Interview: "Bundesregierung muss mehr tun"

Laut PWC-Umfrage denken immerhin 22 Prozent über Auslagerungen von Betriebsteilen aus Deutschland nach, 23 Prozent haben bereits ausgelagert. Lässt die Attraktivität des Schifffahrtsstandorts Deutschland trotz Tonnagesteuer nach? Ralf Nagel: Die Reedereien stehen aufgrund der seit Jahren schlechten Erlöslage und steigenden Betriebskosten unter einem brutalen Kostendruck. Sensible Bereiche für die Beschäftigung in Deutschland drohen von hier zu verschwinden. Deshalb muss die Bundesregierung mehr tun, vor allem um den Kostennachteil zwischen der Beschäftigung deutscher und ausländischer Seeleute auszugleichen. Andere Länder in Europa sind darin wesentlich besser. Laut der Umfrage glauben mehr als 80 Prozent der Befragten an eine kurzfristige Marktkonsolidierung bei den Reedern durch Fusionen oder Betriebsaufgaben. Deckt sich das mit Ihrer Einschätzung? Es gibt einen klaren Trend zur Zusammenarbeit. Dabei spielen Fusionen bislang eine untergeordnete Rolle. Viele Unternehmen kooperieren aber, um etwa ihre Schiffe besser am Markt platzieren oder Schmierstoffe und Ersatzteile preiswerter bestellen zu können. Von Insolvenzen ganzer Reedereien sind wir bisher überwiegend verschont geblieben, weil die deutschen Reeder langen Atem beim Navigieren durch die Krise bewiesen haben. Aber gerade um die kleinen Reedereien zukunftsfähig zu machen, muss der Konsolidierungsprozess weitergehen. Die befragten Reeder erwarten eine stärkere Zusammenarbeit mit internationalen Finanzierern und Investoren. Ist das in der Praxis bereits zu beobachten? In Deutschland haben sich wesentliche Institute und Anleger aus der Schiffsfinanzierung zurückgezogen. Deshalb müssen die deutschen Reedereien im Ausland nach Fremdkapital suchen - und sind dabei vermehrt erfolgreich. Wenn aber hinter den Geldgebern nicht nur ökonomische, sondern auch volkswirtschaftliche Interessen stehen, kann dies Einfluss auf die Bestell-Liste haben. Dabei stellt sich die Frage, ob die hochwertigen Komponenten wie etwa Maschine, Steuerung oder Rettungssysteme weiterhin überwiegend aus Deutschland kommen werden, wodurch die deutsche Seeschifffahrt bislang indirekt Hunderttausende Arbeitsplätze sichert.

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