist seit vielen Jahren weit verbreitete Praxis in vielen Firmen - in allen Branchen", beklagt Hubertus Kobernuss, Geschäftsführer der Kobernuss Spedition und Präsident der Transfrigoroute Deutschland. Weit verbreitet sei diese im Lebensmittelhandel, da hier wegen der Hygiene-Bestimmungen besonders hohe Anforderungen an die Palettenqualität bestehen. "Der Lebensmittel-Einzelhandel akzeptiert nur 1A-Qualität-Paletten, tauscht aber an Transporteure und Spediteure nur minderwertige Qualität zurück." Erschwerend komme hinzu, sagt Kobernuss, dass diese Firmen mittlerweile für das Paletten-Handling häufig externe Palettendienstleister einsetzen, was den Prozess zusätzlich erschwere und verteuere. "Will ein Transportdienstleister 1A-Qualität haben, muss er dafür extra bezahlen. Keiner bezahlt ihm aber diese Mehrkosten", moniert er. "Der Auftraggeber bezahlt sie nicht, weil er dem Dienstleister ja 1A-Qualität-Paletten gegeben hat, die er auch wieder zurückhaben will." Und beim Empfänger könne der Transporteur die Qualitätsdifferenz nicht einfordern, weil zu diesem kein Vertragsverhältnis bestehe. Kurz und knapp: Der Transportdienstleister ist der Gekniffene. "Und das ist in den vergangenen Jahren eher schlechter denn besser geworden", sagt er. Seine große Sorge ist, dass kleine und mittlere Betriebe diese Mehrbelastungen nicht mehr schultern können und möglicherweise aus dem Markt ausscheiden. Keine rechtlichen Regelungem im HGB Wirkliche Besserung ist nur bedingt in Sicht. Denn es gibt zum Palettentausch nach wie vor keine rechtlichen Regelungen im Handelsgesetzbuch HGB. Es gibt lediglich allgemeine Rechtsgrundsätze, zum Beispiel das Sachdarlehen und Bestimmungen zum Geschäftsbesorgungsvertrag. Wer einem anderen Paletten mit der Maßgabe überlässt, dafür entsprechende Paletten zurück zu bekommen, hat Anspruch auf Rückgabe in gleicher Qualität und Güte. Zudem kann ein Auftraggeber durch AGB-Klauseln dem Spediteur/Frachtführer weder das Tausch- noch das Qualitäts-Risiko auferlegen. Diese Grundsätze gelten immer - auch wenn externe Palettendienstleister eingesetzt werden - deren Einsatz ändert an der bestehenden Rechtslage nichts. Für Spediteure und Frachtführer heißt das: - Klären Sie, mit wem Sie im Vertragsverhältnis stehen: mit dem Versender der Ware oder mit dem Empfänger der Ware. Ihre Rechte können Sie nur gegenüber Ihrem Auftraggeber geltend machen. - Klären Sie mit Ihrem Auftraggeber ab, welche Rücknahme-Vereinbarungen dieser mit seinem Empfänger vereinbart hat. Nur auf dieser Ebene kann die Rückgabe durch den Empfänger geregelt werden. - Ein Spediteur sollte mit seinem Auftraggeber vorab klären, ob er überhaupt minderwertige Paletten seitens des Empfängers entgegennehmen darf oder gar die Annahme verweigern muss. Besonders wichtig ist das beim Doppeltausch. - Klären Sie als Spediteur vorab mit Ihrem Auftraggeber ab, was passiert, wenn Sie vom Empfänger minderwertige Paletten erhalten, ob Sie im Reklamationsfall etwaige Qualitätsverluste bezahlt bekommen. Das ist verhandelbar, auch wenn bedauerlicherweise häufig die Marktmacht siegt. Regeln Sie dies aber unbedingt vor Abschluss des Vertrags. GS1-Palettenschein in Arbeit Die gute Nachricht: Nicht zuletzt dank diverser Initiativen von GS1 Germany werden verstärkt Spielregeln entwickelt, die allen Beteiligten helfen sollen, auch Transporteuren und Spediteuren, das leidige Thema Palettentausch endlich in den Griff zu bekommen. Stichworte hier sind: das Palettenposter von GS1 Germany zur Einstufung der Qualität von Euro-Tauschpaletten (siehe Seite 44), der standardisierte GS1-Palettenschein, der in Arbeit ist, sowie die Entwicklung und Verabschiedung (möglicherweise in 2017) der GS1-Handlungsempfehlungen zum Palettentausch. Mehr zum Thema im Dossier Paletten & Gitterboxen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Dachser Mehrere Hebel, um Palettentausch-Problematik zu lösen Auch Branchengröße Dachser leidet unter der geschilderten Praxis. Allein bei Dachser Food Logistics würden die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten jährlich in die Millionen Euro gehen, sagt Jens Müller, der in dem Unternehmen das Netzwerkmanagement verantwortet. Dachser könne aber mit diesem Problem umgehen, betont er."Wir wissen, dass wir die Qualität nicht mehr im gleichen Umfang zurückbekommen. Unsere Herausforderung besteht darin, einen entsprechenden Prozess zu definieren, mit dem wir von unseren Abgangskunden das Geld bekommen, das uns durch diesen Qualitätsverlust zusteht."Letztlich auch über die Palettengebühr, die Dachser Food Logistics 2016 eingeführt hat.Und zwar für Fälle, in denen der Handel die leeren Ladungsträger nicht direkt der Spedition zurückgibt, sondern einen Palettendienstleister einschaltet."Gegen diesen Prozess haben wir nichts", sagt Müller."Letztlich aber soll der dafür bezahlen, der eine A-Qualität will." Dachser sehe für Auftraggeber zwei Wege vor: Entweder sie bezahlen dem Logistikdienstleister die Palettengebühr, wenn sie Palettendienstleister einsetzen. Oder der Auftraggeber lässt sich die auf den Palettendienstleister ausgestellten Palettenscheine durchreichen und sorgt eigenverantwortlich für den Rücktransport. Dann fällt keine zusätzliche Palettentauschgebühr an.Zudem versucht Dachser Lösungen gemeinsam mit Packmitteldienstleistern im Interesse aller Prozessbeteiligten zu finden."Generell müssen verschiedene Bausteine im EU-Palettentausch differenziert betrachtet und dürfen nicht vermischt werden." Denn die Dienstleistung des Packmitteltausches werde stets anfallen, etwa der Qualitätssprung (A- oder B-Qualität), wie von bestimmten Kunden gefordert.Dachser nehme grundsätzlich Punkte wie Normen zur Packmittel-Art, benötigte Qualität und Tauschländer-Übersicht in der Vertragsgestaltung auf."Das vereinbaren wir mit unseren Kunden. Da macht auch fast jeder mit." eh

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