Bericht aus Brüssel

Bericht aus Brüssel Die Auferstehung des Grenzstaus Die angekündigten Grenzkontrollen an den dänischen Außengrenzen erschüttern das politische Brüssel. Die EU-Kommission sieht durch das beschädigte Schengener Abkommen den europäischen Binnenmarkt in Gefahr. Die Warnung fiel deutlich aus: Dänemarks Entscheidung, an seinen Grenzübergängen wieder Kontrollen einzuführen, verstoße gegen europäisches Recht, stellte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einem Schreiben an die Kopenhagener Regierung fest. Sie stelle das reibungslose Funktionieren von Europas Binnenmarkt und der Vorteile, die dieser für Unternehmen und Bürger bringe, infrage, heißt es in dem Schreiben, das mit einer indirekten Androhung juris-tischer Schritte endet. Neue Schlagbäume und Kontrollen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten der EU und die damit unvermeidlich verbundenen Staus und Verzögerungen – das ist ein Bild, das Brüssel auf keinen Fall hinnehmen will. Schließlich ist das sogenannte Schengener Abkommen, mit dem 1985 die Grenzen in Europa geöffnet wurden, in den Augen der meisten Bürger eine der wichtigsten Erfolgsgeschichten der europäischen Einigung. Doch dieser Erfolg droht nicht nur wegen des dänischen Alleinganges in Gefahr zu geraten: Angesichts der Flüchtlingsströme aus Nordafrika hatten zuvor bereits Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach neuen Regeln gerufen, die es ihnen erleichtern, in Sonderfällen wieder Kontrollen an den Grenzen einzuführen. Für den Fall einer „schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ gibt es solche Regeln bereits. In der Vergangenheit wurden sie in erster Linie bei sportlichen Großereignissen genutzt, um die Einreise von Hooligans zu verhindern. Dänemark beruft sich auf diese Regeln und die Gefahr, die von „Kriminellen aus anderen EU-Ländern und illegalen Wirtschaftsflüchtlingen“ ausgehe. Doch dafür, so jedenfalls sieht es Brüssel, sind diese Regeln gerade nicht gemacht. Kein extremer Migrationsdruck Man könne nicht von einem „extremen Migrationsdruck“ sprechen, wenn in einem Land wie Italien mit 60 Millionen Einwohnern 25.000 Tunesier ankommen, hatte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmstrom zuvor bereits die Klagen aus Rom zurückgewiesen. Wegen der italienischen Drohung, angesichts der mangelnden Aufnahmebereitschaft anderer EU-Staaten die Flüchtlinge einfach mit Aufenthaltsgenehmigungen für den gesamten Schengen-Raum auszustatten, hatte Frankreich als bevorzugtes Ziel der Nordafrikaner nach Kontrollen an den Grenzen gerufen. Malmstrom ließ zuletzt vorsichtige Bereitschaft zu Änderungen, die „sehr begrenzte Grenzkontrollen“ in solchen Fällen ermöglichen würden, erkennen. Im Gegenzug will die EU-Kommission allerdings mehr Einfluss in diesem Bereich bekommen. Weil es sich bei Schengen um ein zwischen den Regierungen geschlossenes Abkommen handelt, auf das die Institutionen der EU nur geringen Einfluss haben, liegen die Entscheidungen über das, was an den Grenzen passiert, in erster Linie bei den Mitgliedstaaten, die Brüssel lediglich informieren müssen. ❙❚■ Tobias Freudenberg, VR-Korrespondent in Brüssel In Dänemark werden die Grenzen wieder strenger kontrolliert Ein Vertrag hat den kleinen Luxemburger Winzerort am Dreiländereck mit Deutschland und Frankreich berühmt gemacht: 1985 vereinbarten dort fünf Länder die Abschaffung der Kontrollen an ihren Grenzen. Heute gehören dem „Schengen-Raum“ 28 Staaten an: alle EU-Länder außer Großbritannien und Irland sowie die Schweiz, Norwegen und Island. Zum Ausgleich für den Wegfall der internen Kontrollen wurde der Schutz der Außengrenzen verstärkt, mit „Frontex“ hat die EU inzwischen eine gemeinsame Grenzschutzagentur geschaffen. Außerdem wurde mit dem Schengen-Informationssystem (SIS) ein elektronischer Fahndungsverbund geschaffen. tof

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