Berlin. Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) hat in einer aktuellen Pressemitteilung vor nachhaltigen Störungen im Verkehr mit Großbritannien gewarnt. Das zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich führt dem DSLV zufolge zu wachsenden operativen Umsetzungsproblemen. Als Grund dafür nennt der Verband, dass vielen Unternehmen nach wie vor nicht bewusst sei, dass die Regelungen im Verkehr mit dem europäischen Kontinent jetzt nicht mehr denen des Binnenmarkts entsprechen. Bis zu 80 Prozent der Sendungen im Warenverkehr zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland sind derzeit fehlerhaft oder gar nicht deklariert und stimmen nicht mit den Zollvorschriften überein, so der Bundesverband.
Speditionen und Zollagenten haben sich laut DSLV in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf die Folgen des Brexit vorbereitet. Viele ihrer Kunden aus der verladenden Wirtschaft hätten allerdings erst jetzt ihre Prozesse angepasst und sich mit Export- und Importanmeldungen und den dafür erforderlichen Verfahren und Dokumenten auseinandergesetzt. Zudem fehle vielfach das Verständnis dafür, dass der zusätzliche administrative Aufwand der Speditionen zu einer spürbaren Erhöhung der Logistikkosten führen kann. Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV, dazu: „Für Fachspeditionen ist das Zollgeschäft kein Neuland, für eine Vielzahl von Logistikkunden offensichtlich schon. Durch unerledigte Versandverfahren kann das Haftungsrisiko für die Speditionen erheblich steigen.“
Probleme im Warenverkehr mit Großbritannien belastet Europa-Logistik
Die derzeit massiven Probleme im Warenverkehr mit Großbritannien haben laut DSLV Auswirkungen auf die Systemnetze der Logistik in ganz Europa. Transporte mit Sammelgut, das heißt Sendungen mehrerer Versender für verschiedene Empfänger, können von den Zollverwaltungen nicht abgefertigt werden, wenn einzelne Sendungen falsch deklariert sind oder Ursprungszeugnisse und Veterinärbescheinigungen fehlen. Lkw-Touren nach Großbritannien und zurück dauerten jetzt bis zu fünf statt drei Tage, wodurch Laderaumkapazitäten unnötig lange gebunden seien. Die aktuelle Kategorisierung des Vereinigten Königreichs als Virusvarianz-Gebiet, wodurch auch im Güterverkehrssektor Beschäftigte vor Ausreise aus Großbritannien einen negativen Covid-19-Test vorweisen müssen, verschärfe die Abfertigungssituation zusätzlich.
Anders als zum Beispiel die Schweiz wollte sich die britische Regierung ebenso wenig auf die Anerkennung von EU-Recht und -Standards verständigen, wie auf eine Verlängerung des Übergangszeitraums über den 31. Dezember 2020 hinaus, so der DSLV. Da nicht zu erwarten sei, dass etwa Kenntnisdefizite zum Zollrecht behoben werden, kann dem Verband zufolge der Warenhandel und -transport über den Ärmelkanal nur noch störungsfrei aufrecht gehalten werden, wenn die EU und das Vereinigte Königreich das Handelsabkommen bis auf weiteres aussetzen. „Als Dienstleister werden Speditionen ihre Kunden aus Industrie und Handel weiterhin unterstützen, doch können derart gravierende Produktivitätsverluste wirtschaftlich nicht ohne weiteres aufgefangen werden. Die Logistik kann ihre Leistungszusagen unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr einhalten“, warnt Huster. „Es ist nachvollziehbar, dass die ersten Speditionshäuser ihre Geschäftsaktivitäten jetzt sorgfältig überprüfen und Großbritannien-Verkehre sogar aus ihrem Angebot streichen.“ (ja)