München. Wer bringt den Durchbruch für die geräusch- und abgasfreie Logistik in den Städten? Welchen Beitrag kann die Politik leisten? Droht Deutschland technologisch und wirtschaftlich den Anschluss zu verlieren – oder schaffen es alle Akteure, den elektrischen Transport jetzt gemeinsam zur Erfolgsstory zu machen? Zu diesen Fragen diskutierten Top-Entscheider aus Industrie, Forschung, Politik und Verbänden auf der ersten „Electric Networking Night“ von BPW im Rahmen der Fachmesse Transport Logistic in München.
Der Entwickler von Fahrwerksystemen für Lkw-Anhänger und -Auflieger ermöglichte zum Thema E-Mobilität eine Diskussion auf Augenhöhe. Denn die rund 50 Gäste im Publikum der „Electric Networking Night“ waren nicht weniger hochkarätig wie die Redner: Kurt Sigl (Bundesverband E-Mobilität), Rolf Meyer (Meyer & Meyer) Dr. Dustin Schöder (Deutsche Bahn, Strategische Konzernprojekte) und Clemens Baumgärtner (Landeshauptstadt München) beleuchteten die Chancen und Herausforderungen des emissionsfreien Transports aus unterschiedlichen Perspektiven.
Unter der Leitung von Gerhard Grünig (Chefredakteur der Verkehrsrundschau) entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der sich Markus Schell (BPW) ebenso engagiert einbrachte wie Marten Bosselmann (Bundesverband Paket & Expresslogistik), Hermann Stegmaier (Stegmaier Nutzfahrzeuge) und Robert Orten (Orten Fahrzeugbau), die sich aus dem Publikum zu Wort meldeten.
Politik soll bessere Voraussetzungen schaffen
Die Referenten fanden klare Worte: Kurt Sigl appelliert an die Politik, durch klare Rahmenbedingungen Planungs- und Rechtssicherheit für die Wirtschaft zu schaffen: „Gerade für einen emissionsarmen Transport auf der letzten Meile kann die Politik Akzente setzen – aber dafür braucht es nicht nur Geld, sondern auch Grips. Wir haben in Deutschland ein lebendiges Netzwerk aus Mittelstand, Start-ups und Universitäten, das kreativer und effizienter darin ist, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.“ Zudem rief er die Politik dazu auf, den Zugang zu den vorhandenen Fördergeldern zu vereinfachen. Gleichzeitig riet er die Teilnehmer des Abends, ihre Kräfte zu bündeln: „Ich kann jeden nur ermuntern, offen zu sein, mitzumachen und sich zuzutrauen, den Paradigmenwechsel mitzugestalten.“
Rolf Meyer schloss sich diesem Aufruf an – versehen mit einer deutlichen Warnung: „Deutsche Transportunternehmer sollten sich vermehrt und intensiver an der elektrischen Transformation der Wirtschaftsverkehre beteiligen. Nur so können wir weiter technologisch führend in der Welt bleiben – statt von den rasanten Entwicklungen in anderen Ländern abgehängt zu werden.“
Als Gesellschafter und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des führenden deutschen Fashion-Logistikers Meyer & Meyer kennt er die Probleme aus der Belieferung der Innenstädte, um die eine zunehmende Flächenkonkurrenz durch Individual- und Lieferverkehr entbrennt.
Flächenkonkurrenz in deutschen Städten problematisch
Wie diese Flächenkonkurrenz die politische Diskussion in den Kommunen aufheizt, berichtete Clemens Baumgärtner, der als Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München politische Vorgaben umsetzen muss. Dabei wird der Ruf nach radikalen Ansätzen lauter. Baumgärtner: „Die Politik stellt zu Recht die Frage: Wem gehört die Stadt? Wer hat Zugriff auf welche Flächen? Auch ich bin überzeugt, dass wir ein Umdenken brauchen – aber es kann keine Lösung sein, pauschal alles zu verteufeln, was vier Räder hat. Ich will keine toten Innenstädte. Gar kein Lieferverkehr kann keine Lösung sein.“ Baumgärtner betonte das Engagement der Stadt München für die Elektromobilität: Zwischen 2018 und 2020 werden 30 Millionen Euro investiert, davon allein 11 Millionen in die Ladeinfrastruktur. Die Teilnehmer der Electric Networking Night rief er auf, den Dialog mit den Kommunen zu suchen: „Die Politik muss wissen, was die Technik hergibt.“
Neue Konzepte für elektrische City-Logistik nötig
Dazu wurde Dustin Schöder konkret, der als Stratege der Deutschen Bahn und E-Mobilitätsexperte die elektrische Stückgut-Belieferung intensiv untersucht hat: Die Fahrzeugtechnik funktioniere inzwischen einwandfrei, aber es sei für Logistiker nicht damit getan, Fahrzeuge auszutauschen und Ladesäulen zu beschaffen. Die elektrische Stückgutdistribution in Innenstädten und dem städtischen Umland müsse neu gedacht, Prozesse neu konzipiert werden. Dabei gelte es, alle Stakeholder einzubeziehen und sich Zeit zu geben, Erfahrungen zu sammeln.
Markus Schell, persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter von BPW, glaubt an die Kraft des deutschen Mittelstands – genauer gesagt an dessen Fähigkeit, auf allen technischen Ebenen pragmatisch und agil zu kooperieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Innovationen voranzutreiben. „Die vielfältigen Netzwerke im Bereich Elektromobilität, Fahrzeugindustrie, Transport und Logistik sind wie ein lernender Organismus“, erklärt er. „Sie haben die deutsche Industrie schon immer stark gemacht und werden jetzt auch den elektrischen Transport vorantreiben.“ Einige Besucher nahmen daraufhin das Angebot von BPW an, ein vollelektrisches 7,5-Tonnen-Fahrzeug zu reservieren.
Insgesamt waren sich die Teilnehmer einig darüber, dass die Politik mutiger sein muss klare Rahmenbedingungen für moderne Mobilitätskonzepte zu setzen, da Deutschland sonst den internationalen Anschluss verliert. (ag)
Unsere Bildergalerie zur Electronic Networking Night steht für Sie unter dem folgenden Link zur Verfügung:
https://www.verkehrsrundschau.de/mediathek/galerie/transport-logistic-2019-electric-networking-night-2412619.html