„Das erste Mal, dass wir nicht verprügelt werden“

Hermann Lanfer hatte wahrscheinlich den undankbarsten Part auf der Gesellschafterversammlung der Kombiverkehr am Mittwoch in Offenbach. Er musste den Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrats vorlesen. Er wusste, was den Zuhörern blühte, weshalb er gleich die Warnung vorwegschickte: „Jetzt wird es trocken.“ Zwei DB-Cargo-Manager, die glimpflich davonkamen Das war aber auch nahezu der einzige Moment auf der Jahrestagung, in dem es reichlich formal zuging. Ansonsten war die Veranstaltung reich an Höhepunkten: Zwei DB Cargo-Manager, die sich in die Höhle der Löwen wagten – und in Summe sehr glimpflich davonkamen. Und ein Kombiverkehrs-Manager, dem der Gang an das Redner-Pult nicht leichtfiel und dem die leicht wässrigen Augen anzusehen waren. Und die Chance, eine Schallmauer zu durchbrechen. Doch alles der Reihe nach. Lanfer will der Politik auf den „Senkel gehen“ Hermann Lanfer, Verwaltungsratsvorsitzender von Kombiverkehr, hatte in Offenbach erstmals die Gelegenheit, vor den anwesenden Gesellschafter die Versammlung zu eröffnen. Lanfer ist zwar bereits seit 2020 im Amt, wegen Corona war die diesjährige Übereinkunft für ihn jedoch in dieser Rolle die erste in Präsenz. Ohne Umschweife sprach er gleich das Thema an, dass alle der im Saal anwesenden Spediteure derzeit Kopfzerbrechen bereitet: die Unpünktlichkeit der Güterzüge. Da würden er und die Führungsspitze bei Kombiverkehr alle Hebel in Bewegung setzen, um eine Verbesserung zu erreichen. Ansprechpartner sei da auch der Bund. „Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, der Politik auf den Senkel zu gehen. Das kann ich Ihnen versprechen“, sagte Lanfer. Anlass, Tacheles zu reden, gibt es genug. Denn die Lage im Schienennetz ist derzeit chaotisch. Es fahren zum Teil mehr Züge unpünktlich als pünktlich. Auf das Podium in Offenbach hatten sich dennoch zwei Spitzenmanager von DB Cargo getraut, die viele für die Unpünktlichkeit verantwortlich machen. Und weshalb die Nutzer – zahlreiche von ihnen in Offenbach zugegen – überhaupt nicht gut auf das Unternehmen zu sprechen sind. Für Pierre Timmermans, stellvertretender Vorsitzender von DB Cargo, war die Versammlung als Mitglied im Verwaltungsrat von Kombiverkehr ohnehin ein Pflichttermin. Zur Unterstützung hatte sich Timmermans Ralf Kloß, Vorstand Produktion bei DB Cargo, mitgebracht. Kloß hatte vor wenigen Wochen in einem Video die aktuelle Lage im Schienennetz kritisiert und von einem „drohenden Chaos, einem drohenden GAU“ gesprochen (siehe auch: DB-Chef schlägt Alarm). Trübe Aussichten nicht nur für den Rhein-Korridor Die beiden DB-Cargo-Manager brachten keine guten Nachrichten für die Spediteure mit. Mit einer wirklich spürbaren Entlastung sei nicht in den kommenden Wochen, nicht in diesem Jahr und wahrscheinlich auch nicht 2023 zu rechnen. Am deutlichsten wurde das an eine Folie, die sie zur Veranschaulichung mitgebracht hatten. Darauf wurden die Qualitätseinschränkungen zwischen April und Dezember 2022 gezeigt. Für den Rhein-Korridor gelten bis Anfang Oktober durchgehend deutliche bis längerfristige Qualitätseinschränkungen. Unterbrochen nur von einem Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juni sowie im August bis fast Ende September: Dort sinkt die Qualität nochmals ab: Es sind permanent Qualitätseinschränkungen und Kapazitätseinbußen zu erwarten. „Dann sind Annahmesperren nicht mehr zu vermeiden“, sagte Timmermans. Erst Anfang Oktober soll es dann „nur“ noch mehrtägige Qualitätseinschränkungen in Störungsfällen geben. Auch Kloß machte kein Hehl um die schwierige Lage. Er stellte verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung vor, darunter die Zusammenlegung der Abteilungen