Nearshoring: Was das für die Logistik von morgen heißt

Angesichts weltweiter Instabilitäten und störanfälliger Lieferketten gewinnt das Prinzip des "Nearshorings", also die Verlagerung von Produktionsstätten und Dienstleistungen in geografische Nähe zu den Absatzmärkten, immer mehr an Bedeutung. Unternehmen rücken mit ihrer Produktion und Logistik damit wieder näher an ihre Endmärkte und Zielgruppen. Resilienz dank Nähe Damit gehen viele Vorzüge einher, denn die geografische Nähe zu den Absatzmärkten verspricht neben kürzeren Transportwegen auch mehr Resilienz gegenüber globalen Krisen und gestörten Lieferketten. Doch was heißt das konkret für die Logistik: Welche Standorte werden wichtiger, welche Herausforderungen kommen auf Firmen zu, welche Rolle können Logistik- und Industrieimmobilien im Rahmen von Nearshoring-Strategien spielen und wie können dringend benötigte Logistik- und Industrieflächen trotz des Flächenmangels entstehen? In den vergangenen Jahrzehnten führte die Globalisierung zu einer Verlängerung der Lieferketten und einer Verlagerung der Produktionsstandorte in weit entfernte Länder - meist vorrangig mit dem Ziel der Kosteneffizienz. Waren und Güter wurden Industrie, Produktion und Handel "just in sequence" zur Verfügung gestellt, also genau dann, wenn sie benötigt wurden. Der Vorteil: Es brauchte keine Bevorratung, die Kosten für zusätzliche Lager- und Logistikflächen konnten reduziert werden. Doch vor allem die jüngsten geopolitischen Ereignisse wie die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Störungen weltweiter Lieferketten haben bei vielen Unternehmen zu einem Umdenken geführt. So zeigt sich der Trend zur (Rück-)Verlagerung von Lieferketten bereits in zahlreichen Branchen, angefangen bei Automobilherstellern. Auch die Elektronikbranche, insbesondere Hersteller von Konsumgütern, Mikrochips oder IT-Komponenten, verlagern vermehrt ihre Produktionsstätten näher an ihre Hauptmärkte. Es wird erwartet, dass zukünftig auch die pharmazeutische Industrie, die Medizintechnik sowie die Konsumgüterbranche vermehrt auf Nearshoring setzen werden. Ein wachsender Bedarf an lokaler Produktion und kurzen Lieferketten, kombiniert mit dem Wunsch nach einer stärkeren Kontrolle über die eigenen Prozesse, treibt diese Entwicklung weiter voran. Hinzu kommen Mehrwerte in puncto Nachhaltigkeit, da Transportkosten eingespart und CO2-Emissionen reduziert werden können. Lager in MOE-Staaten gefragt Es liegt auf der Hand, dass Nearshoring-Strategien mit einem steigenden Bedarf an Logistik- und Industrie-Immobilien einhergehen, auf denen die Waren und Güter gelagert, umgeschlagen sowie verarbeitet werden. Hierbei gewinnen viele Länder in Mittel- und Osteuropa (MOE) wie Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien an Bedeutung. Sie profitieren von dem steigenden Flächenbedarf, weil sie geografisch günstig liegen und kostengünstige Produktionsmöglichkeiten bieten. Ansiedlungswillige Unternehmen profitieren in diesen Ländern von gut ausgebildeten Arbeitskräften, vergleichsweise niedrigen Lohnkosten und der Nähe zu den großen europäischen Märkten. Der CTPark Budapest West in Ungarn ist ein Beispiel für einen Standort, der von der Verlagerung asiatischer Unternehmen nach Europa profitiert. Das chinesische Elektroautounternehmen NIO hat dort beispielsweise seine erste europäische Produktionsstätte für Wechselstromanlagen eröffnet, um seine Lieferkette zu optimieren. Insgesamt zeigt sich, dass der Anteil asiatischer Unternehmen, die ihre Produktionskapazitäten nach Europa verlagern, kontinuierlich ansteigt. Dies zeigt sich beispielsweise an Investitionen von Topband Smart Europe im rumänischen CTPark Timisoara sowie von KSHG Auto Harness im CTPark Deva II. Auch in Deutschland ist die Entwicklung bereits sichtbar. So hat Quanta Computer, ein führendes taiwanesisches Technologieunternehmen, kürzlich den Bau einer 22.500 