12. Symposium Logistik Innovativ: Attraktive Schiene

Wie kann eine Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene gelingen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Akteure im Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) Prien seit der Gründung vor 25 Jahren. Heute hat diese Thematik vor dem Hintergrund der Klimawende an zusätzlicher Brisanz gewonnen. Die Vermeidung von CO2 und damit auch die Verlagerung von Transporten steht mittlerweile bei vielen Logistikern ganz oben auf der Tagesordnung. Das heißt aber nicht, dass fast alle Fragen gelöst sind. Im Gegenteil, wie auf dem Symposium Logistik Innovativ des LKZ Prien Ende Mai deutlich wurde. Angesichts des zunehmenden Güterverkehrs sind die Probleme eher gewachsen. Gefragt sind alle Akteure, wenn es um die Lösung des Problems geht. Da ist zunächst mal die Politik. Das Land Tirol greift zu einfachen Maßnahmen, um den Straßengüterverkehr einzudämmen: das Nachtfahrverbot und die Blockabfertigung auf der Brennerautobahn. Instrumente jedoch, die nicht nur von den betroffenen Unternehmen aufgrund kilometerlanger Staus als inakzeptabel bezeichnet werden. Auf dem Symposium vertreten waren auch Ingrid Felipe (Landeshauptmann-Stellvertreterin und in der Tiroler Regierung zuständig für das Thema Verkehr), Christian Bernreiter (Verkehrsminister von Bayern) und Daniel Alfreider (Landeshauptmann-Stellvertreter in Südtirol). Bernreiter und Felipe hatten sich vor dem Symposium erstmals zu einem Gespräch getroffen. Auf dem Abendempfang auf Schloss Herrenchiemsee verriet Bernreiter zu dem Treffen mit einem Schmunzeln: "Weißer Rauch ist noch nicht aufgestiegen." Gegenüber der VerkehrsRundschau sagte Felipe, Tirol sei sehr wohl bereit, bei der Blockabfertigung Zugeständnisse zu machen. "Aber nur, wenn mehr Lkw im Transit auf die Schiene verlagert werden", so Felipe (zur Einschätzung von Bernreiter siehe Interview Seite 7). Optimistische Politik Ein großes Interesse an einem leistungsfähigen Schienengüterverkehr hat die Bundesregierung. In ihrem Koalitionsvertrag hat sie das Ziel festgeschrieben, den Modal Split der Güterbahnen von derzeit etwas über 18 Prozent auf 25 Prozent bis 2030 anzuheben. Jörg Stephan, im Bundesverkehrsministerium Leiter des Referats, das für den Masterplan Schienengüterverkehr zuständig ist, betonte in Prien: "Dieses Ziel ist erreichbar." Doch dazu müsse die Schiene attraktiver gemacht werden. Stephan zählte dazu drei Maßnahmen auf: die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs unter anderem durch eine Absenkung der Trassenpreise, den Ausbau und die Instandhaltung der Infrastruktur sowie die Förderung von Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung, um so für mehr Kapazitäten zu sorgen. Eine politische Maßnahme, die immer wieder diskutiert wird, ist einerseits die verpflichtende Kranbarkeit von Sattelaufliegern. "14 Prozent der produzierten Sattelauflieger sind kranbar", sagte Roland Klement, Vorstandsmitglied bei Schmitz Cargobull. Andererseits gäbe es europaweit bei den Bahnen nur 35.000 Taschenwagen. "Wir als Branche in Europa produzieren jedoch jedes Jahr 25.000 kranbare Sattelauflieger", so Klement. Es sind also deutlich mehr Auflieger als Taschenwagen verfügbar. Er schätzt den Bestand an kranbaren Sattelaufliegern auf 250.000 in Europa. "Wir würden mehr Einheiten produzieren, aber die Nachfrage ist nicht da", sagte Klement. Wenn jedoch alle Auflieger kranbar wären, so das Argument der Befürworter, könnten womöglich mehr Einheiten im KV transportiert werden. Doch hier kam energischer Protest von den Herstellern: "Wenn das eingeführt wird, haben wir irgendwann Millionen von Trailern, die mit mehr Gewicht durch die Gegend fahren. Damit ist der CO2-Bilanz auch nicht geholfen", gab Christian Renners, Vorsitzender der Geschäftsführung von Kögel Trailer, zu bedenken. Auch Klement kann einer solchen Regelung nichts abgewinnen, da die Mehrheit der Auflieger auch künftig nicht im KV zum Einsatz kommen würden und dann dieses Mehrgewicht trotzdem mitschleppen müssten. Auflieger im KV sind aufgrund der Kranung und dem Transport im Waggon (unter anderem sind die Züge mit höheren Geschwindigkeiten bis zu 140 km/h unterwegs) höheren Belastungen ausgesetzt. Sie müssen robuster gebaut werden und wiegen daher 400 Kilogramm mehr. Der Aufpreis dafür ist je nach Auflieger und Hersteller unterschiedlich. Am Rande der Veranstaltung wurden 3000 Euro als grobe Hausnummer genannt. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von zehn Jahren pro Auflieger machen bei der Gesamtkostenbetrachtung von Transporten diese Zusatzkosten jedoch nur einen sehr geringen Anteil aus. "Die Nachfrage war noch nie so hoch" Dass immer mehr Unternehmen die Bahn für sich entdecken, bestätigte Bernd Weisweiler: "Die Nachfrage war noch nie so hoch wie aktuell", sagte der Leiter Geschäftsentwicklung beim Eisenbahnunternehmen TX Logistik. Doch dieses hohe Volumen bereitet auch Sorgen, vor allem angesichts der vielen Baustellen. Hier würden die einzelnen Bahnen sich nicht absprechen, kritisierte er, weshalb zahlreiche Züge ausfallen würden. Zudem müsse man die Komplexität aus dem System herausnehmen und zu Standardisierungen kommen. Als Beispiele nannte er die unterschiedlichen Stromsysteme, aufwendige Zulassungsverfahren für Lokomotiven und Vorgaben bei den Lokführern, die je nach Land unterschiedlich seien. Womöglich würde er es selbst nicht so formulieren: Aber letztlich könnte man Thomas Bronnert schon als einen Freund der Schiene, als einen Befürworter des Güterverkehrs auf Gleisen bezeichnen. Bronnert ist Vice President Logistics bei der Wacker Chemie in Burghausen und zudem Vorsitzender des Ausschusses Logistik und Verkehr beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). Wacker Chemie setzt zunehmend auf die Bahn. Alleine vom Standort Burghausen transportiert das Unternehmen jährlich zwei Millionen Tonnen. Davon werden 46 Prozent per Bahn abgewickelt. Dazu wird auch das KV-Terminal in Burghausen, das es erst seit 2014 gibt, eifrig genutzt. Zwischen Burghausen und den Nordhäfen und Triest werden jeweils 3000 Einheiten pro Jahr befördert. Eine Erfolgsstory, aber für Bronnert kein Anlass zum Jubeln. Wacker Chemie würde gern deutlich mehr Güter auf der Schiene transportieren. Doch die Strecke zwischen München und Freilassing und der Abzweig nach Burghausen sind größtenteils eingleisig und nicht elektrifiziert. Der Personenverkehr hat Vorrang. Für die Pendler gibt es morgens und abends einen 20-Minuten-Takt. "Da gibt es keine Trasse mehr", sagt Bronnert. Er wird häufig mit dem Satz konfrontiert: Na ja, wir bekommen die Mengen irgendwie und irgendwann schon durch. Man merkt förmlich, wie es in ihm brodelt. "Das ist nicht der Anspruch an die Logistik", sagt er. "Das ist weder der Anspruch unserer Kunden noch meiner internen Kunden an mich als Logistikleiter. Es müssen Liefertermine eingehalten werden." Der zweigleisige Ausbau auf dieser Strecke sei dringend erforderlich, um die derzeit von verschiedenen Verladern beförderten 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr in einer vernünftigen Qualität transportieren zu können. Ursprünglich sollte der Ausbau 2030 fertiggestellt werden. "Aufgrund diverser Ursachen ist dieser Termin auf unbestimmt verzögert worden", so Bronnert. "Das passt überhaupt nicht zusammen, wenn man sieht, wann wir als Land klimaneutral sein wollen", kritisiert er. DB Netz würde gern schneller bauen Andreas Lackner, bei DB Netz Leiter Betrieb, Fahrplan und Kapazitätsmanagement Region Süd, stellte klar: "Es ist nicht so, dass wir nicht mehr oder nicht schneller bauen wollen. Wir leiden darunter genauso. Aber wir haben in Deutschland das Problem des Einfach-mal-Machens." Er beklagte die Dauer der Planungshorizonte für Großprojekte in Deutschland. Dahinter stünde die Abwägung zwischen Einzel- und Gemeinwohl, bei der letztlich die Politik die letzte Entscheidung treffen müsse. Servus, Karl Fischer Die Liste derjenigen, die Karl Fischer in seiner Rolle als Geschäftsführer des LKZ Prien während des Symposiums verabschiedeten, war lang. Der bayerische Verkehrsminister gehörte dazu, der Landrat des Landkreises Rosenheim durfte genauso wenig fehlen wie der Bürgermeister aus Prien. Per Video-Grußbotschaften waren der Wirtschafts- und der Innenminister aus Bayern dabei.Abschied nach vielen JahrenNicht weniger wichtig waren die langjährigen Weggefährten, die nach Prien gekommen waren. Fischer war schon vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des LKZ, die er im Jahr 2000 aufnahm, als Unternehmer und in Verbandsfunktionen ein Verfechter des Kombinierten Verkehrs, vor allem im Alpentransit. Ende Juni scheidet der 64-Jährige nun aus dem Amt als Geschäftsführer aus. Seine Begeisterung für die Themen und seine Hartnäckigkeit zeichnen ihn aus. Als seine Nachfolgerin steht schon seit einem Jahr Petra Seebauer fest. cd VBV und LKZ: neue Wege im Alpentransit In einem Projek der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) und dem Logistik- Kompetenz Zentrum (LKZ) Prien wollen die beiden Partner neue Wege aufzeigen, wie der Güterverkehr entlang des Brenner-Korridors effizienter und umweltverträglicher abgewickelt werden kann.„Unerträglich“Nach Aussage von Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der VBW, beschäftigt der Brenner-Transit den VBW schon seit Jahren. „Denn dort stauen sich die politischen Probleme und in der Folge zunehmend auch die Lkw. Das ist insofern unerträglich, als dass die Brenner-Route eine Lebensader der europäischen Wirtschaft ist.“ In dem Projekt sollen Lösungsansätze für einen klimafreundlichen und nachhaltigen Güterverkehr am Brenner erarbeitet werden können. cd In Kürze Vor allem der Kombinierte Verkehr (KV) gilt als die Variante, mit der sich am ehesten Transporte auf die Schiene verlagern lassen. In Prien wurde über verschiedene Instrumente debattiert: über die Blockabfertigung als dirigistisches Instrument, über die Verpflichtung, dass alle Trailer kranbar sein sollten, und darüber, dass mehr Geld in die Schieneninfrastruktur fließen muss.