Bessere Vorgaben

In weniger als 100 Tagen sind Bundestagswahlen. Wenn Sie neuer Kanzler wären, würden Sie Andreas Scheuer für eine weitere Amtszeit als Verkehrsminister nominieren? Olligschläger: Ich würde das nicht an der Person festmachen wollen. Wichtig ist, dass wir unabhängig von Personen frischen Schwung benötigen, jemanden, der die Logistikwelt versteht und die nötige Empathie für anstehenden Herausforderungen mitbringt. Das war bei Verkehrsminister Scheuer sicherlich der Fall. Würden Sie zustimmen? Quick: Ich widerspreche doch nicht meinem Hauptgeschäftsführer (Gelächter). Im Ernst, ich glaube, alle spüren, dass große Veränderungen im Gange sind. Selbstverständlich auch in der Verkehrspolitik. Das kann auch die Führung betreffen. Wir sind zunächst mal gespannt, wie die Wahlen ausgehen und wie dann die neue Konstellation in der Regierung aussieht. Ein Bundesverkehrsminister Özdemir oder Hofreiter würde Sie nicht abschrecken? Quick: Unabhängig davon, wer der nächste Verkehrsminister wird: Wir haben so viel zu stemmen, dass jeder, der das Amt bekleidet, das Machbare nicht aus den Augen verlieren darf - egal, wie seine politische Färbung aussieht. Die Einhaltung der Klimaschutzziele ist eine der größten Herausforderungen. Was muss passieren, damit das Güterverkehrsgewerbe grüner wird? Quick: Wir haben ja kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. Wir müssen dahin kommen, dass wir konkrete Minderungsziele auch für den Güterverkehr definieren. Dann muss der Weg aufgezeigt werden: Wie sollen wir dahin kommen? Mit welchen Antrieben? Woher kommt die dafür notwendige Energie? Technologieoffen heißt für die Unternehmen, dass alles kann und nichts muss - nur hilft das nicht bei Investitions-Entscheidungen, die heute getroffen werden müssen. Das gilt natürlich auch für die Energieversorgung in der Fläche. Olligschläger: Das Klima ist der härteste Verhandlungspartner, den wir jemals hatten. Aber die EU als oberste Instanz hat die Frage doch längst beantwortet: Die EU möchte E-Mobilität mit Fokus auf Wasserstoff. Olligschläger: Aber Herr Quick hat doch recht, dass noch in keiner Weise geklärt ist, wo die Energie herkommen soll. Und es geht hier ja um Fragen einer Branche, die ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft ist. Gravierende Störungen in der Lieferkette oder gar deren Ausfall können wir uns nicht leisten. Nur was hat die Politik bisher gemacht? Sie hat die Hersteller gefragt. Aber die Anwender und damit die Umsetzung sind bislang nicht oder nur sehr am Rande Teil des Spiels gewesen. Die Anwender sind jedoch zwingend nötig, wenn die Lkw in den Markt gebracht werden sollen. Quick: Ich wehre mich auch dagegen, dass der Güterverkehr immer wieder an den Pranger gestellt wird, weil er seine CO2-Ziele nicht erfüllt. Der Güterverkehr und wir als Verband, wir würden doch mit unseren Unternehmen gerne vorneweg gehen, wenn es machbar wäre. Wir haben auch Mitglieder, die bereits mit alternativen Antrieben vorangehen, siehe Aldi-Süd, Transgourmet, DHL, Mewa oder Edeka. Aber das sind meist nur vereinzelte Projekte und keine Anwendungen, die breit in der Fläche ausgerollt werden. Herr Quick, werden wir konkret: Nach welchen Kriterien würden Sie sich in Ihrem Unternehmen entscheiden, wenn es darum geht, eine Alternative zum Diesel zu finden? Quick: Da sind wir am Casus knacksus. Ich entscheide doch als Unternehmer nicht danach, ob der Hersteller A sagt: "Unsere Brennstoffzelle hat den