Der Kampf um Marktanteile

Mit Kooperationen hat Werner Schiller durchwachsene Erfahrungen gesammelt. Von Profex trennte sich der Geschäftsführer der PSI Spedition, Oberschleißheim (Landkreis München), wegen Differenzen mit der Geschäftsführung, für EKL Euro Kurier Logistik organisierte er 2015 die Liquidation. Neue Marktgröße in Deutschland Heute stemmt PSI Direkt- und Sondertransporte im Alleingang. Außer Kombis und Transportern hat das Unternehmen Koffer-Lkw und -Anhänger mit bis zu 24 Tonnen Nutzlast im Portfolio. "Mit diesem Fuhrpark kann PSI auch großvolumige und hochwertige Sendungen in Lkw-Zügen transportieren", sagt Schiller. "Zudem werden nur Fahrer mit guten Deutschkenntnis-sen beschäftigt." Als Konsequenz konnte der Mittelständler in den letzten Jahren neue Kunden vor allem in der Hightech- und Maschinenbauindustrie gewinnen und sich von den großen Systemkurieren absetzen, die überwiegend für die Automobilindustrie unterwegs sind. Auch Wettbewerber vor allem aus Osteuropa, die den Markt mit Niedrigpreisen überrollen, sind für Schiller offenbar kein Thema. "2017 wird PSI weiter wachsen", zeigt sich Schiller auch von den jüngsten Marktentwicklungen unbeeindruckt. Dabei hätten der PSI-Chef und andere Spezialisten für Sonder- und Direkttransporte allen Grund zur Besorgnis. So hat Mitte Februar Flash Europe die Übernahme der Mannheimer EF-Express bekannt gegeben. Mit diesem Coup kann Flash Europe, das über 170 Millionen Euro Gesamtumsatz (2016) macht, seinen Umsatz in Deutschland um rund 20 Millionen Euro erhöhen und ist damit hierzulande nach eigenen Angaben die Nummer zwei im Markt hinter In Time Express Logistik. Das genügt Flash Europe aber nicht. So deutet Geschäftsführer Frederik Luz im Interview gegenüber der VerkehrsRundschau (VR8/2017) weitere Übernahmen an. "In Deutschland gibt es viele sehr kleine Betriebe und wenige sehr große Netze", sagt er. Und In Time sieht dies nicht anders. "Wir schließen weitere Übernahmen nicht aus", bekräftigt auch Gerd Röttger, Geschäftsführer des KEP-Unternehmens. Finanzstarke Gesellschafter Mit dem Kauf von Wettbewerbern haben beide Anbieter bereits in den letzten Jahren ihre Position in der Direkt- und Sonderfahrtenbranche erobert. So übernahm Flash Europe zum Beispiel 2012 den unmittelbaren Verfolger Roberts Europe sowie den britischen Expresslogistiker V-One. 2008 kaufte In Time den fast gleich großen Konkurrenten RS Logistik und baute seine Position als KEP-Partner der Automobilindustrie weiter aus. Und seit wenigen Jahren haben beide Unternehmen neue finanzstarke Gesellschafter an Bord: Bei Flash Europe ist dies seit 2015 das Private-Equitiy-Unternehmen Eurazeo PME, und bei In Time ist dies der südafrikanische Logistikkonzern und Finanzinvestor Super Group. Beide Mehrheitseigner wollen mit ihren neuen Töchtern neue Märkte erschließen und deren Abhängigkeit von der Automotive-Industrie verringern. Vor allem In Time macht diese zu schaffen. 2016 gingen die Umsätze um fast zehn Prozent auf rund 135 Millionen Euro zurück, was das Unternehmen in erster Linie auf rückläufige Aufträge des VW-Konzerns zurückführt. "Wir wollen mit neuen Kunden aus anderen Branchen auch organisch wachsen", sagt Röttger. Das gleiche Ziel verfolgt Flash Europe, das sich mit EF-Express auch Kunden aus der Flugzeugbau- und Maschinenbauindustrie ins Haus geholt hat. Neue Märkte erschließen Das Kuriernetz Cargomando lässt sich davon nicht schrecken. Immerhin verfügt diese Koooperation über 21 Partner im Inland, darunter auffallend viele in Süddeutschland, und vier weitere in angrenzenden europäischen Ländern. Die von ehemaligen Profex-Teilnehmern gegründete Cargomando hat zudem neben Automotive-Unternehmen auch Handelskonzerne, Event-Agenturen und Druckereien als Auftraggeber gewonnen. "Die B-Kunden der Konkurrenten sind die A-Kunden unserer Partner", sagt Cargomando-Geschäftsführer Hüseyin Tasyürek. Rund 50 Prozent der rund 800 Cargomando-Fahrzeuge können über 3,5 Tonnen Nutzlast laden. Mit Transporten von Paletten- und Gitterbox-Ware will die Kooperation weitere Märkte erschließen. Viel verspricht sich Cargomando auch von seiner neuen IT-Plattform. Jeder Partner kann diese mit einer besonderen ID-Nummer für seine Kunden freischalten. Über GPS-gestütztes Tracking & Tracing sollen die Fuhrparks aller Partner erfasst werden. Für Fahrzeuge, die nach einer Sonderfahrt zum heimatlichen Standort zurückkehren, möchte die Cargomando-Disposition Rückladungen organisieren und so die Preise niedrig halten. Arbeit an digitalen Lösungen Tasyürek zufolge holen einige Partner über 30 Prozent ihrer Aufträge über das Portal herein. Mit diesem steht die Kooperation allerdings auch in