Euro-6-Fachkonferenz

Euro-6-Fachkonferenz Investition mit Zukunft oder Fehlkauf? Die Skepsis gegenüber Euro 6 ist groß, die Nachfrage gering: Auf einer Fachkonferenz der VerkehrsRundschau haben Experten diskutiert, unter welchen Bedingungen sich die neuen, schadstoffarmen Fahrzeuge rechnen und ob Unternehmen jetzt kaufen sollten. Wann und für wen lohnen sich Anschaffung und Betrieb von Lastkraftwagen mit der neuen Euro-6-Abgasnorm? Wie schlagen die Fahrzeuge der strengsten Schadstoffnorm gegenüber Euro-5-LKW zu Buche? Und was taugen sie auf der Straße? Diese Fragen diskutierten namhafte Vertreter aus dem Güterkraftverkehrsgewerbe und der Nutzfahrzeugindustrie auf einer Fachkonferenz von VerkehrsRundschau (VR) und Bundesverband Wirtschaft Verkehr und Logistik (BWVL) in Düsseldorf. Unter dem Titel „LKW und Fuhrpark – Euro 6 in der Praxis“ stellten LKW-Bauer wie Mercedes-Benz, Scania und Iveco rund 50 Entscheidern aus der Transport- und Logistikbranche ihre neuen Motor- und Abgastechniken vor. Dabei machten sie vor allem deutlich, dass die Entwicklung der Euro-6-LKW aufwendig gewesen ist und jene daher teurer als Euro-5-Modelle sind. Neben dem Aufpreis von bis zu 12.000 Euro wies Gerhard Grünig, VR-Redakteur für Fahrzeugtests und Nutzfahrzeugtechnik, die Teilnehmer auf die vier bis sechs Prozent höheren Wartungskosten der Euro-6-LKW hin. Diese hingen vor allem davon ab, wie häufig der Dieselpartikelfilter (DPF) ausgetauscht werden muss. Nach Auskunft von Scania sollte das ab 240.000 Kilometern geschehen, laut Mercedes-Benz wird ein Tausch nach dem dritten Motorölwechsel fällig, also ab 450.000 Kilometern. Während die zwei Hersteller bei der Reduzierung der Emission von Stickoxiden (NOx) auf eine Mischung aus Abgasrückführung (AGR) und der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) unter Zuführung von Adblue setzen, und Abgasruß mittels DPF den Garaus machen wollen, basiert die Euro-6-Taktik von Iveco ausschließlich auf der Abgasnachbehandlung durch SCR und DPF (Wartungsintervall: 150.000 km, siehe Seite 90). Die zum Teil zusätzlichen Komponenten zur Senkung des Schadstoffausstoßes drücken auf das Eigengewicht der LKW. Stefan Himmighofen von Spedition Gerhard Heuser aus Oberbachheim bei Koblenz nannte auf der VR-Fachkonferenz konkrete Zahlen aus einem Feldversuch mit Scania. „Rund 200 Kilogramm mehr wiegt die Euro-6-Ausgabe des R 480 Topline, die wir seit Januar testen“, sagte er. Dies bedeutet nicht nur weniger Nutzlast, sondern mitunter auch einen höheren Kraftstoffverbrauch. Kraftstoffverbrauch in der Praxis Eine erste Tendenz gab der Mercedes Record Run, ein Vergleichstest zwischen dem New Actros 1845 Euro 6 und New Actros 1845 Euro 5, bei dem das Euro-6-Fahrzeug nach Herstellerangaben gut drei Prozent mehr Kraftstoff (Diesel und Adblue) benötgte. Ein anderes Ergebnis brachte der VR-Profi-Test zweier Scania-LKW, bei dem der R 480 Euro 6 bei annähernd gleicher Geschwindigkeit rund sechs Prozent weniger verbrauchte als das Euro-5-Pendant. Testredakteur Grünig schätzt, dass Euro-6-LKW bei den Kraftstoffkosten für Diesel und Adblue im Durchschnitt ein bis zwei Prozent über vergleichbaren Euro-5-LKW liegen. Der reine Dieselverbrauch sei zwei Prozent höher. „Technisch bekommt man Euro 6 nicht verbrauchsneutral hin“, erläuterte Hubertus Goldkuhle, Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland bei Daimler. Mehrverbrauch lasse sich nur durch andere Faktoren wie die Optimierung der Aerodynamik kompensieren. MAN ist da etwas optimistischer. Die Münchner wollen auf der IAA Nutzfahrzeuge 2012 mit einem verbrauchsneutralen Euro-6-Modell anrollen. Investitionen ins Ungewisse Die Anschaffung von Euro-6-Fahrzeugen vor Inkrafttreten der neuen, strengeren Schadstoffnorm ab 1. Januar 2014 bezeichnete die anwesenden Transportunternehmer und Werkverkehrbetreiber unter den derzeitigen Bedingungen als betriebswirtschaftlichen Unsinn. Inwiefern sich Euro 6 rechnen wird, hänge auch von der Bundesregierung ab, betonte BWVL-Hauptgeschäftsführer Christian Labrot: „Die Frage ist, ob und wie Mautspreizung und staatliche Förderung zur Investition trotz der Mehrkosten anregen.