Digitalisierung auf dem Silbertablett

Für Oliver Stiller ist digitale Auftragsabwicklung längst eine Selbstverständlichkeit geworden. Über 1000 Transportaufträge haben der Geschäftsführer von Dittrich Eiltransporte in Obermichelbach bei Nürnberg und seine fünf Disponenten komplett papierlos abgewickelt. Sie nutzen dafür das sogenannte Smart Logistics System von TimoCom. Jeden Werktag gehen sie auf die Plattform der Frachtenbörse und versenden die akquirierten Transportaufträge nach kurzer Bearbeitung direkt an 60 Frachtführer. Auch die weitere Verwaltung der Aufträge bis zur Rechnungstellung wickeln die Disponenten auf der Frachtenbörse ab und nehmen alle Eintragungen auf einer Maske vor. Zudem werden Versicherungsbestätigungen und andere Unterlagen ausschließlich online verwaltet. "Mit Eingabe der Auftragsnummer kann ich alle Vorgänge sehen", sagt Stiller. "Die TimoCom-Lösung treibt die Digitalisierung unserer Firma voran." Digitale Strategie ist ein Muss In Zukunft will Stiller Frachtführer über neue Transportaufträge direkt von der TimoCom-Plattform aus informieren. Hier können diese sofort abgerufen und bearbeitet werden, der Versand über E-Mail entfällt. Mit ausgesuchten Transportpartnern laufen derzeit erste Tests. "Von diesem Schritt erhoffe ich mir weitere Zeiteinsparungen bei der Auftragsvergabe", sagt Stiller. "Wir haben dann größere Kapazitäten für die individuelle Betreuung von Kunden." Wenn kleine und mittlere Transport- und Logistikbetriebe ihre Abläufe digitalisieren wollen, wissen sie häufig nicht, wo sie anfangen sollen. Von der Auftragsakquisition über die Disposition bis hin zur Abrechnung stehen fast alle betrieblichen Prozesse auf dem Prüfstand. An einer Strategie, die Prioritäten bei der Realisierung setzt und die einzelnen Schritte gezielt vorbereitet, führt also kein Weg vorbei. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit Frachtenbörsen, digitalen Speditionen und vergleichbaren Portalen hilfreich sein kann. Mit cleveren Algorithmen, Prozessautomatisierungen und Apps haben Startups wie InstaFreight, Loadfox oder Saloodo Portale entwickelt, die den Transportprozess weitgehend ganzheitlich abbilden und transparent machen. Auch klassische Frachtenbörsen wie TimoCom und Trans.eu sowie Tender-Plattformen wie Cargoclix haben ihre Lösungen weiter digitalisiert und bieten einen Rundumservice an. Egal, ob Transportaufträge abzuwickeln, Positionsmeldungen abzurufen oder Rechnungen zu verschicken sind - die Anwender loggen sich einmal in das jeweilige System ein und erhalten dort alle Informationen für ihr Tagesgeschäft. Wenn sie den ganzen digitalen Workflow erleben, sparen sie Zeit und vereinfachen ihre Abläufe. Bei manchen Plattformen können sie außerdem über Schnittstellen vorhandene Systeme beispielsweise für Telematik integrieren. "Wir ersetzen jedoch keine bestehenden IT-Lösungen", stellt TimoCom-Sprecher und Leiter Business Affairs Gunnar Gburek klar. Homepage wird zur Plattform Viele kleinere Transportunternehmen, die mit diesen Plattformen arbeiten, nehmen zum ersten Mal an digitalen Transportketten teil. Wenn sie erleben, wie die Plattformen viele Abläufe schneller und einfacher machen, möchten sie gerne weitere betriebliche Prozesse digitalisieren. Die Portale haben die Chancen, die sich ihnen hier eröffnen, längst erkannt. Jeder Marktteilnehmer versichert, dass er Transportunternehmen beim Aufbruch ins digitale Zeitalter mit persönlicher Beratung unterstützt. Von der Abrechnung über die Disposition bis hin zur Neukundenakquise versprechen die Plattformen Hilfe. "Unsere Kernkompetenz ist Digitalisierung", betont Philipp Ortwein, Geschäftsführer von InstaFreight. "Der Transportpartner kann deshalb mit unserer Lösung auch nachgeordnete Prozesse optimieren." Das Berliner Unternehmen sieht sich als digitale Spedition, die Frachtführern über die Transportvermittlung hinaus die "einfache und flexible" Verwaltung von Aufträgen ermöglicht. Die Frachtführer können auf eine Website des Start-ups zugreifen und müssen laut Ortwein nicht mehr in eine