Der Kampf um den Abfall

Frank Abeln ist ein gebranntes Kind. Der Geschäftsführer des Entsorgungsunternehmens Abeln & Sohn aus Aschendorf hat einige Anläufe gemacht, um als mittelständischer Betrieb bei der Entsorgung von Hausmüll Fuß zu fassen. "In den 80er-Jahren haben wir 13 Wertstoffhöfe errichtet, die uns nach einer Gesetzesnovelle genommen und dann von Kommunen betrieben wurden", sagt Abeln. Damit nicht genug: "Später haben wir Iglu-Stationen errichtet, in denen Papier und Glas gesammelt wurde. Auch dieses System mussten wir dem Landkreis übergeben. Und 2007 haben wir blaue Tonnen zur Einsammlung von Altpapier verteilt: insgesamt 14.000 Behälter. Aufgrund eines Gerichtsurteils 2013 mussten wir auch dieses System an die Kommunen abtreten." tik an den Kommunen Das Unternehmen, das zudem auch eine Spedition betreibt, hat Konsequenzen gezogen: Ausstieg aus dem Hausmüllgeschäft und Konzentration auf den Gewerbeabfall. Was Abeln sehr bedauert, denn er kann nicht erkennen, dass die Kommunen die Aufgabe besser erfüllen. Im Gegenteil, die kommunalen Betriebe im Emsland hätten zuletzt rote Zahlen geschrieben, wobei er zugesteht, dass die gesunkenen Preise für Abfall das Geschäft erschwert hätten. Die neuesten Gesetzentwürfe zum Wertstoffgesetz betrachtet er mit großer Skepsis. "Der Entwurf geht absolut nicht in unsere Richtung", zeigt er sich enttäuscht. Mit "uns" meint er die Mittelständler. "Der Entwurf bevorzugt die Kommunen. Und wenn die die Leistungen ausschreiben, sind die Ausschreibungen so komplex, dass Mittelständler wie wir keine Chance haben", zeigt sich Abeln enttäuscht. Als Beispiel nennt er die Anforderung, dass Unternehmen in den letzten drei bis vier Jahren Erfahrungen im Bereich der Hausmüllentsorgung vorweisen müssen. "Damit scheiden wir schon aus", bedauert Abeln. Doch nicht nur Mittelständler wie Abeln kritisieren die verschiedenen Versionen zum neuen Wertstoffgesetz, die die Politik bislang vorgestellt hat (siehe Kasten Seite 32). In der gesamten Branche gibt es eine große Aufregung um die vorliegenden Entwürfe. Ursprünglich war mal geplant, dass das Bundesumweltministerium im ersten Quartal 2016 einen Referentenentwurf zum neuen Wertstoffgesetz veröffentlicht und dieses Gesetz nach Möglichkeit noch 2016 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird. Doch dass dieser Fahrplan eingehalten wird, erscheint nach Ansicht der Marktbeobachter wenig wahrscheinlich: "Die Grabenkämpfe zwischen den Beteiligten sind so vehement, da sind die Aussichten auf einen Kompromiss gering", sagt Werner Baumann, Geschäftsführer der Entsorgergemeinschaft Regionaler Wirtschaftsverkehr (EGRW). Ähnlich sieht es Peter Kurth: "In diesem Jahr kommt das Gesetz auf keinen Fall", sagt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Zwei Hauptziele stehen bei der Formulierung des neuen Wertstoffgesetzes im Mittelpunkt: Zum einen sollten stoffgleiche Abfälle gemeinsam gesammelt werden. Der Verpackungsmüll - bislang privatwirtschaftlich eingesammelt durch das "Duale System" - und Abfälle aus ähnlichen Stoffen wie der Zahnputzbecher und die Bratpfanne - die bislang in der grauen Restmülltonne landeten - sollen künftig gemeinsam in einer Tonne gesammelt und dann entsorgt werden. Das zweite Ziel: Die Recyclingquote soll erhöht werden. Das Bundesumweltministerium strebt an, dass statt bislang 36 Prozent künftig mindestens 72 Prozent der Kunststoffabfälle, die bei privaten Haushalten anfallen, als Rohstoffe weiterverwendet werden. Dazu soll unter anderem die bisherige Produktverantwortung erweitert werden. Die würde dann zukünftig nicht nur für Verpackungen gelten, sondern auch für weitere Produkte aus Kunststoff und Metall. Das Ministerium geht davon aus, dass sich so zusätzlich bis zu fünf Kilogramm Wertstoffe pro Einwohner und Jahr hochwertig recyceln lassen. RW-Chef Baumann befürchtet, dass das neue Gesetz die Rolle der Kommunen stärkt