DPD im Interview: Das sagt CEO Scheel zum großen Umbau

Sie sind seit Mai 2023 neuer CEO von DPD Deutschland und werden nun fast jede siebte Stelle abbauen. Warum braucht es gerade jetzt bei DPD diesen harten Einschnitt? Natürlich haben wir als Paketdienst vom E-Commerce-Boom profitiert, vor allem während der Corona-Pandemie. Doch mit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise brach 2022 die Nachfrage und damit unser Volumen um fast neun Prozent ein. Gleichzeitig sind unsere Kosten an vielen Stellen massiv gestiegen. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, gegenzusteuern und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Ist DPD in der Schieflage? So weit würde ich nicht gehen. Wir sind in einer Situation, in der wir aus den genannten Gründen jetzt handeln müssen. Und das tun wir auch. Dabei arbeiten wir sehr eng mit allen Stakeholdern zusammen, um unseren Plan für die Zukunft erfolgreich umzusetzen. Wie haben sich Ihr Umsatz und Ihr Paketvolumen konkret im vergangenen Jahr entwickelt? Auf der Bilanz-Pressekonferenz der Geopost wurde kürzlich mitgeteilt, dass DPD Deutschland im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet hat - das sind 5,7 Prozent weniger als 2022. Der Wert der E-Commerce-Sendungen in Deutschland ist 2023 um fast zwölf Prozent zurückgegangen. Letzteres verdeutlicht das angespannte wirtschaftliche Umfeld, in dem sich die Paketdienstleister hierzulande derzeit bewegen. Ist DPD Deutschland 2023 in die roten Zahlen gerutscht? Ja, sind wir. Mit den angekündigten Maßnahmen wollen wir nun unsere organisatorische Resilienz stärken und uns damit fit für die Herausforderungen der Zukunft machen. Wie viel Geld müssen Sie in diesem Jahr also einsparen? Mit dem eingeleiteten Strukturprogramm wollen wir 2024 einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gegenüber 2023 einsparen. Als Unternehmen müssen wir permanent an unserer Produktivität arbeiten, da unsere Kosten durch die angeführten externen Faktoren stark steigen. Ein Beispiel: Die Gewerkschaft Verdi fordert in Niedersachsen derzeit Mehrarbeitszuschläge von 25 Prozent. Das könnten wir im Fall der Fälle nicht eins zu eins an Kunden weitergeben. Um das zu kompensieren, müssen wir also an unseren internen Prozessen arbeiten und unsere Kosten senken. 1400 Mitarbeiter müssen gehen. Wo sehen Sie da die größten Rationalisierungspotenziale? Generell zielt das Strukturprogramm auf eine Reihe von Gegensteuerungs-Maßnahmen in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Organisation ab. Wo genau und wie viele, das prüfen wir derzeit. Wir schauen uns jeden Prozess an: Wie gut sind wir aufgestellt, wie betreiben wir unser Geschäft, welche Prozesse haben wir im Frontend und Backend? Um die Potenziale herauszukristallisieren, unterziehen wir jeden Geschäftsprozess einer individuellen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Werden Sie im Zuge dieses Umbaus Depots verkleinern oder schließen? An einigen Standorten werden wir tatsächlich überholte Depots schließen. Welche das genau sind, prüfen wir derzeit. Gleichzeitig sondieren wir, ob und wie wir unsere großen Paketzentren erweitern und wo wir eventuell neue Zustell-Depots in der Fläche eröffnen können. Wir werden die Depots aber nicht einfach neu bauen und den Status quo erhalten, sondern sie so gestalten, dass sie den Anforderungen der Zukunft - zum Beispiel im Bereich E-Mobilität - gerecht werden. Es geht uns also nicht ausschließlich um Konsolidierung und Mengenreduzierung, sondern um die Frage, wie wir unsere Paketströme am besten über Deutschland verteilen. Denn unser Hauptkostentreiber ist wie bei allen Paketdiensten die letzte Meile. Wir brauchen also die richtige Netzinfrastruktur, um in der Zustellung effizienter, aber auch nachhaltiger zu werden. