Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin Gegen das Blei an den Schwingen Die Luftverkehrsbranche will sich bei der neuen Regierung Gehör verschaffen und keine weiteren Einschränkungen bei Nachtflügen hinnehmen – ganz im Gegenteil. Die Vertreter der Luftverkehrsbranche wollen den Start der großen Koalition nutzen, um das geplante nationale Luftverkehrskonzept in ihrem Sinne zu beeinflussen. Im Vordergrund stehen eine Erweiterung der Nachtflüge, der Verzicht auf die umstrittene Luftverkehrsabgabe für Airlines und eine Aussetzung des EU-Emissionshandels bis 2020. Mindestanzahl von Nachtflügen Um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können, benötige Deutschland eine gewisse Anzahl von Flughäfen, an denen nachts gestartet und gelandet werden könne, heißt es in dem Forderungskatalog des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), den Verbandspräsident Klaus-Peter Siegloch zusammen mit der Lufthansa und dem Frankfurter Flughafen präsentiert hat. Dabei sei aber zwischen Passagier- und Frachtflügen zu unterscheiden. „An den expliziten Frachtflughäfen Köln/Bonn und Leipzig sind Nachtflüge unverzichtbar, da ansonsten das Geschäftsmodell der dort angesiedelten Cargo-Airlines nicht mehr funktioniert.“ Schwieriger gestalte sich die Sache bei den großen Passagierflughäfen wie etwa Frankfurt, da es dort bereits strikte und höchstrichterlich abgesegnete Verbote gebe. Deshalb forderte der BDL, die Betriebsbeschränkungen zumindest nicht auszuweiten. Jüngstes Beispiel ist Frankfurt: Die am vergangenen Wochenende vom Landtag gewählte neue schwarz-grüne Regierung in Hessen hat beschlossen, neben dem absoluten Verbot von Flügen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr den Flugbetrieb weiter zu beschränken, um die Lärmbelastung der Anwohner zu verringern. Der Chef des Flughafenbetreibers Fraport, Stefan Schulte, warnte vor weiteren Betriebseinschränkungen in Frankfurt. Sollte es weitere Einschränkungen geben, gingen dadurch bis zu 30 Prozent der örtlichen Arbeitsplätze verloren, warnte der Vorstandschef. Das mit Abstand größte Luftverkehrskreuz in Deutschland biete 80.000 Beschäftigten einen Job, ob beim Flughafen, bei Zulieferbetrieben, Frachtunternehmen oder anderen Dienstleistern. Grüne: Kampfansage an Bevölkerung Der Grünen-Landesverband reagierte prompt. Die Forderungen der Branche seien eine „Kampfansage an die vom Fluglärm geplagte Bevölkerung“, empörte sich deren Flughafenexperte Frank Kaufmann. Das BDL-Papier stützt sich auf Empfehlungen der vom ehemaligen hessischen Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) geleiteten Kommission (siehe Kasten) Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, ein nationales Luftverkehrskonzept aufzustellen, um den Luftverkehr vor übermäßigen Belastungen zu schützen. „Wir streben ergänzend zum neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 eine stärkere Rolle des Bundes bei der Planung eines deutschlandweiten Flughafennetzes an“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD. Das Bundesverkehrsministerium reagierte positiv auf den Vorstoß der Luftverkehrsbranche, ohne aber konkret zu werden. „Das ist für uns ein wichtiges Papier, das einfließen wird in die geplanten Arbeiten an einem Luftverkehrskonzept“, sagte eine Sprecherin. Der für die Verkehrspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Sören Bartol zeigte sich offen für die Branchenforderungen. Der Bund solle sich mit den Ländern auf ein Netz von Flughäfen mit nationaler Bedeutung verständigen. Dem müsse man auch bei den Betriebszeiten Rechnung tragen. Der Verkehrsexperte von Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn, pochte dagegen auf einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Die Posch-Kommission Unter Leitung des ehemaligen hessischen Wirtschaftsministers Dieter Posch (FDP)haben Vertreter des Bundes und der Länder, der Wirtschaft sowie des Umweltbundesamtes im Oktober vergangenen Jahres Empfehlungen vorgelegt. Gefordert wird ein Luftverkehrskonzept, das „in Balance mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belangen die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland“ sichert. Bund und Länder sollen stärker zusammenarbeiten. Sie sollten insbesondere festlegen, welche Flughäfen von besonderer nationaler Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland sind. jök

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