Die Revolution aus dem Drucker

Die Baumarktkette Knauber hat realisiert, wovon viele Logistikbetriebe noch träumen. Als vermutlich erster Einzelhändler in Deutschland bietet das Unternehmern mit sieben Filialen seit 2013 in seinem Bonner Stammsitz 3D-Druck an. An vier Geräten fertigen Kunden Mini-Büsten von ihren Köpfen an, reproduzieren Kunstwerke und vervielfältigen Ersatzteile. "Jeder vierte 3-D-Druck ist ein Ersatzteil-Double", berichtet Nektarios Bakakis, Geschäftsführer der Baumarktkette. Vor allem einfache Artikel wie Kabelabdeckungen, Möbelschrankhalter oder Modellbauteile entstehen im Bonner Outlet. Überflüssige Transportdienstleistungen Bakakis' Vorstoß wird von der Logistikbranche sorgfältig beobachtet. Auf dem Forum "Ersatzteillogistik" der Bundesvereinigung Logistik (BVL) Anfang März in Nürnberg empfanden manche Teilnehmer seinen Vortrag als "Weckruf". Das verwundert nicht. Viele Ersatzteillogistiker fürchten, dass ihnen mit 3D-Druck das Geschäft wegbricht. Wenn die Hersteller und ihre Kunden Ersatzteile kopieren können, drohen Lager- und möglicherweise auch Transportdienstleistungen überflüssig zu werden. Andererseits winkt ein neues Geschäftsfeld: Wenn Logistikdienste selbst in die additive Fertigung, wie 3D-Druck ursprünglich genannt wurde, einsteigen, können sich Hersteller und Anwender auf ihre Kernkompetenz konzentrieren. Auch IT-Experten halten ein solches Szenario für möglich. Gerade in Investitionsgütermärkten existieren viele komplexe Ersatzteile, die nur mit hohem Aufwand und viel Spezialwissen kopierbar sind, sagt Hans-Georg Kaltenbrunner. "Wenn ein Logistikdienstleister in modernste 3D-Drucktechnik investiert, könnte er sich zum Copyshop für mehrere Hersteller entwickeln und die Logistik auf der letzten Meile zum Kunden übernehmen", macht der Leiter Produktstrategie von JDA Software Mut. Das Geschäftskonzept von Bakakis taugt also durchaus als Blaupause für Logistikdienstleister. Diese sollten dann aber Multi-User-Lager betreiben und sich auf bestimmte Ersatzteile konzentrieren. Vor allem hochwertige Langsamdreher gelten als heiße Kandidaten für den 3D-Druck. Wegen ihrer langen Lagerzeiten verursachen diese Teile hohe Kosten in der Logistik. Auch einige Verlader raten Logistikbetrieben mit 3D-Druck-Ambitionen, sich auf wenig nachgefragte Ersatzteile zu konzentrieren. "Kosten solche Artikel hohe zwei- oder gar dreistellige Preise, kann sich additive Fertigung für Hersteller wie Logistiker rechnen", sagt Kay Schölermann, Logistikchef des Melkmaschinenherstellers Delaval. UPS startete Pilotprojekt in den USA Weitergehendes Marktpotenzial bietet 3D-Druck allenfalls für Paketdienste mit Endkundenzustellung. In ihren Paketshops könnten Firmen wie Knauber Drucker für Geschäfts- und Privatkunden aufstellen. Genau dies hat UPS in den USA getan. 