Quadratmeter großen Built-to-Suit-(BTS-)Produktionsanlage im CTPark Jülich, Nordrhein-Westfalen, angekündigt. Durch diesen Schritt kann das Unternehmen sei-ne Präsenz in Europa und Deutschland verstärken und seine Lieferketten effizienter gestalten. CTP, Projektentwickler von Industrie- und Logistik-Immobilien nach Bruttomietfläche (GLA), wird für den Hersteller eine Reihe von Sonderanforderungen in der Anlage erfüllen, darunter ein Produkttestlabor und maßgeschneiderte, luftgekapselte Räume. Die Bauarbeiten vor Ort sollen im Juli beginnen und in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 abgeschlossen sein. Shuttle-Lager im Trend Im Zuge des Nearshoring-Trends werden die Anforderungen an Logistik-Immobilien zunehmend differenzierter und spezifischer. Eine klare Tendenz zeigt sich in der vermehrten Nutzung hybrider Lagerstrukturen, die sowohl zentrale als auch regionale Lager umfassen. Diese Kombination verspricht gleich mehrere Vorteile, darunter eine hohe Flexibilität in der Lagerverwaltung und die Reduzierung von Transportzeiten bei gleichzeitiger Maximierung der Warenverfügbarkeit. Ein besonders wichtiger Baustein in diesem Modell sind Shuttle-Lager. Sie fungieren als Verbindungsstellen zwischen Produktionsstätten und Verteilungszentren und tragen dazu bei, dass Waren schnell und effizient an den nächsten Bestimmungsort gelangen. Die Bedeutung dieser Shuttle-Lager wird weiter zunehmen, da Unternehmen verstärkt auf dynamische Logistikkonzepte setzen, um schneller auf unvorhersehbare Marktentwicklungen reagieren zu können. Deutschland ist aufgrund seiner zentralen Lage in der EU ein Ziel mit hoher Nachfrage für Logistik-Unternehmen, Dienstleister und Betriebe. Die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, gut ausgebaute Infrastruktur und die Nähe zu den Hauptmärkten Europas machen das Land trotz der aktuell schwächelnden Konjunktur weiterhin attraktiv für ausländische Firmen. Mit der zunehmenden Flächenknappheit in vielen Regionen rückt die Erschließung von Brownfields immer stärker in den Fokus. Ehemals industriell oder gewerblich genutzte Flächen bieten enormes Potenzial für die Entwicklung moderner Logistik- und Produktionsstätten, ohne dafür "grüne Wiese" neu versiegeln zu müssen. Chance Brownfield - mit Hürden Die Entwicklung solcher Brownfields bringt indes spezifische Herausforderungen mit sich. Eine der größten Hürden ist die oft notwendige Sanierung von kontaminierten Böden, die in der Vergangenheit durch industrielle Nutzung Schadstoffe aufgenommen haben. Der Aufwand, diese Böden zu reinigen und die Flächen wieder nutzbar zu machen, kann erheblich sein und erfordert sowohl hohe Investitionen als auch spezielle technische Expertise und Know-how seitens der Projektentwickler. Auch ein gutes Maß an Erfahrung bei der Durchführung solcher Vorhaben ist nötig. Immerhin sind Altlasten wie verrostete Infrastrukturen oft nicht sofort sichtbar, was das Risiko für unvorhergesehene Kosten und Verzögerungen erhöht. Mit vielen Herausforderungen war auch die Entwicklung des CTPark Bremen verbunden. Der Business- und Logistikpark mit rund 28.700 Quadratmeter Neubau-Logistikfläche entstand auf dem Areal einer ehemaligen städtischen Mülldeponie am Stadtrand von Bremen. Vor allem die schadstoffbelasteten Auffüllungs-Materialien und der Bodenschutz verlangten die Aufmerksamkeit des Projektteams. Schon zu Beginn der Erdbauarbeiten wurde deutlich, dass das anfallende Material kontaminiert war und daher nur mit hohen Kosten hätte entsorgt werden können. So musste das Ziel des Bodenmanagement-Konzepts sein, so wenig Deponiematerial wie möglich vom Gelände abzutransportieren und zu entsorgen. Eigens dafür wurde ein geotechnisches Konzept aus Bodenmanagement und Sondergründung entwickelt, wobei das abgetragene Material nach Separierung und Abtrennung nicht verwertbarer Inhaltsstoffe, etwa Hausmüllbestandteile wie