Verbrauch x", und der Hersteller B sagt: "Meine Elektrobatterie ist langlebiger, damit lassen sich x Tageskilometer erreichen." Am Ende ist das Entscheidungskriterium ganz einfach: Kann ich vor Ort meine Fahrzeuge mit bezahlbarer Energie - welche auch immer - befüllen oder nicht? Da sind wir wieder bei der Energieversorgung in der Fläche. Und Fläche bedeutet in dem Fall ganz Europa, wenn ich international unterwegs bin. Ich finde, die Industrie beklagt sich ein Stück weit zu Recht, dass die Vorgaben so ungenau sind. Aber alle Nutzfahrzeughersteller favorisieren eine bestimmte Technik und fordern die Politik auf, ihre Technik maximal zu unterstützen, und behaupten, dann bekommen wir es schon hin. Quick: Man muss mit den Herstellern sprechen, aber auch mit den Energieversorgern, den Shells, den BPs und den neuen Playern mit H2. Und dann muss man die Anwender ins Boot holen. Olligschläger: Zur Wahrheit gehört auch, dass die Umstellung nicht ohne Schmerzen erfolgen wird. Die Kosten werden steigen. Wenn ich von Diesel auf welche Technik auch immer umsteige, habe ich teilweise einen drei- bis vierfachen höheren Kostenfaktor. Wenn ich die Umstellung nur national mache, hat das gravierende Folgen. Dann sehen wir hierzulande noch mehr osteuropäische Kennzeichen, weil deren Flotten zunächst weiter mit dem günstigen Verbrenner fahren werden. Wird es aber EU-weit gemacht, stellen sich neue Fragen nach den Kosten, nach Kompromissen, vor allem nach dem Tempo der Umstellung und damit der Einsparung von Emissionen. Welche Antriebstechnik wird sich aus Ihrer Sicht durchsetzen? Olligschläger: Soll ich da den Bundesverkehrsminister zitieren? Das ist Teil der Eine-Million-Dollar-Frage. Wir gehen davon aus, dass sich nicht die eine Antriebstechnologie durchsetzen wird. Die Hersteller wollen nun ihr jeweiliges Nachfolgeprodukt mit gleichem Erfolg wie bisher beim Diesel auf den Markt bringen. Die Politik unterstützt diese Fächerstrategie. Was wir brauchen, ist einen schnellen Markthochlauf der klimafreundlichen Nutzfahrzeuge und der dazugehörigen Infrastruktur. Ob das angekündigte Förderprogramm die erheblich höheren Investitionskosten von Batterie- und H2-Lkw abfedern kann, wird sich zeigen. Interessant ist die Situation beim Gas-Lkw: Er wird in der Fortsetzung des Förderprogramms "Erneuerbare Nutzfahrzeuge" weiterhin gefördert. Daimler und Volvo favorisieren die Brennstoffzelle. VW mit Scania und MAN setzt auf die Batterie-Elektrik. Dann warten wir einfach mal ab, wer sich durchsetzt, oder? Quick: Ja. Wir werden nicht zu entscheiden haben, sondern müssen das nehmen, was angeboten wird. Aber der Güterverkehr findet nicht nur auf der Straße statt, sondern auch mit anderen Verkehrsträgern. Unsere Mitglieder haben die im Blick. Wir werden an dem Modal Split arbeiten müssen. Doch auch hier gilt: Es kann nicht sein, dass der Nachfrager nur über die Kosten in einen anderen Verkehrsträger gezwungen oder mit Verboten und Geboten seitens der Politik agiert wird. DB Cargo ist in der Öffentlichkeit sehr aktiv. Wenn sogar Eisenbahnverbände davon sprechen, dass sie erhebliche Beeinträchtigungen und wirtschaftliche Schäden für ihre Kunden vermindern wollen, dann passt das zu dem, was ich immer wieder höre: Transporte mit der Bahn können sehr, sehr schwierig sein, vorsichtig formuliert. Sind Ihre Unternehmen tatsächlich am Güterverkehr per Bahn interessiert oder ist das nur ein vorgeschobenes Feigenblatt? Quick: Unsere Unternehmen haben ein großes