Einer hat die Nase vorne

Es hat ein wenig gedauert, bis Iveco beim Thema hydraulisch angetriebene Vorderachse nachgezogen hat. Aber jetzt können die Italiener liefern und haben das System durch ein paar zusätzliche Nettigkeiten aufgewertet, die es beim Wettbewerb nicht gibt. Wie gut der neue "X-Way Hi-Traction" ist, haben wir mit einem ersten Kundenfahrzeug getestet - und gleich ein anerkanntes Traktionswunder in Form eines CNH T7-Allrad-Schleppers hinzugezogen. Die Hi-Traction-Funktion treibt Iveco über einen motorseitigen Nebenabtrieb an. Man verspricht sich davon Vorteile bei der Kraftzuleitung. Weiteres Novum ist die systembedingte Zuschaltung des "Allrads" ab dem Stand. Der Stralis X-Way startet also grundsätzlich mit der Kraft aller angetriebenen Räder - ganz unabhängig davon, ob der Fahrer die Vorderachse per Schalter aktiviert hat. Vorteil: die Zuschaltung der Vorderachse Tatsächlich startet der Iveco dank dieser Auslegung auch auf losem Untergrund problemlos. Selbst mit der anerkannt drehmomentstarken 500-PS-Motorisierung muss der Fahrer nicht extra-sensibel mit dem Gaspedal umgehen, um Schlupf zu vermeiden. "Boost Mode" nennt Iveco dieses System, das neben der verbesserten Traktion auch die Kupplungsstandzeit optimieren soll und das sich dann ab drei Stundenkilometer Fahrtgeschwindigkeit automatisch abschaltet. Übrigens liegen in der niedrigsten Fahrstufe bis zu 12.500 (!) Nm an der Vorderachse an. Insofern lässt sich der X-Way äußert kommod durchs Gelände bewegen. Erst bei Geschwindigkeiten über 17 bis 22 Stundenkilometer (je nach Übersetzung) deaktiviert sich das dann vom Fahrer zugeschaltete Hi-Traction-System und macht aus dem 4x4 einen 4x2. Der Anwender, Holger Kling, einer der ersten Nutzer und außerdem Testfahrer für das neue System, zeigt sich begeistert. Selbst bei Nässe, damit verbundenem schlüpfrigem Untergrund in Kombination mit steilen Anstiegen im firmeneigenen Steinbruch liefere der Stralis optimale Traktion. In puncto Anfahrstärke findet er sich damit auf einem Niveau mit dem Konzernbruder T7. Der hat mit den 300 PS des aus dem Iveco-Baukasten stammenden 6,7- Liter-Motors zwar deutlich weniger Power. Aber entsprechende Untersetzungen sorgen für nahezu identische Drehmomentwerte an den Reifenaufstandsflächen. Und davon hat der Schlepper dank extrem breiter Schlappen deutlich mehr zu bieten. Im Vergleich zur Sattelzugmaschine ist der Schlepper ein dicker Brocken. Rund 10,5 Tonnen bringt der T7 "Heavy Duty" auf die Waage. Da liegt der Stralis trotz 400 Kilo Mehrgewicht für die Vorderachshydraulik deutlich darunter - über drei Tonnen, um genau zu sein. Anfangs hatten wir einen eher ungleichen Vergleich erwartet. Die Vorstellungen des Nutzfahrzeug-Redakteurs von der Traktortechnik waren nicht auf dem neuesten Stand ... Tatsächlich bietet der T7 einen Arbeitsplatz, der dem des Stralis durchaus ebenbürtig ist. Vor allem ist der Einstieg über die treppenartige Galerie viel bequemer. Auch beim Thema Sitzkomfort muss sich der Schlepper nicht verstecken. Sitzklimatisierung samt automatischem Belüftungssystem ist hüben wie drüben gesetzt - wenn auch in beiden Fahrzeugen nur gegen Aufpreis. Erstaunlich auch, wie extrem leise der T7 fährt. Laut wird es bei ihm erst, wenn man mit den grobstolligen Reifen auf die Straße geht und Gas gibt. Aber dafür ist er auch nicht gemacht, denn bei rund 40 Stundenkilometer ist Schluss. Daran wird sich auch künftig nichts ändern, denn die Landwirte