2013 startete der KEP-Konzern ein Pilotprojekt in sechs kalifornischen Stores. Heute bietet er 3D-Druck in über 100 Filialen an. Vor allem Prototypen und Entwürfe werden UPS zufolge hier gefertigt: Offenbar nutzen überwiegend Geschäftskunden das Angebot. In Deutschland will UPS diese Dienstleistung derzeit nicht einführen. Ansonsten äußert sich der Paketdienst zurückhaltend zu möglichen Anwendungen in der Ersatzteillogistik. Die Verlader werden ihren Logistikdienstleistern Baupläne und andere Unterlagen nur überlassen, wenn sie ihnen absolut vertrauen können. "Der Schutz von geistigem Eigentum wird eine der größten Herausforderungen für die Logistiker", versichert ein hochrangiger UPS-Manager. Markus Kückelhaus bestätigt dies. "Wer 3D-Druckdaten verwaltet, muss sich auf Kundenfragen vorbereiten, ob diese auch die aktuelle Version enthalten und ob der Produzent diese tatsächlich Dritten anvertraut", sagt der stellvertretende Leiter des DHL-Innovationszentrums in Troisdorf. TNT startet 3D-Druck-Vorstoß An Ideen herrscht derzeit kein Mangel. Aktuell Schlagzeilen macht eine Patentanmeldung von Amazon für die Installation von 3D-Druckern in Lkws. Ob dieses Vorhaben technisch wirklich realisiert werden kann, bezweifeln indes manche Experten. Wie auch immer: Möglicherweise wollen die Hersteller mit 3D-Druck erst selbst Erfahrungen sammeln, bevor sie solche Dienstleistungen an Logistikfirmen vergeben. Das würde erklären, warum bislang keine Pilotprojekte für Ersatzteillogistik bekannt geworden sind. "Vor 2017 wird es zu diesem Thema kaum konkrete Ergebnisse geben", sag Mathias Rotgeri, 3D-Druck-Experte am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund (siehe Interview). Einen ersten Vorstoß startete jetzt TNT. Der Expressdienst führt seit Frühjahr mit Kunden Gespräche über Pilotprojekte im 3D-Druck. "Wir werden derzeit nicht in eigene 3D-Druckproduktionsstätten investieren", steht für TNT-Produktmanager Martin Winand fest. "Aber wir können uns vorstellen, dass wir im Kundenauftrag für einzelne Projekte 3D-Druckaufgaben übernehmen." Sprich: Wenn Kunden in TNT-Stationen Drucker aufstellen, steigt der Expressdienst gerne in diesen Markt ein. Aber auch mit Kunden, die lieber selbst additive Fertigung betreiben oder diese anderen Drittunternehmen als TNT überlassen, will der Expressdienst heute schon über dieses Thema sprechen. In jedem Fall kann er seine Logistikkompetenz zur Geltung bringen, indem er zum Beispiel neue Aufgaben wie die Versorgung von Druckern mit Kunststoff übernimmt. Das Zögern von TNT ist nachvollziehbar. Im Markt sind derzeit viele 3D-Drucker unterwegs, die mit unterschiedlichen Technologien arbeiten. Die Auswahl der richtigen Geräte fällt deshalb schwer. Ohnehin sind die technischen Hürden für die Herstellung von Ersatzteilen hoch. Von jedem Artikel müssen druckfähige Dateien hergestellt werden, was in der Regel Scanner erledigen. An dieser Voraussetzung scheitern schon viele Druckprozesse. "Auch für einfache Ersatzteile gibt es derzeit kaum geeignete Geräte im Markt", sagt Bakakis. Die Qualität der Druckdateien überzeugt oft ebenfalls nicht. Oft geben sie Größe, Materialstärke und andere Produkteigenschaften nicht exakt wieder und müssen nachgebessert werden. "Alle vier Drucker in unserem Bonner Baumarkt sind sehr störungsanfällig und mussten wiederholt repariert werden", berichtet Bakakis. Auch das DHL Innovationszentrum musste in internen Tests feststellen, dass etliche kopierte Ersatzteile den Ansprüchen der Kunden nicht genügen. Zudem ist bei vielen Artikeln 3D-Druck gar nicht möglich. Da sie aus unterschiedlichen Materialien hergestellt wurden, können sie den DHL-Forschern zufolge gar nicht mit dieser Technologie kopiert werden.

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