Konkurrenz zu Frachtenbörsen. Plattformen wie die von Hierl & Müller, Straubing, betriebene E-Kurier.net vermitteln fast ausschließlich überregionale Touren. "Die durchschnittliche Reichweite liegt bei 300 bis 400 Kilometern", urteilt Achim Danner, Geschäftsleiter von E-Kurier.net. "Rund 50 Prozent der knapp 3000 Nutzer fragen regelmäßig Rückladungen nach", sieht er das Portal im Markt bestens positioniert. Mit verbesserter IT wie einer App, die auch Fahrern die Akquisition von aktuellen Frachtangeboten erlaubt, will Danner die vorhandenen Netze weiter auf Distanz halten. Diese wollen allerdings ihr IT-Angebot ebenfalls ausbauen. So strebt In Time Express Logistik zusätzliche Vernetzungen mit Industriekunden an. "Wir arbeiten an digitalen Lösungen, die eine noch effizientere Steuerung von Sondertransporten ermöglichen", kündigt Röttger an. Grundsätzlich sehen die Systemkuriere sich nicht nur als Geschäftspartner für Ausnahmesituationen, wenn Auftragsspitzen zu stemmen sind oder Produktionsausfälle drohen. Auch für Unternehmen, die regelmäßig Transporte für gefährliche oder hochwertige Güter ordern, wollen sie Lösungen entwickeln. Kopfzerbrechen bereiten der Branche indes Wettbewerber, die aus Osteuropa stammen oder überwiegend mit osteuropäischen Frachtführern zusammenarbeiten, wie zum Beispiel BGM Express Logistik in Bietigheim. "Wir arbeiten mit marktgerechten Preisen", sieht Sven Bergemann keinen Unterschied zu den großen Systemkurieren. Diese treten seiner Meinung nach genauso preisaggressiv auf. Außerdem versichert Bergemann, der im Alter von 22 Jahren das Unternehmen BGM gegründet hat: "Unsere Frachtführer fahren durchgehende Touren." Dabei engagiere er vorzugsweise Frachtführer mit drei bis zehn Fahrzeugen und eigenen Depots, führt er aus. Gegenwärtig kann BGM dabei nach eigenen Angaben auf rund 170 Frachtführer mit 1200 Fahrzeugen zugreifen, die vor allem für Automobilzulieferer fahren. Bis zum Jahr 2020 will BGM zusätzlich zu den vier deutschen Stützpunkten weitere Standorte in Westeuropa gründen. Nachweispflichten machen Sorgen Eine weitere Herausforderung im Direktkuriersegment ist, dass immer mehr europäische Länder Nachweise verlangen, dass Fahrer nach dem landesüblichen Mindestlohn bezahlt werden. Seit 1. Januar 2017 fordert zum Beispiel Österreich für jede Tour Entsendemeldungen, die an das Wiener Verkehrsministerium zu schicken sind. "Solche bürokratischen Regelungen bereiten der Branche gegenwärtig mehr Kopfzerbrechen als Fusionen der großen Marktteilnehmer", ist Andreas Schumann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Kurier-, Express- und Paketdienste (BdKEP) überzeugt. Geheimtipp: Pharma-Transporte Wer den Aufwand scheut, muss in Deutschland neue Märkte erschließen. Als Geheimtipp gelten nach wie vor temperaturgeführte Transporte für Pharmaunternehmen. Allerdings verlangen diese in der Regel die Zertifizierung nach der EU-Leitlinie Good Distribution Practice (GDP). Der Kurierunternehmer Fox Courier, Leipzig, hat dies gemacht und wirbt jetzt mit Fahrzeugen, die Temperaturen auf bis minus 25 Grad Celsius herunterkühlen. Seit Februar 2017 setzt das sächsische Unternehmen einen Koffer-Lkw mit 2400 Kilogramm Nutzlast ein, der allein wegen seiner aufmerksamkeitsstarken Außenwerbung jedem Straßenverkehrsteilnehmer auffallen dürfte. Wetten, dass es vor allem Pharma-Hersteller und Logistiker mit Rampen-Verladungen sein werden, die dieses Fahrzeug ordern? Mehr zum Thema finden Sie im Dossier KEP www.verkehrsrundschau.de/dossiers Kurier-Netz Profex Zweite Chance für Profex Was wird aus Profex? Marko Vogel, Geschäftsführer von Cargo Direct GmbH in Kassel und weiteren Stützpunkten in Göttingen und Hannover, will der gescheiterten Kooperation eine zweite Chance einräumen."Acht von zehn Transporten können auf Frachtenbörsen problemlos abgebildet werden", sagt der KEP-Unternehmer in Anspielung auf die Internet-Plattform E-Kurier."Ein neuer Profex-Verbund muss für alle zehn Transporte überzeugende Lösungen bieten." Da Profex-Kunden Vogels Erfahrungen nach auf Zuverlässigkeit und Sicherheit Wert legen, strebt Vogel einen Qualitätsstandard an, den künftige Partnerbetriebe in jedem Fall erfüllen müssen. Einzelheiten will er in den kommenden Wochen nennen."Das Ziel ist ein 'Goldstandard' für Transporte, die durch Verzögerungen oder Qualitätseinbußen gravierend beeinträchtigt werden", sagt er. Wichtig sei eine "verlässliche Struktur mit zuverlässigen Abläufen, die unmittelbar ineinander greifen". Von Systemkurieren soll dieser Standard genau abgrenzen wie von Billiganbietern."Am Ende darf nicht nur der Preis zählen", sagt Vogel. bot

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