EU-Entsenderichtlinie: Brüssel gibt nicht nach

Die EU-Kommission hat die im Mai geäußerten Bedenken von elf zumeist osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten gegen ihre Vorschläge zur Erneuerung der europäischen Entsenderichtlinie zurückgewiesen. Die Gesetzgebung, die die Gleichbehandlung von entsandten Arbeitnehmern in andere EU-Länder betrifft, falle sehr wohl in die Zuständigkeit der EU-Kommission, begründete die Brüsseler Behörde Ende Juli ihre Entscheidung. Die protestierenden Mitgliedstaaten hatten argumentiert, dass der Umgang mit entsandten Arbeitnehmern besser in jedem Land selbst geregelt werden könne, also unter das Subsidiaritätsprinzip falle. "Die Entsendung von Arbeitnehmern ist naturgemäß eine grenzüberschreitende Angelegenheit", sagte EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen. Man habe die Bedenken der nationalen Parlamente "sorgfältig geprüft". Letztlich sei man aber zu dem Schluss gekommen, dass der Vorschlag voll und ganz mit dem Grundsatz der Subsidiarität vereinbar sei. Die EU-Kommission regele seit 1996 die Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union. Es sei nicht ersichtlich, warum sich an dieser Zuständigkeit jetzt etwas ändern sollte. EU will gegen Lohndumping vorgehen Die EU-Kommission hatte am 8. März einen Vorschlag für eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie vorgelegt. Grundsätzliches Ziel ist es, noch bestehende Unterschiede zwischen entsandten und einheimischen Arbeitnehmern bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen weiter abzubauen. Damit will die Brüsseler Behörde gegen Lohndumping in Europa vorgehen. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, Arbeitnehmer aus Billiglohnländern zu den dort geltenden Löhnen in Ländern mit weitaus höheren Löhnen arbeiten zu lassen. Nach der geltenden Entsenderichtlinie erhalten Arbeitnehmer, die Aufträge in einem anderen EU-Land ausführen, mindestens den dort üblichen Mindestlohn. Diesen Grundsatz, auf den sich die Mitgliedstaaten 1996 verständigt hatten, will die EU-Kommission abschaffen. Stattdessen sollen entsandte Arbeitnehmer den vollen Tariflohn einschließlich Zulagen bekommen. Nach spätestens zwei Jahren sollen die entsandten Arbeitnehmer den lokalen Arbeitskräften vollständig gleichgestellt werden, also auch im Hinblick auf den Kündigungsschutz und alle anderen Rechte. Zudem soll vom ersten Tag an ein Anrecht auf dieselben Prämien und Sonderzahlungen bestehen wie für heimische Arbeitnehmer. Ob diese Regeln am Ende auch im Verkehrsgewerbe gelten, ist derzeit unklar (siehe Kasten). Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Slowakei hatten im Rahmen des Subsidiaritäts-Kontrollmechanismus dagegen Beschwerde eingelegt. Deren Volksvertretungen glauben, dass die Brüsseler Behörde ihre Kompetenzen überschreitet und sich in die Lohngestaltung der Mitgliedstaaten einmischt. Hinter diesem Vorwurf steckt aber vor allem die Angst, dass der Wettbewerbsvorteil verloren geht, den osteuropäische Unternehmen gegenüber westlichen haben, wenn sie geringere Löhne zahlen müssen. Der Vorschlag der EU-Kommission muss noch vom Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten im EU-Rat bearbeitet und verabschiedet werden. Deshalb ist dies vermutlich nicht die letzte Diskussion. Extra-Reform EU-Kommission plant separate Regeln für den Güterverkehr Dass die geplante Reform der europäischen Entsenderichtlinie auch das Verkehrsgewerbe betrifft, ist unwahrscheinlich. Angesichts der hohen Mobilität in dieser Branche, heißt es im Vorschlag der EU-Kommission, müsse man möglicherweise über "sektorspezifische Regelungen" nachdenken. Parallel arbeitet man in Brüssel an einer Überarbeitung der Sozialvorschriften im Straßengüterverkehr in der Union (früher: "Road Package"). Diese ist für Ende des Jahres angekündigt. ag

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