Bericht aus Berlin: Es scheitert nicht am Geld

Gut Ding will Weile haben. Vielleicht orientiert sich Volker Wissing ja an diesem Leitspruch. Seit Dezember ist er Bundesverkehrsminister. Viel mehr als "mehr Tempo bei der Digitalisierung des Landes" war bislang nicht von ihm zu vernehmen. Jetzt aber kommt der erste Paukenschlag von ihm, der auch für Nachhall in der Transport- und Logistikbranche sorgen dürfte. Von 200 auf 400 Sanierungen pro Jahr Wissing hat sich die Brücken auf Autobahnen und Bundesstraßen vorgeknöpft. "Wir wollen die Brückenmodernisierung deutlich beschleunigen", kündigte er anlässlich eines Brückengipfels Mitte März an. Dort hatte Wissing ein Papier mit dem Titel "Zukunftspaket leistungsfähige Autobahnbrücken" vorgestellt. Teil der Analyse ist eine ernüchternde Bestandsaufnahme. Von den 4000 Brückenbauwerken, die laut Wissing modernisierungsbedürftig sind, sind 1300 Bauwerke in Bearbeitung. Etwa 2700 Bauwerke müssen noch neu angegangen werden. Der Minister will das Tempo der Sanierung erhöhen, und zwar spürbar. "Wir wollen die Sanierung von Brücken von derzeit 200 pro Jahr auf 400 steigern", kündigte er an. Dann sollen in weniger als zehn Jahren alle 4000 bedürftigen Brücken verstärkt oder erneuert sein. Wie eklatant die Folgen von Brückensperrungen sind, verdeutlicht das momentan womöglich prominenteste Beispiel: die Sperrung der Talbrücke Rahmede auf der Autobahn A 45 bei Lüdenscheid. Die kostet den Unternehmen der Transportwirtschaft richtig Geld, wie eine Umfrage des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (VVWL) unter seinen Mitgliedern mit Schwerpunkt Südwestfalen ergeben hat. Durch die Sperrung der Talbrücke entstehen durchschnittlich monatliche Zusatzkosten von 31.185 Euro. Die Einzelfahrt pro Lkw verlängert sich aufgrund der Umwege um durchschnittlich 67 Minuten. Das von Wissing jetzt vorgeschlagene Zukunftspaket beinhaltet neun Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem eine umfassende Bewertung der Brücken. Hier kommt ein neues Kriterium zur Anwendung: der Traglastindex. "Damit wird das Innere der Brücke bewertet", sagte Wissing. So sollen die strukturellen Eigenschaften eines Tragwerks berücksichtigt werden. Zugleich soll in dem Indikator auch die Bedeutung der Brücke für das regionale Netz einfließen. Wissing will auch die finanziellen Mittel erhöhen von derzeit 4,5 Milliarden Euro per anno schrittweise auf 5,7 Milliarden im Jahr 2026. Doch Wissing selber sagt: "Es scheitert weniger am Geld, das Problem ist die zu langsame Planung." Mit mehr Digitalisierung bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren und der Einführung des Building Information Modeling (BIM) sollen die Abläufe beschleunigt werden. Aber auch die Ausschreibungs- und Vergabeverfahren sollen gestrafft werden. Bauindustrie nennt Bedingungen Ein ehrgeiziges Vorhaben. Sind das nur schöne Pläne seitens der Politik, die mit der Realität wenig zu tun haben? Vor allem die Bauindustrie muss da mitspielen. "Es ist eine Mammutaufgabe, die da vor uns liegt", sagt René Hagemann-Miksits, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, gegenüber der VerkehrsRundschau. Seiner Ansicht nach müssen dazu verschiedene Bedingungen erfüllt werden: "Es müssen entsprechende Investitionen fest eingeplant werden. Die dürfen auch nicht an anderer Stelle gestrichen werden, sodass wir die Brücken ertüchtigen, aber bei den Zufahrtsstraßen dann sparen." Zudem plädiert er für Veränderungen bei den Ausschreibungen. Die Bauunternehmen sollten früher eingebunden werden, um vorhandenes Knowhow der Praxis frühzeitig und so effizient wie möglich einzusetzen. Das würde die Planungs- und Bauphase verkürzen. Auch die Kapazitäten in der Bauindustrie selbst sind nicht unbegrenzt. "Wir brauchen im Vorfeld einen Fahrplan. Dann können wir Kapazitäten einplanen und steuern nicht in einen Engpass. Auch das erreichen wir, indem wir frühzeitig eingebunden werden", so die Forderung von Hagemann-Miksits. Er befürwortet den Ansatz des Ministeriums, die Prozesse digitaler zu gestalten: "Damit können wir effizienter arbeiten und die Produktivität erhöhen." Sein Wunsch an alle Beteiligten: Jetzt sollten die Akteure die Vorschläge auch umsetzen. "Wir haben ja kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem", so der Verbandsexperte. Lkw sollen stärker kontrolliert werden Damit die Brücken aber nicht wieder stärker in Mitleidenschaft gezogen werden, kündigte Wissing auch an, künftig stärker zu kontrollieren, dass die Lkw die Gewichtseinschränkungen einhalten. "Die derzeitige Wiegeinfrastruktur ist nicht in Ordnung", bemängelte Wissing. Das werde er verbessern. Mehr zum Thema unter #Verkehrsinfrastruktur www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Bundesverkehrsminister Volker Wissing will das Tempo bei der Sanierung von Brücken deutlich erhöhen. Statt bislang 200 Sanierungen pro Jahr sollen künftig 400 Brücken per anno instand gesetzt werden. Dafür stellt Wissing auch mehr Geld bereit. Doch gibt es überhaupt genügend Baukapazitäten?

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