und sie künftig stärker Einfluss darauf nehmen, wie der Müll entsorgt wird. Bei möglichen Ausschreibungen der Kommunen sieht er die großen Entsorgungskonzerne im Vorteil, da diese die Anforderungen besser erfüllen können. "Auf der Strecke bleiben die mittelständischen Entsorger", befürchtet Baumann. lechte Karten für Mittelständler Spediteur Abeln nennt dafür ein weiteres Beispiel: "Die Kommunen unterteilen die Ausschreibung nicht nach einzelnen Losen. Aber das Emsland ist flächenmäßig größer als das Saarland. Da haben wir als Mittelständler natürlich schlechtere Karten im Vergleich zu Konzernen wie Alba, Remondis & Co.", sagt der Unternehmer. Auch Kurth zeigt sich wenig angetan vom vorliegenden Entwurf zum Wertstoffgesetz: "Wir sind damit nicht zufrieden", sagt der BDE-Präsident, "denn es ändert sich nicht genug". Seiner Ansicht nach hätte es kein Wertstoffgesetz gebraucht, um wertstoffgleiche Abfälle gemeinsam zu erfassen. "Das ist bereits auf Basis der gültigen Verordnung möglich." Eine solche gemeinsame Sammlung sei gelebte Praxis: "Bei 15 Millionen Einwohnern in Deutschland werden diese stoffgleichen Abfälle bereits heute gemeinsam eingesammelt." : Gesetz geht nicht weit genug Kurth sieht in den vorliegenden Entwürfen eine verlorene Chance: "Wir hätten uns gewünscht, dass mit dem neuen Gesetz auch zusätzliche Mengen für das Recycling gewonnen werden." Er ist der Ansicht, dass man viel mehr im Sinne des Recyclings erreichen könnte, wenn das Thema Getrennt-Sammlung und Wertstoffgewinnung auf einer breiteren Grundlage neu angelegt würde. Als Beispiel nennt er den biologischen Abfall, der von vielen Kommunen nicht gesondert erfasst werde. "Dabei ist der biologische Abfall ideal für die Gewinnung von Bioenergie", sagt Kurth. Doch viele Kommunen würden den Aufwand scheuen und keine Tonnen aufstellen, die in kurzen Abständen abgeholt werden müssten. "So gibt es Landkreise, die 200 Kilogramm Biomüll pro Einwohner und Jahr einsammeln und andere Kommunen, die überhaupt keinen Bioabfall getrennt erfassen." Kurth verweist auf eine Studie der Infa GmbH, wonach durch eine bessere Erfassungsmethode die Recyclingmengen in Deutschland um 7,8 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht werden könnten. Der Verband der Kommunalen Unternehmer (VKU) sieht in dem bisherigen Erfassungssystem von Verpackungen ökologische und organisatorische Defizite und unterstützt daher mit Nachdruck die Bundesratsinitiative, die den Kommunen die Organisationsverantwortung für die Erfassung der Verpackungen und der stoffgleichen Nichtverpackungen aus privaten Haushalten übertragen will. "Die dualen Systeme haben in den vergangenen zwanzig Jahren das Recycling nicht nennenswert vorangebracht. Außerdem kommt es bei der Entsorgung der gelben Säcke immer wieder zu Problemen, was aktuell bei Bürgern in vielen Regionen Deutschlands für Unmut sorgt", sagt Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des VKU. Kurth hingegen ist der Auffassung, dass die Hoheit über die Abfälle bei den Privaten besser aufgehoben ist, weil es ein wettbewerbliches System ist. "Wettbewerbsdruck führt zu Preis- und Kostendisziplin und damit zu Kosteneinsparungen. Wenn man jetzt wieder staatliche Monopole etabliert, sehe ich nicht, woher der Wettbewerbsdruck kommen soll." Dem hält Hasenkamp entgegen: "Die meisten Kommunen würden die Sammlung der Wertstoffe ausschreiben und das in einem fairen und transparenten Wettbewerb." Die von den Handelsverbänden jüngst behauptete Kostensteigerung im Falle einer kommunalen Sammelzuständigkeit entbehrten jeder Grundlage. Da zeigt sich Kurth jedoch skeptisch: "Dann könnte man ja auch in das Gesetz aufnehmen, dass eine Ausschreibung Pflicht ist. Dagegen wehren sich jedoch die Kommunen." Denn da die Müllverbrennungsanlagen (MVA) in kommunaler Hand seien, wollten einige Kommunen lieber selbst die Abfallströme steuern, um entscheiden zu können, ob