Bericht aus Brüssel

Bericht aus BrüsselLKW-Fahrer machen mobilUnter dem Slogan „Respekt für Berufsfahrer“ hat die Europäische Transportarbeitergewerkschaft ETF eine Kampagne für die Einhaltung der Rechte von LKW-Fahrern gestartet. Eine aktuelle Umfrage der ETF zeigt die Missstände der Fahrer auf.Brüssel hat schon einmal heftiger gebebt: Nur 15 LKW und 750 Demonstranten sind es, die für ein paar Stunden etwas Unruhe ins Europaviertel bringen. Aus neun europäischen Ländern kommen sie und wollen unter dem Dach der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft ETF auf die miserablen Zustände für LKW-Fahrer in Europa aufmerksam machen. Ähnlich, wie es vor gut zwei Wochen schon einmal gut 500 Fahrer mit einer Bummelfahrt nach Brüssel getan haben. „Heute sind wir 750. Aber wenn es um die Liberalisierung der Kabotage in der EU gehen wird, werden wir 5000 sein“, kündigt Cristina Tilling, bei ETF für den Straßengütertransport zuständig, auf der Schlusskundgebung vor dem Hauptgebäude der EU-Kommission kämpferisch an. Auf lange Sicht Missstände aufdeckenBei ETF legt man den Protest also langfristig an. Von der relativ geringen Zahl der Demonstranten, die aber immerhin aus neun verschiedenen Ländern kommen, lassen sich die Fahrer genauso wenig entmutigen, wie von der Weigerung von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas und seinen Mitarbeitern, eine ETF-Delegation zu empfangen. Tilling und ihre Mitstreiter sind der festen Überzeugung wiederzukommen. In der Zwischenzeit sollen Entscheidungsträger der EU, bei nationalen und regionalen Regierungen, in Wirtschaft und Gesellschaft, gezielt und regelmäßig auf die Missstände aufmerksam gemacht werden, unter denen LKW-Berufsfahrer in der EU leiden. Welche das unter anderem sind, hat ETF in einer knapp 30-seitigen Broschüre mit dem Titel „Moderne Sklaverei im modernen Europa?“ zusammengestellt. Sie gibt Einblick in den Alltag von LKW-Berufsfahrern in Europa. Die Broschüre fasst die Ergebnisse von gut 1000 Gesprächen mit Fahrern zusammen, die ETF mit Unterstützung von Mitgliedsverbänden aus Dänemark, Belgien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Polen zwischen 2008 und 2012 geführt hat. Der Befund ist „in höchstem Grade alarmierend für den Sektor und für ein soziales Europa“, wie es ETF selbst bewertet. Dumping-Löhne, gerade für ausländische Fahrer, zweifelhafte Anwerbepraktiken durch Firmen im Ausland, unmögliche Arbeitsbedingungen für Fahrer jeglicher Nationalität – all das sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Für einen Berufsstand, der bald mit massiven Nachwuchsproblemen zu kämpfen habe, kein guter Befund. Erschreckend sei vor allem die Illegalität, in der das alles passiere. „Gesetze werden erlassen, aber nicht ordnungsgemäß durchgesetzt“, so Tilling. In einem Zehn-Punkte-Manifest fordert ETF deshalb vor allem die Anwendung der bestehenden Regelungen. Welchen Erfolg die Protestaktion haben wird, ist offen. Beim Auftakt in Brüssel konnte immerhin der Zuspruch einiger EU-Abgeordneter gewonnen werden. Doch grundsätzlich stehen auf EU-Ebene zurzeit andere Verkehrsthemen im Fokus der Entscheidungsträger. Und letztlich sind die Politiker und EU-Beamten weit entfernt von der Realität, die sich auf den Straßen und bei den Unternehmen abspielt. ❙❚■ Kay Wagner, VR-Korrespondent in BrüsselLKW-Fahrer protestieren in Brüssel vor dem Hauptgebäude der EU-KommissionGut 1000 LKW-Fahrer wurden im Auftrag der ETF zur ihrem Berufsalltag befragt:100 % verbringen Ruhezeiten meist auf Parkplätzen ohne vernünftige sanitäre Einrichtungen95 % erhalten kein Geld, wenn sie Urlaub machen, obwohl es in den Verträgen anders steht 80 % werden für Be- und Entladen nicht bezahlt, obwohl diese Tätigkeit gesetzlich zur Arbeitszeit gehört80 % empfinden Müdigkeit als ein Problem, schweigen aber darüber aus Angst, ihren Job zu verlieren.80 % kochen und essen täglich in ihren Fahrzeugen60 % werden pro gefahrenen Kilometer bezahlt. Der übliche Lohn ist 10 Euro pro 100 Kilometer60 % können die vorgeschriebene Pause von 45 Minuten nach 4,5 Stunden Fahrt aus Zeitgründen nicht einhalten

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