Die Rolle von KI in der Logistik

Bis Ende 2022 war die LIS AG in Familienhand - seitdem hält DKV Mobility rund 90 Prozent. Warum haben Sie die Firma verkauft? Das hatte mehrere Gründe. Nachdem in den letzten Jahren zwei der drei Gründer und Gesellschafter - Volker von Lojewski und Volker Lückemeier - leider viel zu früh verstorben sind, lag die Mehrheit nicht mehr in Händen der Geschäftsleitung und es war nicht absehbar, ob die Nachfahren für die Firma tätig werden wollen. Mit DKV Mobility haben wir jetzt wieder einen großen Inhaber, der einen langfristigen Plan verfolgt. Auch auf strategischer Seite war der Verkauf ein logischer Schritt: DKV Mobility hat 100.000 Logistikkunden, LIS 1000 - dabei stehen wir nicht in Wettbewerb zueinander, sondern können im Gegenteil große Synergieeffekte heben. Unser beider Hauptmärkte sind Deutschland, Polen und Frankreich, auch das passt sehr gut. Als großes Unternehmen verfügt DKV Mobility über ganz andere Ressourcen und Strukturen, von denen wir profitieren können. Letztendlich sind wir aber nach wie vor in Familienhand, denn auch DKV Mobility hat eine Familie als Mehrheitseigentümer. Das Unternehmen feiert in diesem Jahr sein 90. Firmenjubiläum. Vita Der Diplom-Kaufmann Magnus Wagner (43) trat nach Stationen bei Bosch und BMW im Jahr 2013 in das von seinem Vater Hilmar Wagner gegründete Software-unternehmen LIS Logistische Informationssysteme AG ein. 2018 wurde mit dem Eintritt in den Vorstand der Generationenwechsel vollzogen. Seit der Übernahme der Stimmrechtsmehrheit durch DKV Mobility Ende 2022 ist Magnus Wagner gemeinsam mit Rolf Hansmann Co-CEO der LIS GmbH. Welche gemeinsamen Projekte wurden bislang umgesetzt? Erstens entwickeln wir gemeinsam neue Lösungen für Kunden mit kleineren Flotten. Das erste marktreife Produkt ist für nächstes Jahr geplant. Zweitens tauschen wir uns auf vertrieblicher Ebene aus, wie wir unseren Kunden Angebote aus einer Hand schnüren können. Natürlich verbinden wir auch unsere Produkte, das Telematiksystem DKV Live ist jetzt an unser System angeschlossen, die Integration von Tankkartenlösungen soll folgen. Sie nehmen mit kleinen Unternehmen also eine ganz neue Zielgruppe ins Visier? Ja, unser Kernprodukt WinSped als Betriebssystem für Logistikprozesse ist mit seinem großen Funktionsumfang und dem hohen Grad an Individualisierung für eher kleine Fuhrparks mit fünf Lkw sicher zu komplex. Gemeinsam mit DKV Mobility werden wir aber zukünftig auch kleineren Kunden passende TMS-Lösungen anbieten. Im Gegenzug kann sich natürlich auch DKV Mobility über unseren WinSped-Kundenstamm mit mittleren und großen Flotten neue Kunden erschließen. Der Zusammenschluss mit DKV Mobility war in den letzten Jahren nicht die einzige Übernahme in der Logistiksoftwarebranche. Was bedeutet dieser Trend zur Marktkonzentration für die LIS? Es ist ein großer Unterschied, aus welcher Motivation heraus Zusammenschlüsse passieren. Es gibt Übernahmen, bei denen ein Wettbewerber den anderen übernimmt und in sein Geschäft integriert. Es gibt rein finanziell getriebene Akquisitionen mit kurzfristigem Zeithorizont, Stichwort Private-Equity. Beides trifft auf uns nicht zu. DKV Mobility als Mobilitätsdienstleister stellt sich mit der Übernahme eines TMS-Anbieters langfristig breiter auf. Wir bleiben die LIS und werden mit unseren Produkten in der Welt von DKV Mobility langfristig eine große Rolle spielen. Damit fühlen wir uns sehr wohl. Welche Digitalisierungsthemen treiben Ihre Kunden aktuell um? Viele Kunden wünschen sich unterstützende Funktionen. Auch für sie wird es immer schwieriger, passendes Personal zu gewinnen und zu halten. Der Software kommt also immer mehr die Rolle zu, Mitarbeitenden zu assistieren und ihnen Handlungsempfehlungen zu geben. Im Fokus stehen der transparente Überblick über die täglichen Aufgaben und Events, in die man eingreifen muss, und die entsprechende Unterstützung, Stichwort: Künstliche Intelligenz. Haben Sie konkrete Beispiele, wo in WinSped KI zum Einsatz kommt? In der Tourenplanung unterstützen wir unsere Kunden schon länger mit KI-basierten Lösungen von Partnern. Letztes Jahr haben wir mit der Eigenentwicklung von KI-Lösungen für WinSped begonnen. In der aktuellen Version wurde in die Auftragserfassung der sogenannte KI-Assistent implementiert. Er macht auf Basis der jeweiligen Kundendaten und Entscheidungen der Vergangenheit Vorschläge, um die Auftragserfassung zu beschleunigen. Aktuell arbeiten wir an einem Vorschlagstool für Disponenten, um sie bei der Auswahl der Frachtführer zu unterstützen. Ganz nach dem Motto: Welcher Frachtführer passt hinsichtlich Preis und Durchlaufzeit am besten auf welche Tour? Aber auch Large-Language-Modelle werden bald eine Rolle in WinSped spielen, sodass Anwender dem System in natürlicher Sprache mitteilen können, was es tun soll, zum Beispiel