“ In dieser Legislaturoperiode seien die Handlungsoptionen der Politik wegen des Mautmoratoriums zwar beschränkt. Dennoch begrüßte er den Vorschlag vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und dem Verband der Automobilindustrie (VDA), als Anreiz für den Kauf von Euro-6-LKW ab 1. Juni 2013 eine neue, günstigere Mautklasse zu schaffen. Kritisch beurteilte er hingegen das Förderprogramm der staatlichen KfW-Bankengruppe, die vorzeitige Investition in Euro 6 je nach Unternehmensgröße mit 1400 bis 2200 Euro pro Fahrzeug unterstützt. Solche Zuschüsse seien lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, so Labrot. „Die Mittel stammen darüber hinaus aus der Mautharmonisierung und gehen zulasten der anderen Töpfe für De-Minimis sowie die Aus- und Weiterbildung.“ Vorbehalte im Transportgewerbe Die meisten Transporteure und Spediteure zögern noch beim Kauf von Euro-6-LKW. „Bisher fehlen belastbare Daten“, erklärte BGL-Vizechef Klaus Peter Röskes. Die Branche befürchte einen Wertverfall wie bei der Umstellung von Euro 3 auf Euro 5. Zudem sei unsicher, welche Verordnung als Nächstes aus Brüssel kommt. Derzeit diskutiert die EU-Kommission dort die Einführung sogenannter CO2-Leistungsstandards für schwere LKW. Diese Sorgen versuchte Christian Teichmann, Direktor Verkauf LKW bei Scania Deutschland Österreich, auszuräumen: „Die Euro-6-Restwerte werden auf Euro-5-Niveau liegen.“ Gleichwohl rechne er bis 2013 mit einem Anstieg der realen Gebrauchtwagenwerte von Euro-5-LKW, die nach wie vor im Ausland gefragt seien. Im Transitverkehr seien die Fahrzeuge der neuesten Abgastechnik langfristig aber eine sichere Bank, denn alle Gesetze in Europa liefen auf die bestmögliche Schadstoffnorm hinaus. Davon war auch Stefan Klatt, Leiter Public Affairs bei MAN, überzeugt: „Ich bin sicher, dass Zufahrtsbeschränkungen wie im Hafen Rotterdam zunehmen werden.“ ❙❚■ André Gieße 50 Entscheider aus der Transport- und Logistikbranche nahmen an der Fachkonferenz der VerkehrsRundschau in Düsseldorf teil BGL-Vizepräsident Klaus Peter Röskes setzt in seiner Spedition vorerst nicht auf Euro-6-LKW Während einer Podiumsdiskussion wägten Experten aus Logistik und NFZ-Industrie die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile von Euro-6-LKW ab Als Referenten waren u.a. Hennig Burmeister (Daimler, l.), Stefan Himmighofen (Spedition Gerhard Heuser, M.) und Christian Labrot (BWVL, r.) zu Gast Euro-6-Fachkonferenz VDA und BGL schlagen 4 Cent vor Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und der Verband der Automobilindustrie (VDA) haben sich bei der Integration der neuen Euro-6-Abgasnorm für schwere Nutzfahrzeuge in die Mauthöheverordnung auf einen Kompromiss geeinigt. Sie schlagen dem Bundesverkehrs- und Bundesumweltministerium vor, die Mauthöheverordnung bis kommenden Sommer zu überarbeiten und ab 1. Juni 2013 für Euro-6-LKW eine neue Mautklasse einzuführen, die vier Cent pro Kilometer unter der nächstgünstigen Mautklasse liegt. Dieser Vorschlag solle einen finanziellen Anreiz für den Kauf von Euro-6-Fahrzeugen und für die Nutzfahrzeugindustrie und die Transporteure längerfristige Investitionssicherheit schaffen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Mautspreizung zugunsten von Euro 6 sollte bis Ende 2016 um bis zu zwei Cent pro Kilometer wieder reduziert werden. ag 2014 wird Euro 6 für neue schwere LKW Pflicht Mautspreizung Euro-6-Fachkonferenz