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. DPD verfügt in Deutschland über 79 Depots. Wie viele Hubs und kleinere Satelliten-Depots wird DPD nach dem Umbau haben? Wir wollen ein System mit zwölf Hubs etablieren. Im Moment bauen wir das Grundgerüst und verfeinern unser System. Die umliegenden Depots sollen etwas kleiner werden und sich mehr auf die Zustellung konzentrieren. Derzeit prüfen wir jeden potenziellen Standort anhand der Sendungsstruktur der Kunden, der Verfügbarkeit von Spediteuren und der infrastrukturellen Voraussetzungen. Wir analysieren die Paketströme und Stammdaten der Depots und geokodieren unsere Standorte. Am Ende dieses Prozesses wird feststehen, wie viele kleinere Satelliten-Depots DPD nach dem Umbau haben wird. Einsparmöglichkeiten bietet auch die Zusammenarbeit mit anderen Paketdiensten, etwa in der Zustellung. Was planen Sie da? Eine Zusammenarbeit mit anderen Paketdiensten in der Zustellung schließe ich derzeit aus. Das bringt eine Komplexität in der Steuerung mit sich, die auf der Kostenseite keine Vorteile bringt. Im Cross-Border-Geschäft, also bei grenzüberschreitenden Paket-Transporten, arbeiten wir dagegen in einzelnen Ländern durchaus mit anderen Paketdiensten zusammen. Umgekehrt speisen auch einige Paketdienste ihre Sendungen fallweise in unser Netz ein. Sie haben Kontakt zu Trendsettern wie Amazon und dem Fraunhofer IML. Was sind bei diesen die wichtigsten Trendthemen, die Sie gerne auch bei DPD umsetzen würden? Dazu gehört ganz klar die Nutzung von Big Data. Schon heute nutzen wir die Möglichkeiten der Analyse und Simulation, die große Datenmengen bieten. So lassen sich zum Beispiel Prozesse standardisieren, etwa im Bereich der Schadensmeldungen. Zudem können wir kontinuierlich Daten abgleichen, Paketströme messen und so das Netz überprüfen - stets mit dem Ziel, Kapazitäten zu optimieren und Kosten zu senken. Auch im Kundenservice bietet der Einsatz von KI großes Optimierungspotenzial. Unternehmen können Anfragen künftig deutlich zielgerichteter bearbeiten, als es Servicemitarbeitern allein möglich wäre - und den Service zu einem Omnichannel-Support ausbauen. Ist das dann nicht der Super-GAU, wenn ein KI-Chatbot, wie im Januar bei DPD geschehen, einem Kunden gegenüber austickt und DPD als schlechtesten Lieferdienst der Welt beschimpft? Vielen Dank zunächst für diese wichtige Frage. Hier gibt es einige Dinge richtigzustellen. Zunächst einmal ist dieser Vorfall nicht mit einem von DPD Deutschland eingesetzten Chatbot passiert. Der Fall ist auch nicht replizierbar, da unser Chatbot keine ChatGPT-Logik verwendet. Wir haben zwar eine KI-Technologie, die die Aufgabe übernimmt, schriftliche oder gesprochene Eingaben zu erfassen. Alle Antworten werden aber von unserem Chatbot-Team festgelegt. Positiv ist, dass wir aus diesem Ereignis viel über den künftigen Einsatz von KI gelernt haben. Der Wettbewerb im Paketgeschäft wird härter. Was ist Ihre Strategie, um bei Kunden zu punkten? Wir haben wichtige Trends gesetzt. Zum Beispiel das Live-Tracking, bei dem der Empfänger sein Paket in Echtzeit verfolgen kann und bis auf 30 Minuten genau weiß, wann der Zusteller bei ihm klingelt. Oder unsere innovativen Zustellpräferenzen, dank derer Kunden nie wieder auf ein Paket warten müssen. In den letzten zwei, drei Jahren war es sicher etwas ruhiger, aber jetzt starten wir wieder voll durch. DPD will Technologieführer im Paketmarkt bleiben. Das ist unsere Strategie, um uns von anderen Anbietern zu differenzieren. Zudem werden wir uns als DPD Deutschland und wesentlicher Teil von Geopost stärker auf Europa konzentrieren. Dazu vereinheitlichen wir unsere Services und IT-Tools europaweit. Davon profitieren auch unsere Kunden in Deutschland. Denn so können wir sie als DPD Deutschland bei ihrem grenzüberschreitenden Geschäft noch besser unterstützen. Klingt, als würde sich DPD wieder verstärkt aufs Firmenkunden-Geschäft (B2B) fokussieren, also weg vom B2C. Ist das so? Klare Ansage: Wir konzentrieren uns auf B2B und das internationale Geschäft. Das Endkundengeschäft in Deutschland, mit dem wir rund 50 Prozent unseres Umsatzes bzw. Volumens erwirtschaften, bleibt aber unbedingt Teil unseres Geschäfts. Wir arbeiten weiterhin mit Amazon und den großen B2C-Versendern zusammen. 2022 ist DPD ins Lager- und Fulfillment-Geschäft eingestiegen. Werden Sie das weiter ausbauen? Nein, unsere Fulfillment-Strategie wird nicht forciert. Wir konzentrieren uns in den nächsten zwei Jahren auf unser Paketgeschäft, unsere treuen Kunden und Kundenstruktur. Das ist die Stärke unserer Marke, auf der wir weiter aufbauen wollen. Mit welchen Service-Neuerungen wollen Sie dann B2B-Kunden begeistern? Mit der Versandoption DPD Food verbinden wir schon heute die Anforderungen des Online-Lebensmittelhandels mit unseren digitalen Empfängerservices. Zudem ist und bleibt Nachhaltigkeit für uns ein sehr wichtiges Thema. Auf der letzten Meile liegt der Fokus auf der Elektrifizierung und Diversifizierung unserer Zustellflotte. E-Lastenräder, die von innerstädtischen Umschlagplätzen aus operieren, sind ein wichtiger Teil der Lösung. Der größere Fokus liegt aber auf der Antriebswende bei den Transportern und Lkw unserer Systempartner, die in unserem Auftrag unterwegs sind. Zur Unterstützung haben wir schon über 300 eigene Ladepunkte in den Depots installiert und werden weiter in die eigene Ladeinfrastruktur investieren. Wann geht es mit DPD Deutschland also wieder nach oben? Unser Wachstum ist wie gesagt klar auf Europa ausgerichtet. Hier sehen wir unsere Stärke im Zusammenspiel mit Geopost im Hintergrund. Marktwachstum und die Chance, neue Märkte zu erschließen, stehen für uns im Vordergrund. Aber auch in Deutschland erwarten wir in den nächsten Jahren wieder ein sukzessives Wachstum - und damit langfristig steigende Paketmengen. Welches Paket- und Umsatzvolumen peilen Sie konkret für 2023 an? Wegen der zahlreichen konjunkturellen Risiken ist da eine Prognose für die nächsten Monate schwierig. Insgesamt sehen wir aber, dass die Weichen für die deutsche Wirtschaft auf Erholung gestellt sind. Auch deshalb gehen wir in den Folgejahren wieder von steigenden Umsätzen und Paketmengen aus. Daten und Fakten DPD wurde 1976 im Paketgeschäft als Franchise-System von 18 mittelständischen Speditionen gegründet. 1999 stieg die französische Post (La Poste) sukzessive in das DPD-Netz ein. Seit 2016 gehört DPD komplett zur La-Poste-Tochter Geopost, dem nach eigenen Angaben größten Paket-Netzwerk Europas. DPD spürt die Wirtschaftsflaute Aufgrund der schwachen Konjunktur in Deutschland beförderte DPD in Deutschland 2022 und 2023 deutlich weniger Paketmengen (400 Millionen Pakete in 2023) als zuvor und rutschte letztes Jahr laut Björn Scheel in die roten Zahlen.

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