Digitale Tankkarte im Anmarsch

Im Endkonsumentenbereich ist Mobile Payment schon eine Weile ein Thema, auch wenn der Massenmarkt noch ein gutes Stück entfernt scheint. 13 Prozent der deutschen Smartphone-Nutzer zwischen 18 und 64 Jahren haben schon einmal mit dem Handy bezahlt, förderte PriceWaterhouseCoopers im Rahmen des "Mobile Payment Reports 2017" zutage. Interessante Randnotiz: Zu den am häufigsten genannten Produkten, welche Mobile-Payment-affine Kunden mit dem Smartphone bezahlen, zählt Kraftstoff. Da verwundert es nicht, dass so manche Mineralölgesellschaft Mobile Payment für die breite Masse in Angriff nimmt - Shell etwa ermöglicht Privatkunden in Partnerschaft mit Paypal bereits in Hamburg und Berlin das Bezahlen per Mobiltelefon. Bis zum Ende des Jahres soll das System deutschlandweit an rund 1500 Shell-Tankstellen zur Verfügung stehen. "Damit schaffen wir die Grundlage, um zeitnah auch für Geschäftskunden eine entsprechende Lösung anbieten zu können", heißt es aus der Shell-Zentrale. Total und der Carsharing-Anbieter Drive-Now lassen ihre Kunden ebenfalls die mobile Geldbörse zücken - mit Erfolg: Etwa drei Viertel der DriveNow-Kunden nutzten bereits diese Möglichkeit, weiß Emmanuel Pignet, Leiter Tankkarten Total. "Das ist die ideale Zielgruppe, denn sie ist ohnehin sehr Smartphone-affin. Schon die Reservierung der Autos wird per App abgewickelt", erklärt der Total-Manager. Während Mobile Payment im Endkundengeschäft also langsam, aber sicher an Bedeutung gewinnt, ist das Zahlen per Smartphone im Bereich Business-to-Business (B2B) noch ein vergleichsweise junges Thema. "Den Stein der Weisen hat noch niemand gefunden", räumt denn auch Dirk Simon, Head of Product Management Fuel & Payment Authorisation bei DKV Euro Service, ein. Zahlen per Bluetooth Der Tankkartenanbieter hat in diesem Jahr ein Pilotprojekt mit Zahlz, einem Start-up von Q1 Energie, ins Leben gerufen. "Wir wollen schon jetzt Erfahrungen sammeln, welche Arten von Mobile Payment möglich sind", so Simon. Die Basis für das System bildet die Zahlz-Box mit dazugehöriger App. Die Technologie fällt in die Kategorie Proximity Payment, das heißt, der Bezahlvorgang findet stationär statt. Das Smartphone verbindet sich in diesem Fall per Bluetooth mit der Zahlz-Box. Für die Pilotphase ist die Box im Shop installiert. Es sei aber auch möglich, das Terminal an der Zapfsäule einzubinden, sodass der Kunde gar nicht erst zur Kasse gehen muss, betont Simon. Der Zahlz-Feldtest mit Kunden soll noch im laufenden Quartal starten. Im nächsten Jahr werden Schritt für Schritt mehr Stationen von Q1, aber auch von anderen Partnern hinzukommen, bevor die Lösung Mitte 2018 offiziell an den Start geht. Sie wird übrigens nicht auf Tankstellen beschränkt sein: "Künftig werden DKV-Kunden auch an der Waschanlage mit dem Smartphone bezahlen können", so Simon. Die Partnerschaft mit Q1 stelle den ersten, aber nicht einzigen der Ansätze dar, die DKV verfolgt. "Wir loten auch Remote-Payment-Möglichkeiten aus, bei denen beim Bezahlvorgang übers Internet kommuniziert wird", so Simon. Dies könne über eine App oder auch mittels Integration ins Fahrzeug erfolgen. "Ob wir Mobile-Payment-Lösungen auch in unsere eigene App integrieren, ist denkbar, da richten wir uns aber nach dem Markt. Die Lösungen, die sich am ehesten durchsetzen, werden wir sinnvoll einbinden", kündigt der DKV-Mann an. Auch Total hat sich für 2018 viel vorgenommen: Mobile Payment soll nicht nur Carsharing-Nutzern offenstehen, das Unternehmen arbeite auch an einer B2B-Lösung, verrät der Tankkarten-Verantwortliche Pignet. Dabei handele es sich um eine Wallet-Lösung, in die auch die Total Card integriert sein werde. "Mit dieser digitalen Tankkarte kann dann sowohl direkt an der Zapfsäule - ähnlich, wie es bereits bei DriveNow möglich ist - als auch an der Kasse mit dem Smartphone bezahlt werden", kündigt Pignet an. Wenngleich: Die B2B-Lösung stehe zwar grundsätzlich allen Total-Card-Nutzern offen, als Kernzielgruppe habe Total aber eher gewerbliche Pkw-Fuhrparks denn Transportunternehmen im Sinn, wie Pignet anmerkt. "Jeder Außendienstmitarbeiter verfügt über ein Dienst-Handy. Bei