sind mit ihrem Ansinnen, 60 Stundenkilometer mautbefreit fahren zu dürfen, gescheitert. Traktor gehört nicht auf die Landstraße Bei aller neuen Sympathie für den Traktor: gut so! Denn der Motor erreicht nur Tier 4 final, bläst damit deutlich mehr Schadstoffe in die Luft als ein Euro-6-Lkw - und genehmigt sich auf 100 Kilometer auch einiges mehr an Sprit (siehe Kasten rechts). Wer mit dem T7 mit einem dem Sattelzug vergleichbaren Dreiachs-Hänger unterwegs ist, sollte mit einer "4" an der ersten Stelle des Verbrauchsergebnisses rechnen. Das kann der Stralis dann doch besser. Wie er auch deutlich besser auf der Straße liegt und sich absolut zielgenau bewegen lässt - wobei Iveco schon immer gezeigt hat, dass man dort exzellente Fahrwerke bauen kann. Das automatisierte Traxon-Getriebe des X-Way passt sehr gut zum rauen Einsatz. Gangwahl, Schaltgeschwindigkeit wie auch die Performance abseits befestigter Straßen lassen kaum Wünsche offen - vor allem nicht nach einem Kupplungspedal. Selbst große Skeptiker lassen sich da überzeugen, was sicher auch am eingangs beschriebenen Boost-Mode liegt. Iveco will zeitnah noch mit einer weiteren interessanten Funktion nachlegen: dem Kriechen. Das soll alleine über die hydraulische Vorderachse passieren und gäbe künftig die Möglichkeit, einen hydrostatischen Antrieb für sehr niedrige Geschwindigkeitsbereiche zu integrieren sowie eine Rangierfunktion zu realisieren. Hi-Traction ist aktuell für zwei- und dreiachsige Fahrzeuge verfügbar - für Vierachser soll es später kommen. Trotz des "Allrads" bleibt der Stralis ein Straßenauto und ist damit für den Schlepper keine Konkurrenz auf dem Acker - der gehört seiner Bestimmung nach dafür aufs Feld und nicht auf die Straße. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Lkw gegen Traktor - Wer ist Sparsamer? Im Rahmen ihrer früheren Tätigkeit bei der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG haben der heutige BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt und seine Referentin Nina Zimmermann in Zusammenarbeit mit dem Institut für Logistikmanagement der Steinbeis Hochschule Berlin sowie Prof. Bernhardt vom Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TU München Fahrversuche mit Traktor- sowie Lkw-Kombinationen im Raum Gießen durchgeführt. Ziel war die Analyse, welche Kombination sich wirtschaftlicher im Transport landwirtschaftlicher Güter einsetzen lässt.Die mehrfach befahrene Teststrecke bildete mit Feldwegen, Ortsdurchfahrten und Landstraßenetappen den typischen Alltag der in diesem Bereich eingesetzten Kombinationen ab. Zum Einsatz kamen ein 190-PS- und ein 330-PS-Schlepper mit zwei 18-Tonnen-Dreiseitenkippern sowie eine Kombination aus 190-PS-Schlepper mit Dollyachse und Alu-Kippsattelmulde im Vergleich zu einer Lkw-Sattelkombination mit einer Zugmaschine der 450-PS-Klasse, ebenfalls mit Alu-Kippmulde.Beim Schlepper mit 330 PS wurde ein höherer Anteil an Reparaturkosten eingerechnet. Aufgrund höherer Nutzlast sowie einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit liegt der km-Preis trotz höherem Verbrauch niedriger als beim 190-PS-Schlepper. Dennoch liegen die Schlepper-Kombinationen bei den Kosten generell deutlich über der Lkw-Kombination. Unbetrachtet bleiben die Emissionen. Doch auf Basis geltender Grenzwerte beim Schlepper (Tier 4 final) und beim Lkw mit deutlich schärferer Euro-6-Norm und niedrigerem Verbrauch emittieren Schlepper-Kombinationen deutlich mehr Schadstoffe.