Plastik, Folien, Metallteile, an den aufzufüllenden Geländebereichen aufgetragen werden. Die Einebnung der Gründungsebene wurde vor allem durch die Umlagerung von Materialien des Deponiekörpers (Cut and Fill) erreicht. Das hat den Vorteil, dass kein Aushubmaterial und so keine Entsorgungskosten anfallen. Trotz dieser Schwierigkeiten bieten Revitalisierungen wichtige Chancen. Die Wiederbelebung der Flächen kann die Flächenverknappung entschärfen, die ein Problem gerade in vielen urbanen Ballungsräumen ist. Indem brachliegende Gebiete wieder nutzbar gemacht werden, kann der Landschaftsverbrauch reduziert werden. Dies kommt dem Klima- und Umweltschutz zugute. Auch befinden sich viele Brownfields in strategisch vorteilhaften Lagen - oft in der Nähe von Ballungsräumen oder wichtigen Verkehrsknotenpunkten -, was sie für Logistikunternehmen besonders attraktiv macht. Mehrwert - auch für Kommunen Auch Kommunen profitieren in der Regel von Brownfield-Projekten, weil unattraktive Brachflächen verschwinden, Altlasten entfernt werden und sich neue Unternehmen ansiedeln, womit neue Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbesteuereinnahmen entstehen. Projektentwickler sollten sich dabei eng mit den Kommunen abstimmen und entsprechende Projekte gemeinsam sowie auf Augenhöhe mit den Gemeinden durchführen. So erhöhen sich auch die Erfolgschancen von Logistikansiedlungs-Vorhaben, die bei vielen Teilen der Bevölkerung noch immer mit Vorbehalten verbunden sind. Fazit: Die Gründe für Unternehmen, auf Nearshoring-Strategien zu setzen, sind vielfältig - Stichworte sind zum Beispiel Lieferketten-Resilienz und CO2-Reduktion. Auch und gerade viele asiatische Firmen entdecken dabei Europa und Deutschland als attraktive Standorte, um hier eigene Produktionen aufzubauen. Um dem wachsenden Bedarf an Logistik- und Industrieflächen Rechnung zu tragen, führt an der Revitalisierung von Brownfields kaum ein Weg vorbei. Trotz des höheren Risikos bei der Entwicklung der teilweise kontaminierten Flächen haben Brownfield-Vorhaben vielfältige Mehrwerte für Wirtschaft und Kommunen und zeigen einen Lösungsweg aus dem Flächenmangel auf. Autor Alexander Hund, CTP Alexander Hund, Managing Director CTP Deutschland und Österreich Alexander Hund ist in Stuttgart geboren und schloss im Jahr 2014 sein Ingenieurstudium der Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart ab. Danach arbeitete er in verschiedenen Positionen sowohl im Bereich Architektur als auch als Projektkoordinator und Projektleiter für Investitions- und Bauprojekte. Nach Stationen als Business Development Manager und Regional Manager startete Hund Anfang 2023 bei CTP Deutschland, Projektentwickler von Industrie- und Logistik-Immobilien, wo er als Regional Development Director sowie als Managing Director Construction and Development tätig war. Seit April 2024 ist Alexander Hund Managing Director CTP Deutschland und Österreich.

L.I.T. gründet die L.I.T. Compact Courier

Habeck will EU-Klimastrafen für Autobauer verhindern

Frachtflugzeug im DHL-Auftrag stürzt in Litauen ab

Betriebsbedingte Kündigungen: Worauf Arbeitgeber achten sollten

Spanischer Logistiker Marcotran stockt auf: 30 Intermodale Fahrzeuge von Schmitz Cargobull

Alle Schlagzeilen

Nearshoring: Was das für die Logistik von morgen heißt

HASHTAG

#Lieferketten

Flexibel, autonom, vernetzt: Die Intralogistik der Zukunft

Diese Schlüsselrollen übernimmt KI in der Logistik

Status quo Lieferkettengesetz: 206 Beschwerden eingegangen

MEISTGELESEN

Änderung durch EU-Mobilitätspaket: Mitführungspflicht verdoppelt sich

A7 wird zeitweise gesperrt

BALM: Ergebnisse der bundesweiten Schwerpunktkontrollen

STELLENANGEBOTE

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Leiter Versandlogistik (m/w/d)

Bereichsleiter (m/w/d) Vertrieb

Teamleiter Lager im Handelslager/ Brennschneidbetrieb (w/m/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER