Es klingt wie eine gute Nachricht, hat aber nicht nur erfreuliche Gründe: Im vergangenen Jahr ist der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen in Baden-Württemberg auf den niedrigsten Stand seit 1990 gefallen. Wie aus Schätzungen des Statistischen Landesamts hervorgeht, verringerten sich die Emissionen 2023 kräftig: Im Vergleich zum Vorjahr sank der Ausstoß um 9,3 Tonnen oder knapp 13 Prozent auf 62,7 Millionen Tonnen. Zuerst hatte der Südwestrundfunk darüber berichtet.
Den deutlichen Rückgang führen die Statistiker allerdings nicht maßgeblich auf Klimaschutzmaßnahmen zurück. Ein großer Teil sei von einer wirtschaftlichen Stagnation und hohen Energiepreisen geprägt gewesen, teilt das Landesamt in Fellbach bei Stuttgart mit. Besonders stark war der Rückgang demnach im Bereich der Energiewirtschaft. Wegen der schwachen Konjunktur sei weniger Energie nachgefragt worden, weswegen weniger Steinkohle verbrannt worden sei. Auch der CO2-Ausstoß der Industrie sank dem Bericht zufolge deutlich – aus Sicht der Statistiker vor allem wegen konjunkturbedingter Produktionsrückgänge. Als weitere Gründe für den Rückgang des CO2-Ausstoßes nennen die Statistiker mehr Stromimporte, weniger Stromexporte, mehr Strom aus erneuerbaren Energien sowie einen milden Winter, in dem weniger geheizt werden musste.
Umweltministerin spricht von großem Erfolg
Das Umweltministerium betonte, dass der starke Rückgang bei der Steinkohleverstromung neben der gesunkenen Nachfrage auch am Ende der Gaskrise liege. Nur weil Gas 2022 explosionsartig teurer geworden sei, seien Steinkohlekraftwerke überhaupt aus der Reserve geholt worden. 2023 sei das dann nicht mehr so gewesen. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) nannte den deutlichen Rückgang der Emissionen einen großen Erfolg. "Die Bürgerinnen und Bürger bauen Solaranlagen an den Balkon oder auf ihr Dach, sie erneuern die Heizung, sie sparen Energie. Unternehmen stellen auf klimafreundliche Produktion um, Kommunen treiben die Wärmewende voran, Behörden machen Tempo bei den Genehmigungen von Anlagen erneuerbarer Energie", sagte Walker. Die Energiewende funktioniere. Scharfe Kritik an Walker kam dagegen von der AfD-Fraktion im Landtag. Deren umweltpolitischer Sprecher Uwe Hellstern warf der Grünen-Politikerin vor, weltfremd zu sein. "Dass der CO2-Ausstoß hierzulande sinkt, ist kein Grund zum Feiern, sondern eher ein Grund zur Sorge", sagte Hellstern. Denn Grund für den Rückgang seien keine Klimagesetze, sondern der ein Produktionsrückgang und eine Produktionsverlagerung ins Ausland.
Klimaziele noch in weiter Ferne
Auch wenn die Emissionen 2023 deutlich gesunken sind: Um die Klimaziele des Landes zu erreichen, dürfte in Baden-Württemberg 2030 nur noch gut die Hälfte der Emissionen des Jahres 2023 ausgestoßen werden, teilte das Statistische Landesamt mit. Sorgenkind bleibt der Verkehrssektor. Mit knapp einem Drittel aller Emissionen ist er für den größten Anteil am CO2-Ausstoß verantwortlich. Und als einziger Sektor konnte er 2023 keinen Rückgang vermelden. Stattdessen schätzen die Statistiker, dass Autos und Lkw im vergangenen Jahr sogar etwas mehr Treibhausgase produzierten als noch 2022. Auch im Vergleich zu 1990 stagnieren die Emissionen des Sektors.
Verkehrsminister Winfried Hermann sprach von ernüchternden Ergebnissen. "Deutschlands Weg aus der Klimakrise insgesamt läuft mal besser und mal schlechter. Meist zu langsam, aber in die richtige Richtung", so der Grünen-Politiker. Offene Flanke sei aber der Verkehr. Man habe deswegen den Ausbau des ÖPNV verstärkt. "Wenn allerdings die Zahl der gefahrenen Kilometer mit dem Auto nicht sinkt, müssen die Autokilometer klimafreundlicher werden. Der Umstieg auf E-Autos ist ein entscheidender Beitrag, den Autonutzer leisten können", sagte Hermann. Der Umweltverband BUND forderte dagegen deutlich schärfere Maßnahmen im Verkehrsbereich. "Wenn man eine andere Mobilität will, geht es nicht ohne eine massive Einschränkung des Kfz-Verkehrs", sagte Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch.
Weiter an Sektorenzielen festhalten?
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Karrais, forderte Nachbesserungen beim Klimaschutz. "Die Engstirnigkeit der Sektorenziele führt dazu, dass einige davon klar verfehlt werden. Ein Beispiel ist der erneute Anstieg des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor im vergangenen Jahr", sagte Karrais. Es brauche realistische und ganzheitliche Ziele, die sich auch mit Wirtschaftswachstum vereinbaren ließen. Der Bund hatte kürzlich eine entsprechende Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen, wonach die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden soll, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.
Auch Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) hatte sich im April offen für eine Debatte über Sektorenziele im Land gezeigt. Man müsse die Klimaziele immer ins Verhältnis zu den verfügbaren Maßnahmen setzen und nochmal prüfen, wie ambitioniert Ziele sein könnten, wie die Wirtschaft und die Bevölkerung diese mitgehen könnten, wo es Ordnungsrecht und wo es stattdessen Förderung brauche. "Das müssen wir in der Tat erneut komponieren und neu debattieren", sagte Kretschmann.