der Müll für eine hohe Auslastung der MVA oder zu Recyclingzwecken genutzt werde. Auch wenn Kurth selbst daran teilnimmt, so kritisiert er an der derzeitigen Debatte: "Wir brauchen keine Zuständigkeitsdiskussionen über Sammlung, Sortierung und Vermarktung des Abfalls. Was wir brauchen, sind Rahmenbedingungen für mehr Recycling." Die kann er in dem derzeitigen Entwurf nicht erkennen. Er hält es keineswegs für ausgemacht, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode kommt. Seine Hoffnung ist daher, dass ein künftiges Wertstoffgesetz für mehr und besseres Recycling sorgt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Entsorgung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Vorschläge zum Wertstoffgesetz im Vergleich Das wollen beide Seiten- Die bisherige gelbe Tonne möchten sowohl das Bundesumweltministerium als auch der Bundesrat in eine Wertstofftonne umwandeln, die nicht mehr nur die Sammlung von Verpackung enthält, sondern auch von Haushaltsabfällen aus Kunststoff und Metall.- Beide Seite schlagen vor, eine zentrale Stelle einzurichten mit umfangreichen Kontrollbefugnissen. Im Detail unterscheiden sich die Vorstellungen diesbezüglich allerdings.Das will das Umweltministerium- Private Unternehmen sollen im Rahmen der dualen Systeme laut dem Entwurf wie bisher die Wertstoffe einsammeln, sortieren und verwerten dürfen. Dafür werden sie von Handel und Industrie über Lizenzentgelte für die Produkte und Verpackungen finanziert.- Das Umweltministerium will aber die Kommunen stärker einbinden. Sie sollen entscheiden, wie die Abfälle vor Ort gesammelt werden: in einer Tonne, in Säcken oder über Wertstoffhöfe. Und sie können bestimmen, wann und wie oft abgeholt wird.- Um einen fairen Wettbewerb und einen konsequenten Vollzug zu gewährleisten, soll eine zentrale Stelle entstehen, finanziert von den produktverantwortlichen Herstellern und Vertreibern. Sie soll als Registrierungs- und Standardisierungsstelle dienen und die Tätigkeit der dualen Systeme überwachen.- Außerdem soll es eine unabhängige Schiedsstelle geben, die bei Streitigkeiten zwischen den beteiligten Parteien schlichtet.Das wollen die Bundesländer- Die vom Bundesrat geforderten Eckpunkte für das Wertstoffgesetz sehen vor, dass die Kommunen flächendeckend die Sammlung der Wertstoffe aus Privathaushalten organisieren. Sie sollen entscheiden, ob sie das Recycling in die Hand nehmen - oder ein Unternehmen damit beauftragen.- Sortierung und Verwertung sollen nach Meinung der Länderkammer in bundesweit rund 500 definierten Gebieten über eine neue zentrale Stelle ausgeschrieben und damit dem Wettbewerb überlassen werden.- Die Lizenzierung von stoffgleichen Nichtverpackungen und Verpackungen soll ebenfalls über die zentrale Stelle erfolgen.- Die Ausschreibungen sollen nach den Regeln der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen erfolgen.- Die Hersteller der Produkte, die in die Wertstoffsammlung gehen, sollen sich an den Kosten über Lizenzentgelte beteiligen, produktspezifisch nach ökologischen Kriterien festgelegt.- Mit Blick auf das Ziel, eine möglichst große Wertstoffausbeute zu erreichen, schlagen die Länder zudem vor, prüfen zu lassen, inwieweit die vorstehenden Anforderungen auch für gewerbliche Abfälle aus sonstigen Anfallstellen Anwendung finden sollen. ag

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Export: USA bleiben wichtigster Handelspartner

Batteriehersteller: Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Alle Schlagzeilen

Der Kampf um den Abfall

HASHTAG

#Umweltrecht

LBA legt Schulungspflicht für Gefahrgut-Speditionen fest

Urteil: Kfz-Versicherer kommt für unvollständige Entleerung eines Tank-Lkw auf

Ätzende Chemikalie löst Großeinsatz auf Speditionsgelände aus

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Area HR Business Partner

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

WEITERLESEN

NEWSLETTER