Interesse am Schienengüterverkehr. Es gibt auch einige Beispiele, an denen man erkennt, dass man vorwärtskommen kann. Aber häufig ist es mühselig. Da ist es mir auch zu einfach, wenn die Politik sagt, wir haben jetzt 19 Prozent Bahnanteil im Modal Split und am Ende der nächsten Legislaturperiode erwarten wir 25 Prozent. Das kann ich nicht befehlen. Große Beachtung findet derzeit das EU-Mobilitätspaket. Ist das Paket die richtige Entscheidung gewesen? Olligschläger: Ich kenne kaum jemanden, der daran etwas zu mäkeln hat. Aber wir brauchen eigentlich nicht mehr Regeln, sondern eine bessere Kontrolle. Da sind wir bei der Digitalisierung, beim Smart Tacho, bei der Frage der Kabotage. Jüngst hat der Präsident des Bundesamts für Güterverkehr (BAG), Andreas Marquardt, sich ja dazu geäußert, dass er jetzt mehr Kontrollpersonal und bessere Fahrzeuge bekommt. Und offenbar funktioniert nun auch das lang angekündigte Kontrollieren im Vorbeifahren. Quick: Das Mobilitätspaket ist ein riesiger und guter Schritt in die richtige Richtung. Wie immer bei einem sehr ambitionierten Paket wird die Umsetzung noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Und wir müssen schon auch die Frage stellen: Reicht das aus, um die Auswüchse einzudämmen? Doch bei aller Vorsicht muss man auch; loben: Meiner Beobachtung nach ist es das erste Mal, dass die Osteuropäer von West-, Süd- und Nordeuropa überstimmt wurden. Dass gesagt wurde: So wollen wir nicht weiter Güterverkehr in Europa organisieren. Maßnahmen aus dem Mobilitätspaket wie die Rückkehr der Lkw und Fahrer in ihr Heimatland führen zu steigenden Kosten. Was antworten Sie Mitgliedsunternehmen, die kein Verständnis dafür zeigen, dass Sie als Verbandsführung Maßnahmen befürworten, die den Güterverkehr verteuern? Quick: Dass es sehr kurzsichtig wäre, nur immer auf den günstigsten Transporteur mit den Mir-egal-Bedingungen zu setzen. Unsere Mitglieder haben ein Interesse daran, dass Wirtschaftsverkehr zu fairen sozialen Bedingungen erfolgt. Daher ist so eine Diskussion absolut aus der Zeit gefallen. Die führt bei uns auch keiner. Aber wenn Frachteneinkäufer vor der Wahl stehen, den günstigen Osteuropäer oder den teureren Deutschen oder Westeuropäer, werden sich einige für die günstigere Alternative entscheiden. Quick: Ja, natürlich, so etwas gibt es. Sonst würde es nicht die großen Flotten in Osteuropa geben. Aber da müssen wir unterscheiden zwischen dem Transport von A nach B oder Leistungen wie bei uns im Werkverkehr, wo wir häufig ganz andere Anforderungen haben und der Transport nur ein Teil der Leistungserstellung ist. Deshalb führen diese Debatte zumindest unsere Mitglieder nicht. Ganz im Gegenteil, wir denken darüber nach, wo wir das Fahrpersonal der Zukunft herbekommen. Wie können wir diese Engpässe, die ja mit der Demografie gewaltig und immer heftiger auf uns zukommen, beseitigen? Jedes Jahr gehen fünf Prozent mehr Fahrer aus dem Markt in Rente oder Berufsunfähigkeit, als wieder neu nachgekommen. Wir bewegen uns auf Zustände zu wie im Profisport mit Antrittsgeldern und Abwerbegebühren und sonstigen Zusatzvergünstigungen. Olligschläger: Der Wettbewerb im Transportmarkt ist ohne Frage intensiv, teilweise ruinös. Skaleneffekte gereichen großen Anbietern zum Marktvorteil und bei vergleichbaren Standarddienstleistungen entscheidet der Preis. Da spielt sicher auch die Zerstückelung des Marktes eine Rolle. Quick: In diesem Zusammenhang ist es spannend, wie sich der Markt