Kundenservice und Operations. „Dadurch wird sich die Lage auf dem Netz nicht verbessern“, sagte Kloß. Doch die Kunden würden besser informiert und könnten dann besser planen. „Aber erwarten Sie nicht, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren wieder eine Pünktlichkeit von 80 Prozent erreichen“, wollte er erst gar nicht Hoffnung aufkommen lassen bei den Spediteuren. Ziel sei es vor allem, dass die Annahmesperren wieder zurückgefahren werden und somit mehr Verlässlichkeit in das System komme. „Das ist das erste Mal, dass wir nicht verprügelt werden“ Als Lanfer dann den anwesenden Spediteuren die Gelegenheit gab, die zwei DB-Cargo-Manager zu befragen, rührte sich überraschend zunächst nichts. „Das ist das erste Mal, dass wir nicht verprügelt werden“, sagte Timmermans dann und lächelte. Schließlich äußerte sich Michael Schaaf, Geschäftsführer der Spedition BayLogistik. Er sprach von einem „Verkehrskollaps“ und: „Auf mich wirkt die DB konzeptlos“, hielt er den DB-Cargo-Managern vor. Er machte den Vorschlag, die Ressourcen mehr auf den wachsenden Intermodal-Verkehr zu konzentrieren und den Einzelwagenverkehr nachrangig zu behandeln. Pünktlichkeit zum Teil unter 50 Prozent Timmermans nannte die Kritik nachvollziehbar. Aber er wies darauf hin, dass DB Netz die Aufgabe habe, diskriminierungsfrei die Trassen zu vergeben. Es könne daher nicht ohne weiteres einige Verkehre vorziehen und andere benachteiligen oder dann gar nicht berücksichtigen. Kloß berichtete, dass sowohl der Personen- wie auch er Güterverkehr massiven Druck ausüben würden auf DB Netz. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Baustellenmanagement verbessert werden. Aber er bat um Geduld. Es würde noch dauern, bis sich die Maßnahmen bemerkbar machten. Geduld zu haben bei der Leistung ist für Kombiverkehr und deren Kunden nicht einfach. Die Pünktlichkeit lag in den letzten Monaten teilweise unter 50 Prozent. Alleine im letzten Jahr sind laut Kombiverkehr-Geschäftsführer Alexander Ochs 3000 Züge nicht gefahren. Deshalb konnten annähernd 90.000 Lkw-Sendungen nicht über die Schiene befördert werden. Für Kombiverkehr bedeutete das laut Ochs einen zweistelligen Millionenverlust beim Umsatz. Kombiverkehr hätte deutlich stärker wachsen können Und trotz all der Schwierigkeiten im Netz ist es dem Operateur gelungen, sein Volumen 2021 um 9,3 Prozent auf 937959 Lkw-Sendungen zu steigern. Diese positive Entwicklung hielt auch in den ersten fünf Monaten 2022 an. Das Sendungsvolumen nahm um 7,9 Prozent zu. „Wenn wir die Schwierigkeiten im Netz nicht gehabt hätten, wären 15, 16 oder 17 Prozent mehr drin gewesen“, sagte Kombiverkehrs-Geschäftsführer im Anschluss an die Gesellschafterversammlung gegenüber der Presse. Aber auch so sei man von der eine Million-Marke nicht mehr weit entfernt. Die hatte der Operateur 2007 bereits mal erreicht. Standing Ovations für Robert Breuhahn Auf der Gesellschafterversammlung wurde der bisherige Geschäftsführer Robert Breuhahn verabschiedet. 1977 trat er in das Unternehmen ein. 1993 wurde er Geschäftsführer und übte das Amt 28 Jahre aus. „Ich habe mich immer als Mittler zwischen zwei Welten gesehen“, sagte Breuhahn zum Abschied. Auf der einen Seite die Spediteure: Denen hatte er versucht, die Welt der Eisenbahn zu erklären. Und auf der anderen Seite die Bahnen, denen er die Denke der Spediteure nähergebracht habe. Zur aktuellen Lage empfahl er, die Nutzer des KV stärker bei der Mängelbekämpfung im Netz einzubeziehen, bei der Frage, wo neue Kapazitäten entstehen müssen. „Das müssen wir tun, die Praktiker, und nicht Andere.“ Die Spediteure und Gäste der Versammlung bedankten sich bei Breuhahn mit Standing Ovations. (cd)

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