Begierde wecken

Design wird auch im Nutzfahrzeugbereich wichtiger. Wie wichtig, zeigt sich auch an Daimlers Lkw-Designzentren rund um den Globus. Hier steht es 6:6 für Pkw und Lkw. Denn im Gegensatz zu den weltweit praktisch identischen Pkw erhalten Freightliner und Western Star in Portland, Fuso und Bharat Benz in Kawasaki und Chennai teils komplett eigene Kabinen. Und ein Team in Sao Paulo passt Atego, Actros MP3 und Co. an südamerikanische Vorlieben an. Begehrlichkeit soll gesteigert werden Trotzdem haben die Nutzfahrzeuge im Bereich "Begehrlichkeit" noch etwas Luft nach oben. Denn das "Haben wollen", das Martin Bremer, der das Corporate Design verantwortet, für die Luxusmarke Mercedes-Benz proklamiert, kann er anderswo leichter umsetzen. Weil dort viel mehr Geld vorhanden ist. Beispielsweise bei der Produktkommunikation und exklusiven externen Aufträgen wie der Leuchte Ameluna für Artemide oder der Sportyacht Arrow 460 für Silver Arrows Marine, von denen eine rund 2,5 Millionen Euro kostet. Außerdem entwirft man edle Interieurs für die Business-Version des Airbus A 320 Neo oder den Airbus-Hubschrauber H145. Auch Apartments in London und Singapur hat Daimler gestaltet. Und die Bühne für die Hauptversammlung natürlich. Wenn Vorstand Dieter Zetsche dann sagt: "Ja, das ist es, hier fühle ich mich ganz bei Mercedes-Benz!", geht das Bremer runter wie Öl. Überhaupt änderte Zetsche die Unternehmenskultur erheblich. Streng getrennte Designabteilungen von Pkw, Lkw und Transporter schaffte der Vorstandsvorsitzende mit dem markanten Schnauzer ab. Davon profitierten die Nutzfahrzeuge. Denn die Premium-Ausrichtung des Gesamtkonzerns und die Zusammenarbeit heben trotz starken Kostendrucks die Gestaltungs- und Materialqualität der Lkw und Transporter, die zudem von den Gleichteilen mit den Pkw profitieren. Beispiele dafür sind die Automatikwählhebel und einige Taster in Vito und V-Klasse, die so auch in den teuren Limousinen verbaut sind, oder die teils alubedampften Taster in den schweren Lkw-Baureihen. Als Leuchtturmprojekt in Sachen Digitalisierung sieht man aktuell aber den "Vision Van". Er zeigt, wo die Reise beim neuen Sprinter respektive dem KEP-Dienst 2025 hingehen soll: Dann liefert man autonom, emissionsfrei und in ständiger Kommunikation mit der Umwelt. Komplette Zukunft digital Womit wir bei der "Digitalisierungsgruppe" von Klaus Frenzel wären, die schon mal eine komplett virtuelle Welt samt autonomen Fahrzeugen programmiert hat. Also: Virtual-Reality-Brille aufsetzen, den nötigen Rucksack dazu umschnallen und Daimlers Zukunftsstadt betreten. Aus dem Büro wird eine Einkaufsstraße und von rechts fährt autonom die Studie F015 heran. Immerhin "erkennt" sie mich und hält an. Denn in der virtuellen Stadt stehe ich plötzlich mitten auf einem Zebrastreifen und dem Auto damit im Weg. Doch intelligent und freundlich wie es ist, fordert es mich auf, den Zebrastreifen doch zu überqueren. Dann gibt mir Nguyen Ngoc Duong, Digital Advanced Designer, was so viel bedeutet wie "digitaler Vordenker", einen Controller in die Hand, mit dem ich das Auto auf Knopfdruck autonom einparken und mit einem weiteren Knopfdruck autonom vorfahren lassen kann. Das könnte man gern für den nächsten Actros umsetzen! Auf Knopfdruck rangiert er sauber an die Rampe und danach fahren wir autonom durch das Stopand-go der Stadt! Mit viel Platz innen, da wir nur noch zwei Screens überwachen müssen. Womit wir im Interieur angekommen sind, über das in letzter Instanz Hartmut Sinkwitz wacht. Der prophezeit, dass die Fahrzeuginnenräume sich durch die Digitalisierung in den kommenden 15 Jahren stärker wandeln werden als in den vergangenen 50 Jahren. Kai Sieber, offiziell Leiter "Design Brands&Operations" stimmt zu und hofft noch einige Bauteile verkleinern zu können, um so mehr Platz in den Kabinen zu schaffen. Die Männer für das Extreme Hier muss er sich allerdings mit dem Advanced-Team um Steffen Köhl auseinandersetzen. Das denkt über Jahrzehnte voraus und entwirft mit teils ungewöhnlichen Mitteln Szenarien für die Zukunft - teils wilde Showcars, die entweder extrem elegant oder extrem aerodynamisch sein sollen. Trotzdem geht von hier manches in Serie: Da wären die Kühlerlamellen zur Verbesserung der Aerodynamik oder verstellbare Flaps zu nennen, die laut Köhl auch beim Pkw (zumindest im Frontbereich) "auf jeden Fall kommen werden". Damit spricht er indirekt auch für die Flaps am Trailerheck, die dafür sorgen, dass die laminare Strömung länger erhalten bleibt und das "Unterdruck erzeugende Totwassergebiet" am Heck erst möglichst spät einsetzt. Womit Pkw- und Lkw-Kollegen die gleichen Themen bearbeiten. Wäre jetzt interessant, wie Köhl und sein Team die Begehrlichkeit für Sprinter, Actros und Co. erhöhen würden - wenn es im Nutzfahrzeuggeschäft nicht immer diesen Kostendruck gebe. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Mercedes-Benz www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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