Digitale Prozesse greifen weiter um sich

Wenn Extreme aufeinandertreffen, dann kann es schon mal krachen. Oder zumindest zischen, wie bei Feuer und Eis. Start-up versus etablierter Dienstleister In Duisburg trafen letzte Woche zwei Extreme aufeinander. Auf der einen Seite etablierte Logistikdienstleister, die auf eine über hundertjährige Existenz zurückblicken können. Auf der anderen Seite der Geschäftsführer eines jungen Start-ups, das erst vor wenigen Monaten gegründet wurde und dessen Umsatz von Monat zu Monat um mehr als 60 Prozent steigt. In Namen und Funktionen ausgedrückt, standen sich gegenüber: Hansjörg Rodi (Jahrgang 1966), seit neun Monaten Vorsitzender der Geschäftsleitung Deutschland und der Region Zentral- und Osteuropa bei Kühne + Nagel und vorher 18 Jahre für Schenker tätig. Und Michael Wax (Jahrgang 1990), Wirtschaftsingenieur sowie Mitgründer und CCO von FreightHub, einer Internet-Spedition, die operativ seit dem 1. August 2016 im Markt aktiv ist. Doch so richtig gezischt hat es zwischen den Antipoden auf dem Branchenforum nicht. Nur als Rodi mit der Aussage konfrontiert wurde, dass sein Unternehmen der Old Economy zuzuordnen sei, kam von ihm energischer Widerspruch: "Wenn wir der Old Economy angehören würden, hätten wir die 127 Jahre unserer Existenz gar nicht überlebt", so sein Einwand. Damit wollte er wohl ausdrücken, dass K+N die New Economy alles andere als fremd ist, was er mit verschiedenen Aktivitäten seines Hauses untermauerte. So bietet K+N mit KN FreightNet die Möglichkeit an, umgehend Auskunft zu erhalten über den Preis einer Sendung. Und dabei soll es nicht bleiben. "Wir müssen die gesamten Prozesse von A bis Z digital darstellen können", sagte Rodi. Keine Frage, Start-ups wie FreightHub muss man nicht erzählen, wie Digitalisierung funktioniert. Doch kennen sie sich auch im Speditionsgeschäft aus? Wax hatte vor der Gründung von FreightHub nichts mit dem Speditionsmarkt zu tun - wie alle seine Mitgründer auch. Aber sie haben sich mit dem Markt befasst und ihre Nutzer - ihre potenziellen Kunden - befragt. Das Ergebnis: Viele Kunden seien nicht mit den Leistungen der Spediteure im Seefrachtgeschäft zufrieden. "Die Preise sind nicht transparent. Viele Verlader beklagen, dass es nicht eindeutig ist, für welche Leistung was zu zahlen ist", nannte Wax ein Beispiel. "Bis zu 72 Stunden auf eine Antwort nach dem Preis für einen Transport zu warten, ist den Kunden zu lang", zählte Wax eine weitere Schwäche auf. Deshalb gibt es bei FreightHub Real Time Quotes (also Preise sofort auf Anfrage) und auch Angaben, wie teuer einzelne Nebenleistungen wie Terminalgebühren sind. Deutlich wurde, dass bei FreightHub der Kunde im Mittelpunkt steht, nicht die eigene Leistung. Spediteure zu wenig kundenorientiert "Die Spediteure haben zu lange damit gelebt, dass die Kunden irgendwann schon ihre Sendungen bei uns in Auftrag geben. Was die Kunden jedoch genau umtreibt, damit haben wir uns die letzten Jahre nicht intensiv genug beschäftigt", sagte Rodi selbstkritisch. "Und 72 Stunden auf den Preis einer Transportanfrage zu warten, das ist entschieden zu lang", gestand der Manager ein. Ein Unternehmen, das zumindest in einem sehr traditionellen Markt aktiv ist, ist Imperial Logistics. Dessen Sparte Binnenschifffahrt ist die größte Binnenreederei Europas. "Wir sind im zweitältesten Gewerbe der Welt aktiv", formulierte es Carsten Taucke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Imperial, augenzwinkernd. Doch auch hier hält die Digitalisierung Einzug. Taucke stellte die Plattform IFMS vor, ein elektronischer Marktplatz für Binnenschiffstransporte, den Imperial vor etwa einem Jahr online geschaltet hat. "Unser Fehler war, dass wir versucht haben, alles selber zu entwickeln", sagte Taucke. Deshalb habe es von der Idee bis zur Fertigstellung fünf Jahre gedauert. "Sie hätten es wahrscheinlich in einem Jahr geschafft", sagte Taucke in Richtung Wax und stützte damit die These von Rodi, dass sich der Wandel beschleunigen werde. Taucke ging aber auch auf die Bedeutung der Binnenschifffahrt ein. Hier fand er zunächst klare Worte: "Eins kann ich Ihnen versichern: Das Volumen in der deutschen Binnenschifffahrt wird nicht steigen." Als Begründung nannte er die Probleme mit der Infrastruktur, die Verteuerung der Energieträger sowie die Hinwendung zu regenerativer Energieerzeugung. Die Folge: Es werde immer weniger Kohle und Öl transportiert. Gerd Deimel, Sprecher der Initiative Verkehrsinfrastruktur im Verband der Chemischen Industrie (VCI), hielt dem entgegen: "Die Industrie braucht die Binnenschifffahrt und setzt auf sie, weil nur mir ihr und der Bahn die großen Schritte zur Effizienzsteigerung erreicht werden können", sagte der ehemalige Lanxess-Manager. Taucke erwiderte, dass er die Binnenschifffahrt keinesfalls abschreiben wolle, schon aus Eigeninteresse, weil die Reederei der größte Bereich bei Imperial Logistics sei. Deshalb plädiere er ja für intelligente Tools wie IFMS, damit alle Beteiligten in der Binnenschifffahrt effizienter werden. Er stimmte Deimel in seiner Argumentation zu, fügte jedoch ein "Aber" an: "Wir brauchen mehr und lautere Mitstreiter aus der Industrie." Und die Industrie müsse auch der Binnenschifffahrt Luft zum Überleben geben, lautete sein Appell an eine faire Entlohnung. Nur dann könne man den Abwärtstrend in der Binnenschifffahrt stoppen und dafür sorgen, dass nicht nur Bulk-Produkte auf den Wasserstraßen transportiert werden, sondern auch andere Güter. Mehr zum Thema im Dossier Start-ups in der Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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