Transportunternehmen sind wir von einer flächendeckenden Ausstattung mit Dienst-Smartphones noch weit entfernt, viele Fahrer nutzen unterwegs ihre privaten Handys", so Pignet. Er verorte das Thema Mobile Payment daher eher im Pkw-Bereich denn im Nutzfahrzeugumfeld. "Ich erwarte, dass kontaktloses Bezahlen bei der Lkw-Betankung mittelfristig telematikbasiert abgewickelt wird, digitale Tankkarten also Einzug in die Cockpits der Plattformen halten", sagt Pignet. Auch Dirk Simon von DKV ist der Ansicht, dass Payment-Prozesse zu den Unternehmensprozessen der Kunden passen müssen: "Hat ein Unternehmen weder Fahrer-Smartphones noch Telematiksysteme im Einsatz, ist ihm mit der klassischen Tankkarte aus Plastik sicher mehr geholfen", so der DKV-Mann. Fuhrparks, die ohnehin schon Erfahrungen mit Digitalisierung haben, könnten ihre Prozesse durch Mobile-Payment-Lösungen hingegen in noch größerem Maße verschlanken. Das Bezahlen per Smartphone gehe zwar nicht zwingend schneller als bei der klassischen Kartenzahlung, bringe aber einige Vorteile mit, die den Nutzern das Leben leichter machen: "Ein großer Vorteil ist sicherlich, dass Lieferscheine und Belege nicht mehr in Papierform gesammelt werden müssen, sondern durch die App archiviert beziehungsweise dem Fuhrparkleiter direkt elektronisch zur Verfügung gestellt werden können", betont Simon. Darüber hinaus könne die häufig verlangte Kilometerstandeingabe bequem per App erfolgen. "An der Kasse haben nicht wenige Fahrer den genauen Stand schon nicht mehr im Kopf. Wir sehen durch unsere Mobile-Payment-Lösung daher einen gewaltigen Datenqualitätsschub", betont Simon. Betrugsrisiko reduzieren MAN Financial Services, die mit der MAN Card eine Tank- und Servicekarte im Portfolio hat, sieht ebenfalls große Vorteile in der digitalen Tankkarte. "Zum einen sind bei physischen Tankkarten Aufbewahrung, Übergabe und PIN echte Prozessfresser. Diese Themen fallen bei digitalen Lösungen größtenteils weg", sagt Malte Krause, Pressesprecher VW Financial Services VWFS. Außerdem könne durch eine digitalisierte Tankkarte das Betrugsrisiko deutlich reduziert werden. MAN Financial Services arbeitet denn auch an einer entsprechenden Lösung. "Wir gehen aktuell davon aus, dass wir gemeinsam mit einem Partner Anfang 2018 mit einem Pilotprojekt starten werden", sagt Krause. Dabei werde es auf eine App-basierte Lösung hinauslaufen. Auch für Tankkartenanbieter UTA spielt das Thema eine gewichtige Rolle. "UTA als Teil der globalen Edenred-Gruppe arbeitet bereits sehr intensiv an der Entwicklung von mobilen Zahllösungen", bestätigt Stefan Horst, Head of Marketing. So biete Edenred seinen Kunden bereits heute verschiedene Lösungen an, beispielsweise in Form von E-Vouchers oder auch Apple Pay. Bei der digitalen Tankkarte verfolge UTA mehrere Ansätze. "Es gibt nicht den einen Königsweg, da die Nutzergruppen jeweils unterschiedliche Anforderungen haben", sagt Horst. Aktuell fokussiere man sich auf Wallet-Lösungen in unterschiedlichen Devices. Voraussichtlich 2018 sollen erste marktfähige Lösungen angeboten werden. "Langfristig wird das Fahrzeug die Bezahlung mithilfe von persönlichen Assistenten eigenständig übernehmen. Auch darauf bereiten wir uns vor", blickt Horst in die Zukunft. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Tankkarten www.verkehrsrundschau.de/dossiers Wie funktioniert Mobile Payment eigentlich? Mit Mobile Payment bezeichnet man die Nutzung mobiler Endgeräte wie Smartphone oder Tablet zur Zahlung von Waren und Dienstleistungen. Grundsätzlich wird zwischen zwei Kerntechnologien unterschieden:- Proximity Payment: Der Bezahlvorgang findet stationär am Point of Sale (PoS) statt. Dabei bezahlt der Kunde aktiv mit dem Smartphone innerhalb einer am PoS bereitgestellten Infrastruktur. Als Übertragungsweg fungieren beispielsweise NFC (Near Field Communication), Bluetooth oder QR-Code-Technologie.- Remote Payment: Der Bezahlvorgang erfolgt unabhängig von einem stationären PoS über das Internet. So wird der Betrag in diesem Fall nicht vom Desktop oder Laptop aus beglichen, sondern online über das mobile Endgerät. mh

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