Duisburg. Wenn Erich Staake nicht bereits einen offenen Hemdkragen gehabt hätte, dann wäre ihm dieser wahrscheinlich spätestens nach seiner emotionalen Rede zu dem Geschäftsgebaren einiger Verlader geplatzt. Was war geschehen auf der gestrigen Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens, die ansonsten unterlegt mit zahlreichen Zahlen eher sachlich nüchtern daherkommt? Was hatte Staake so in Rage versetzt?
Die VerkehrsRundschau hatte in der Fragerunde darauf verwiesen, dass sich Hinweise mehren wegen illegaler Lkw-Transporte im Umfeld der See- und Binnenhäfen. Erst am Montag hatte es eine große Kontrollaktion gemeinsam von Polizei, BAG und Zoll im Hafen Duisburg gegeben (mehr dazu: hier). Zudem gibt es schon seit einigen Jahren massive Beschwerden ganz unterschiedlicher Gruppierungen wegen campierender Lkw und Fahrer in der Nachbarschaft des Duisburger Hafens. Wie denn der Hafen diese Zustände beurteilt und was er dazu beiträgt, dass bei den Transporten wie auch bei den campierenden Fahrern und deren Lkw Gesetz und Ordnung sowie Sozialstandards eingehalten werden, wollte die VerkehrsRundschau wissen.
Behörden sollen mit Kontrollen Druck ausüben
Markus Bangen, Vorstandsmitglied bei Duisport, begrüßte, dass solche Kontrollen stattfinden. Solange es keinen Druck durch die Behörden gebe, werde sich sowohl bei den illegalen Transporten wie auch an den Zuständen, unter denen vor allem die osteuropäischen Fahrer leiden, nichts ändern. „Die Duisburger Hafen AG hat auf dem Logport III mit Parkmöglichkeiten für bis zu 90 Lkw und Sanitär- und Waschräumen für die Fahrer auf dieses Phänomen reagiert“, zählte Bangen beispielhaft eine Maßnahme auf. Das werde man kontinuierlich ausweiten, zum Beispiel mit Unterkunftsmöglichkeiten für Fahrer auf Logport VI. „Aber eines ist klar: Dieses Problem können wir nicht alleine lösen. Das betrifft alle Verlader und alle Unternehmen. Nachhaltigkeit sollte bei den Verladern nicht nur in Imagebroschüren erwähnt werden, sondern auch bei den Ausschreibungen Berücksichtigung finden“, startete Bangen mit der Kritik an die Auftraggeber.
Staake: "Sonst erleben wir ein Speditionssterben, was noch nie dagewesen ist"
Nach einer weiteren Frage eines Journalisten zu dem Thema und einer Antwort von Bangen konnte Staake ganz offensichtlich nicht mehr an sich halten. Es folgte ein in der Nachdrücklichkeit kaum zu übertreffender Appell, hier daher auch im O-Ton: „Ich würde dringend der verladenden Wirtschaft anraten - dringend anraten -, ihre derzeit praktizierte Transport- und Logistikpolitik zu überdenken. Ich würde es ihnen dringend anraten.“ Und er fuhr fort: „Denn was wir sonst erleben werden ist ein Speditionssterben, was noch nie dagewesen ist.“
Zu den Abschlägen, die verschiedene Auftraggeber angesichts der Corona-Krise von ihren Transportdienstleistern einfordern, hatte Staake eine klare Meinung: „Zu diesen Preisen kann man nicht fahren.“ Die mangelhaften Bedingungen für die Fahrer mit untragbaren Unterkunftsmöglichkeiten seien nämlich alles Folge „eine Preispolitik mit teilweise völlig unrealistischen Vorgaben“, getreu „dem Motto, im Einkauf liegt der Segen: das kann doch immer nur noch billiger werden.“
Staake warnt vor einem Boomerang für die verladende Wirtschaft
Dabei befürchtet Staake, dass das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist. „Ich ahne schon, dass vor dem Hintergrund des Ölpreissturzes und der damit einhergehenden Senkung von Dieselpreisen jeder kleine Logistikverantwortliche in der verladenden Wirtschaft jetzt schon dasitzt und meint, er könne die Preise nochmals um fünf bis zehn Prozent drücken.“ Wenn diese Einstellung beibehalten werde, „wird das ein Boomerang werden für die verladende Wirtschaft.“
Dann ruderte Staake ein wenig zurück und wollte nicht alle Unternehmen der verladenden Wirtschaft in Generalhaftung nehmen: „Ich kenne auch sehr viele Verlader, die sich verantwortlich verhalten und die erkennen, welcher Vorteil es ist, in stabilen Strukturen mit Partnern langfristig zusammenzuarbeiten.“ Aber die Versuchung, den „schnellen Euro zu machen“, die sei groß, insbesondere jetzt in der Krisensituation.
Eine ziemliche Breitseite gegen die Unternehmen der verladenden Wirtschaft. Wobei – was man aus Duisburg hört – viele der campierenden Lkw-Fahrer aus Osteuropa von Speditionen als Containertrucker beauftragt werden.
Mehr Infos zu den Lkw-Kontrollen hier.
Und wie man als Unternehmen reagieren kann, wenn man mit pauschalen Abschlägen konfrontiert wird, dazu finden Abonnenten der VerkehrsRundschau auf dem VR-Plus-Portal wichtige Tipps zu Preisverhandlungen.