Der Fahrermangel in der EU wird mehr und mehr zum Problem, vor allem für die Transport- und Logistikbranche. Deshalb haben die IRU, der Weltverband der Arbeitgeber im Straßenverkehr, der mehr als 3,5 Millionen Straßenverkehrsunternehmen vertritt, und ITF, die Internationale Transportarbeiter-Föderation, die 18,5 Millionen Verkehrsbeschäftigte vertritt, einen Drei-Punkte-Plan zur Behebung des Fahrermangels vorgestellt.
"Der Fahrermangel gerät schnell außer Kontrolle."
IRU-Generalsekretär Umberto de Pretto
Mit ihrem Plan wollen die beiden Institutionen nach eigenen Angaben den Fahrermangel auf dem Verkehrsarbeitsmarkt verringern, menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer schaffen, die außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten, und die Vorschriften für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinfachen.
ITF-Generalsekretär Stephen Cotton erklärt, wie das gelingen soll: "Regierungen, Arbeitgeber im Verkehrssektor und die multinationalen Kunden des Verkehrssektors müssen mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, um menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen und den Fahrermangel zu beenden. Der Straßenverkehr wird nur dann in der Lage sein, Fahrer anzuziehen und zu halten, wenn er auf der Zusammenarbeit aller Beteiligten und echten sozialen Schutz leistet."
Der Maßnahmen-Plan bezieht die UN, die nationalen Regierungen und die Transportbranche mit ein:
- UN und internationale Organisationen: Entwicklung eines globalen Rahmens mit klaren Leitlinien zum Schutz der nichtansässigen Fahrer, Verbesserung der Fahrerbedingungen und Stärkung des sozialen Zusammenhalts sowie Harmonisierung der Qualifikationsstandards und der grenzüberschreitenden Anerkennung.
- Nationale Regierungen: Änderung und Durchsetzung der Verfahren für die Arbeitsmigration zum Schutz nichtansässiger Fahrer, Verringerung des bürokratischen Aufwands zur Erleichterung der legalen Einwanderung aktueller und potenzieller Fahrer, Förderung der Anerkennung von Qualifikationen aus Drittländern durch bilaterale Abkommen, Investitionen in und verstärkte Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften für den Straßenverkehr sowie Subventionierung inländischer Schulungs- und Integrationsprogramme.
- Straßentransportunternehmen: Entwicklung von betrieblichen Integrationsprogrammen für ausländische Fahrer, damit diese die gleichen Bedingungen erhalten wie ihre einheimischen Arbeitskräfte; Unterstützung von Ausbildung, Qualifikationsmanagement und Zertifizierungsverfahren.
Der Plan ziele darauf ab, die nationalen Arbeitskräftepools besser auszugleichen. Er soll weder bestehende nationale Initiativen außer Kraft setzen, noch Sicherheitsstandards oder Arbeitsbedingungen beeinträchtigen, wie IRU und ITF erklären.
Im Jahr 2022 waren laut IRU rund 11 Prozent der Fahrerstellen unbesetzt. Da in vielen Ländern bis zu einem Drittel der Fahrer innerhalb der nächsten drei Jahre in den Ruhestand gehen, könnten sich die unbesetzten Fahrerstellen bis 2026 mehr als verdoppeln.
Der European Road Freight Benchmark, der gemeinsam von Transport Intelligence (TI), Upply und der IRU für das erste Quartal 2023 erstellt wurde, wies darauf hin, dass sich die Situation ähnlich wie in den USA im ersten Quartal des Jahres geringfügig verbessert hat. "Der Mangel an Lkw-Fahrern in Europa wird mit 9 Prozent der Fahrerstellen im Jahr 2023 voraussichtlich hoch bleiben und mindestens 300.000 unbesetzte Stellen erreichen", heißt es in der Analyse. Die 9 Prozent sind etwas niedriger als die 10 Prozent im Jahr 2022. Im Jahr 2021 waren 7 Prozent der Fahrerstellen unbesetzt.
"Der Anteil von Frauen und jungen Lkw-Fahrern ist nach wie vor gering und liegt bei 4 Prozent bzw. 8 Prozent der Lkw-Fahrer", heißt es in dem Benchmark-Papier, und weiter: "In Ländern, in denen der internationale Straßenverkehr mehr als 20 Prozent des Straßenverkehrs ausmacht (Polen, Rumänien), stellen ausländische Fahrer einen großen Teil des Berufsstandes", heißt es in dem IRU-Bericht über den Fahrermangel 2022.
Die ATA warnte, dass sich der Mangel aufgrund der "aktuellen demografischen Trends", der prognostizierten Nachfrage nach Straßengüterverkehrsdiensten sowie der Unattraktivität des Berufs und des Lebensstils der Fahrer auf über 160.00 Fahrer erhöhen könnte.
Das Hauptproblem sei, dass nur wenige junge Fahrer nachrücken. Auch hier handelt es sich nicht um ein Problem, das nur in Europa besteht. Den Untersuchungen der IRU zufolge lag der Anteil junger Fahrer mit Ausnahme von Mexiko und China unter 7 Prozent. Da immer mehr Fahrer in den Ruhestand gehen, wird der Druck auf die Logistikunternehmen, diese Fahrer zu ersetzen und dem Fahrermangel entgegenzuwirken, weiter zunehmen.
"Angesichts des hohen Anteils älterer Fahrer, die sich dem Ruhestand nähern, wird der Fahrermangel weiter gefährlich zunehmen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden", so die IRU weiter. Im Hinblick auf die demografische Situation wies die IRU darauf hin, dass das Durchschnittsalter eines Lkw-Fahrers in Europa 47 Jahre beträgt, wobei 34 Prozent der Fahrer älter als 55 Jahre sind. Da das Renteneintrittsalter in verschiedenen Ländern der Europäischen Union (EU) zwischen 62 und 67 Jahren liegt, werden 34 Prozent der Fahrer in den nächsten zehn Jahren in diesem Bereich liegen, was zu einer großen Lücke in der Zukunft führt. Darüber hinaus müssen die Unternehmen auch ihren Wachstumsbedarf decken, was bedeutet, dass die Güterkraftverkehrsunternehmen eine noch größere Anzahl von Fahrern suchen werden.
Die Europäische Kommission will mit mehreren Maßnahmen gegen den Lkw-Fahrermangel vorgehen: Darunter fällt der digitale Führerschein oder das Recht für 17-Jährige einen Lkw zu fahren. "Diejenigen, die den Führerschein mit 17 Jahren machen, können ab ihrem 18. Geburtstag allein fahren und als Berufskraftfahrer arbeiten, sobald ein bestimmter Job dies erlaubt. Dies wird dazu beitragen, den derzeitigen Fahrermangel zu beheben", argumentierte die EK. Darüber hinaus möchte die Kommission mit dem Vorschlag für den digitalen Führerschein Bürgern aus Nicht-EU-Ländern mit vergleichbaren Verkehrssicherheitsstandards den Umtausch ihres Führerscheins in einen EU-Führerschein erleichtern.