eine neue Kondition anlegen oder die Hilfe durchsuchen. Sie haben jüngst das neue Abrechnungscenter für WinSped vorgestellt. Welche Verbesserungen bringt es mit? Wir haben dem Abrechnungscenter nicht nur eine komplett neue Benutzeroberfläche verpasst, die übersichtlicher und flexibel anpassbar ist. Wir haben auch die Performance verbessert - das Abrechnungstool arbeitet systemseitig jetzt um den Faktor 20 schneller. Welche Neuerungen haben Sie außerdem in der Pipeline? Neben den bereits angesprochenen KI-unterstützten Tools haben wir gerade ein neues Dashboard eingeführt, das den aktuellen Stand im System auf einen Blick abbildet. Von der Anzahl der Sendungen über den Umsatz bis hin zum Gültigkeitsstatus der Führerscheine - hier können alle möglichen Informationen in Form von Kacheln für den einzelnen Mitarbeiter individuell konfiguriert werden. Das alles hat auch To-do-Listen-Charakter - jeder hat jederzeit im Blick, was es zu tun gibt. Spätestens seit Corona sind immer mehr Anwendungen auch cloudbasiert nutzbar, auch bei LIS. Wie wird das von Ihren Kunden angenommen? Sehr gut. Rund 30 Prozent der Neukunden in Deutschland betreiben WinSped in der LIS-Cloud. In Frankreich ist der Anteil mit 50 Prozent noch höher. Auch Bestandskunden entscheiden sich mittlerweile dazu, ihre langjährig genutzten On-Premise-Lösungen in die Cloud zu verlagern. Großer Treiber ist der Fachkräftemangel bei unseren Kunden: Das Betreiben eines Rechenzentrums ist sicher nicht die Kernkompetenz eines Logistikunternehmens. Sie haben sehr viel in eigene Rechenzentren investiert. Gibt es Pläne, die Software irgendwann komplett in die Cloud zu verlagern? Nein, ganz bestimmt nicht. Wir sind sehr zufrieden damit, den Kunden die Wahl zu lassen. Es gibt Kunden, denen es wichtig ist, die Software in der Cloud zu betreiben, andere wollen unbedingt On-Premise. Unser TMS ist so konstruiert, dass beides möglich ist. Cyberkriminalität betrifft in immer größerem Maße auch die Logistikbranche. Was tun Sie für die Sicherheit der Kundendaten? Wir sind nach ISO 27001 zertifiziert, unser Rechenzentrum in Greven wurde zudem ergänzt durch Kapazitäten in einem ISO 27001-zertifizierten Rechenzentrum in Bremen, wo die Daten gespiegelt werden. Alles ist also doppelt vorhanden. So sind wir in der Lage, im Fall der Fälle den Betrieb innerhalb von 15 bis 30 Minuten wieder aufzunehmen und Kundensysteme ohne Datenverlust schnell wieder verfügbar zu machen. Darüber hinaus haben wir zwei Mitarbeitende, die sich ausschließlich dem Thema Cybersecurity widmen. Notfallszenarien werden nach einer festen Prozedur permanent geübt. Ist es bislang beim Üben geblieben? Ja, in den drei Jahren, in denen wir unser Rechenzentrum betreiben, ist Gott sei Dank nie etwas passiert. Die Systeme der Kunden werden alle isoliert betrieben, sodass etwaige Vorfälle bei uns nicht auf die Kundensysteme übergreifen können und umgekehrt. Grundsätzlich ist unser Cloud-Angebot beim Thema Cybersicherheit hilfreich. Ein größerer Kunde wurde einmal so schwer angegriffen, dass er gar nicht mehr arbeiten konnte. Innerhalb von zwei Tagen haben wir 250 User in die LIS-Cloud migriert, sodass schnell weitergearbeitet werden konnte. Der Kunde ist übrigens dabei geblieben und hat seine On-Premise-Lösung dauerhaft in die Cloud verlagert. Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Wie werden die Jobs in Auftragserfassung und Disposition in zehn Jahren aussehen? Die KI wird immer mehr unterstützende Aufgaben übernehmen und vor allem repetitive Routineaufgaben automatisieren. Das Einlesen von Dokumenten und die automatische Auftragserzeugung beispielsweise sind schon jetzt Realität. Durch Unterstützung und Empfehlungen des Systems kann sich der Anwender auf die Dinge konzentrieren, die etwas mehr Grips erfordern. Es wird immer Fälle geben, die eine KI nicht bearbeiten kann. Voll ersetzen wird sie den Menschen also nicht - dazu ist das Geschäft viel zu komplex. T-Matik: Logistiklösungen und Networking Mittlerweile zum elften Mal lud die Logistische Informationssysteme GmbH (LIS) zur alle zwei Jahre stattfindenden T-Matik ins Grevener Ballenlager - in diesem Jahr fand die traditionsreiche Hausmesse des "Winsped"-Entwicklers am 4. und 5. Juni erstmals über zwei Tage statt. Im Fokus standen dabei nicht nur Telematiklösungen für Truck und Trailer. Unter den ausstellenden Firmen fanden sich auch OCR-Software-Entwickler, Anbieter von DMS-Systemen, Beratungsfirmen und weitere Akteure der Logistik. Besucherinnen und Besucher konnten sich nicht nur über neueste Lösungen für Telematik, Logistik und Transport informieren, eine weitere Säule der T-Matik ist ganz klar das Networking. So war auch die Abendveranstaltung am ersten Messetag in den Räumlichkeiten der LIS am Hansaring in Greven gut besucht.

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