Speditionssoftware investieren. Ähnlich äußert sich Saloodo. "Wir wollen die Nutzer in Richtung Zukunft mitnehmen", versichert der Geschäftsführer Thomas Grunau. Ein Beratungsschwerpunkt ist die Abrechnung. Viele Transportpartner schreiben diese zwar längst am PC und versenden sie per E-Mail an Mitarbeiter zur weiteren Bearbeitung. Wesentlich einfachere Lösungen bieten Saloodo & Co. Wenn Rechnungsdokumente auf ihren Portalen online abgelegt werden, haben alle zuständigen Mitarbeiter sofort Zugriff. Für Frachtenbörsen bedeutet das, dass ihr klassisches Vermittlungsgeschäft von Sendungen und Laderaum lediglich eine einzelne Dienstleistung im Serviceportfolio für Transportmanagement sein wird. Die großen Marktteilnehmer wollen aber ebenfalls als Vorreiter der Digitalisierung gelten und bauen ihre Homepages zu Plattformen um, die die Abwicklung des gesamten Transportprozesses in einer Anwendung ermöglichen. Nach TimoCom hat jetzt auch Trans.eu diesen Prozess abgeschlossen. "Mit unserer Lösung können Anwender aktuelle Trends auf dem Markt für Transportraten überwachen oder Ladungen unabhängig von ihrem Track & Trace-System kontrollieren", erklärt Marek Prószynski, Marketingchef von Trans.eu. Weitere Features der neuen Plattform sind ein eigenständiges Kommunikationstool, automatisierte Online-Rechnungen inklusive Zustellung sowie Algorithmen, die Frachten an Frachtführer automatisch zuweisen. In rund einem Dutzend Konferenzen hat die Plattform Kunden ins digitale Transportmanagement eingeführt, weitere Termine sollen folgen. Schulterschluss mit Frachtführern Am Schulterschluss mit den Frachtführern sind die Plattformen auch deshalb interessiert, weil sie in einem wettbewerbsstarken Markt agieren und ihre Lösungen ständig weiterentwickeln. "Jeden Monat besuchen unsere Produkt- und Vertriebsmitarbeiter mehrere Transportunternehmen und schauen der Disposition über die Schulter", versichert Sebastian Sorger, Geschäftsführer von Loadfox. Jetzt arbeitet das Münchner Start-up an einer Lösung, die Dispopläne mit Künstlicher Intelligenz (KI) automatisiert. In nur wenigen Sekunden soll eine Cloud-basierte Planung Zugmaschinen, Auflieger, Ladungen und Fahrer kombinieren. Der Disponent prüft die vorgeschlagene Lösung und nimmt wenn nötig Optimierungen vor. "Wir wollen mit diesem agilen Produkt vor allem Bedürfnissen der Fahrer stärker Rechnung tragen und so auch einen Beitrag gegen den wachsenden Fachkräftemangel leisten", sagt Sorger. In einem Pilotprojekt mit Schnellecke werden Sendungen der VW-Tochter in die Loadfox-Plattform eingespeist und über einen Algorithmus ausgesuchten Frachtführern vorgeschlagen. Das KI-Tool berücksichtigt außer Laderaum auch Verkehrsdaten und Schichtzeiten (siehe Kasten Seite 20). Start-ups als neue Wettbewerber Auch InstaFreight arbeitet an einer Optimierung der Services. "Wir wollen den 7000 Teilnehmern aus der Transportwirtschaft helfen, die wachsenden Anforderungen der Verlader noch besser zu erfüllen", sagt Ortwein. Der Plattformbetreiber hat ebenfalls einen durchgehend digitalisierten Transportprozess bis zum elektronischen Auslieferungsbeleg entwickelt. Der Empfänger quittiert den Eingang der Sendung auf dem Smartphone des Fahrers. "Wir arbeiten gerade an Schnittstellenlösungen für die Abrechnung von Touren, die der Transportpartner nicht auf unserer Plattform akquiriert hat", sagt Ortwein. Zudem ist InstaFreight ins Tender-Management eingestiegen und bewirbt sich regelmäßig um Kontrakte großer Industrieunternehmen. Anschließend vergibt die Plattform Einzeltouren und Linienverkehre an akkreditierte Frachtführer. "Für die Routen kann der Partner anschließend weitere Auftraggeber außerhalb unserer Plattform akquirieren", erklärt Ortwein. Der Wettbewerb ist jedoch hellhörig geworden. Auch Saloodo arbeitet an Lösungen für den Tender-Markt. Die Start-ups treten in einen Wettbewerb mit etablierten Anbietern wie Transporeon und Cargoclix. Pünktlich zur Messe Transport Logistic 2019 hat Cargoclix das Update seiner Plattform abgeschlossen und die Ausschreibungsprozesse mithilfe von operativen Verbesserungen vereinfacht. "Die ausschreibende Spedition weiß sofort, welche Transportkapazitäten aktuell tatsächlich verfügbar sind", betont Cargoclix-Chef Victor Meier. Über ein neues Zusatzmodul wird die Spedition über die voraussichtlichen Ankunftszeiten von Lkw informiert. Cargoclix arbeitet hier mit TimoCom zusammen. Über die Telematikschnittstelle der Frachtenbörse werden die Daten für solche Prognosen eingespeist. Je mehr Services der Plattformen die Frachtführer nutzen, desto größer wird die Abhängigkeit vom Geschäftspartner. Bei Ausfällen drohen gravierende Probleme. Dittrich-Chef Stiller hat daher eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Die Aufträge der 200 Kunden aus Industrie und Handel werden weiterhin von der Speditionssoftware Lavid erfasst. Sie bildet alle Transportvorgänge und ihre Vergabe an die Frachtführer ab und unterstützt Preiskalkulationen anhand von Datenbanken. Mehr zum Thema im Dossier Frachtenbörsen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Döpke Logistik "Die Digitalisierung muss einen messbaren Nutzen generieren"Seit rund einem halben Jahr ist auch das mittelständische Transportunternehmen Döpke Logistik, Endingen am Kaiserstuhl, Kunde des Start-ups InstaFreight. Regelmäßig bucht das südbadische Unternehmen, das 130 Mitarbeitern und 107 Zugmaschinen einsetzt, Frachten auf der Internetplattform von Insta-Freight und nutzt Lösungen zur Auftragsabwicklung. Für Alexander Döpke, Geschäftsführer des Unternehmens, ist InstaFreight ein Partner mit vielversprechender Perspektive. "Wir haben wenig Know-how mit komplexen IT-Projekten", räumt er ein.Jetzt will er aber die entsprechenden Kompetenzen in Zusammenarbeit mit dem Berliner Unternehmen, das sich gerne als"digitale Spedition" bezeichnet, aufbauen."Das Team von InstaFreight zieht viele Prozesse anders auf als eine klassische Spedition", erklärt er. "Unsere Kernkompetenz sind einwandfreie Transportleistungen mit eigenem Fuhrpark und Personal. Dafür müssen wir hochgradig flexibel bleiben, was mit standardisierten, digital-automatisierten Prozesse oftmals schwieriger wird."Solche Aussagen wundern nicht. Döpke sieht sich als Spezialist für "Manufakturlogistik", der für seine Kunden unter anderem aus der Lebensmittel- und Baustoffbranche spezifische Dienstleistungen mit besonderem Fahrzeugequipment erbringt."Die Digitalisierung muss einen klar messbaren Nutzen generieren", fordert er.Außerdem vermisst der Unternehmer portalübergreifende Standards."Jeder Verlader und Plattformbetreiber hat mittlerweile eine eigene Fahrer-App programmiert", kritisiert Döpke. "Für Fahrer ist es aber nicht praxistauglich, für jeden Auftrag eine andere App zu benutzen. Hier müssen Pilotprojekte für Investitionssicherheit sorgen." bot Praxislösung Schnellecke Logistics "Wir entlasten die Disponenten von Routinearbeiten."Jeden Werktag planen die rund 50 Disponenten des Wolfsburger Familienunternehmens Schnellecke Logistics ungefähr 1000 Lkw- Touren. Seit 15. Mai 2019 fällt ihnen die Arbeit ein wenig leichter. Auf der Transportmanagement-Software Winsped können sie nun Ladungen von Loadfox akquirieren."Frachtbuchungen und Tourenoptimierungen sollen zukünftig Hand in Hand funktionieren", freut sich Schnellecke-Managerin Mandy Beck. "Wir wollen unsere Disponenten von Routinearbeiten entlasten."Software-Partner LIS hatte eine Schnittstelle realisiert, die eine Integration von Loadfox in Winsped möglich machte. Seit November 2018 können die Schnellecke-Disponenten eigene Ladungen auf Loadfox laden, jetzt ist auch die Akquisition von fremden Frachten möglich. Auffallend: Das Unternehmen Schnellecke arbeitet auch mit den Anbietern TimoCom und Transporeon zusammen, nutzt aber bislang keine Schnittstellen zu diesen Plattformen. Offenbar überzeugte die VW-Tochter der Algorithmus von Loadfox. Denn das KI-Tool macht zum Beispiel automatisierte Ladungsvorschläge möglich, die außer Laderaum auch Verkehrsdaten und Fahrerarbeitszeiten berücksichtigen. bot

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