unter diesem immensen Kostendruck, resultierend auch aus den Klimaschutz-Anforderungen, weiterentwickelt. Heute ist Transport ja überwiegend ein mittelständisches Geschäft. Die Frage ist, ob es durch autonomes Fahren, durch alternative teurere Antriebe nicht in Richtung Großkapital, in Richtung Großindustrie geht, bei denen dann sogar Bankenkonsortien als Finanzierer eine wichtige Rolle spielen könnten. Welche Konsequenzen haben solche Entwicklungen für die BWVL-Mitglieder: Mehr Insourcing, um sich Fahrer zu sichern und dem Fahrermangel auszuweichen? Quick: Es hängt von der Leistung ab. Bei austauschbaren Transportleistungen wird es sicher kein Insourcing geben. Aber sobald ich in eine Spezialisierung komme, wird es schwierig, diese Leistung bei Dienstleistern einzukaufen. Es sei denn, sie haben sich genauso darauf spezialisiert. Olligschläger: Man darf nicht vergessen, dass die Lohnstruktur bei unseren Mitgliedern anders ist als im Transportgewerbe. Bei vielen gilt der Industrietarif. Die Fahrer sind auch schon lange im Unternehmen. Da ist die Wechselbereitschaft nicht so ausgeprägt. Zudem sind die sozialen Rahmenbedingungen häufig akzeptabel und viele Fahrer sind am Abend auch wieder zu Hause. Was kann der BWVL dazu beitragen, das Fahrermangelproblem abzumildern? Quick: Wir fordern bei der Politik bessere Rahmenbedingungen ein. Ein Stichwort sind die zu wenigen Parkplätze an den Autobahnen und Bundesstraßen und die teilweise miserablen Zustände der Raststätten - ein Riesenversäumnis der letzten 20 Jahre. Als Verband haben wir nur bedingt Möglichkeiten, das Problem des Fahrermangels zu lösen. Gegen die Demografie ankämpfen muss man letztlich im Unternehmen, über Ausbildung, über gute Rahmenbedingungen, damit Fahrer nicht in andere Branchen abwandern. Gemeinsam können wir weiter mit den Mitgliedern, der Politik und den Lkw-Herstellern für ein besseres Image sorgen. Hinzu kommt, dass wir kaum noch Bewerber für Ausbildungsplätze haben. Das sind ja die Fachkräfte von morgen. Und da droht uns schon direkt das nächste große Problem. Olligschläger: Das neue Förderprogramm für die Schaffung und Verbesserung privater Lkw-Parkplätze ist da sicherlich ein richtiger Schritt, leider begrenzt auf drei Kilometer um die Autobahn. Das ist einfach nur schade, das Potenzial für mehr wäre seitens der Unternehmen sicherlich da. Mehr zum Thema finden Sie unter #BWVL www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Auf die Transportbranche und damit auch auf den BWVL (Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik) warten in den kommenden Monaten wichtige Aufgaben. Warum die Führungsspitze des BWVL, Jochen Quick und Markus Olligschläger, ein besseres Miteinander der Akteure zur Erreichung der Klimaziele fordert und sie das Mobilitätspaket für einen wichtigen Schritt in die Zukunft hält. Vita Jochen Quick (l.) ist auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des BWVL wieder zum Präsidenten gewählt worden. Bereits seit 2012 hat er das Amt inne. Der 52-Jährige ist Inhaber und Geschäftsführer des Baustoffhandels Quick GmbH in Buchholz. Mit 50 Mitarbeitern und 25 Lkw bietet das Unternehmen auch speditionelle Dienstleistungen an. Markus Olligschläger ist seit 2020 Hauptgeschäftsführer des BWVL. Zuvor war der 57-jährige Wirtschaftsjurist beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) und bei der Vereinigung der Kraftwagenspediteure (VKS) tätig.

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