Duisburg. „Die Bundesregierung beschwört das Chaos im Güterverkehr herauf“, schlägt der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) Alarm. Denn entgegen aller warnenden Hinweise der Transport- und Logistikverbände, werde nun auch der Güterverkehr in der neuen Musterverordnung für den Coronaschutz unter den Vorbehalt eines maximal 72-stündigen Aufenthaltes in einem Risikogebiet gestellt.
Sprich: nur bei Aufenthalten von weniger als 72 Stunden und bei Einhaltung angemessener Schutz- und Hygienekonzepte seien Personen, die beruflich bedingt grenzüberschreitend Personen, Waren oder Güter auf der Straße, der Schiene, per Schiff oder per Flugzeug transportieren, von der Quarantänepflicht befreit. So heißt es in dem neuen Verordnungstext, der nun von den Bundesländern übernommen werden soll, und der von dem BDB kritisiert wird.
Dringender Appell an die Bundesländer
Eigenen Angaben zufolge hatte sich der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt deshalb Anfang Oktober an das federführende Bundesinnenministerium gewandt und auf die Unsinnigkeit dieser Regelung und die teilweise dramatischen Konsequenzen für den Gütertransport per Binnenschiff hingewiesen. Zusätzlich habe der BDB, teilt BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen mit, alle 16 Verkehrsminister der Länder schriftlich angeschrieben, um ihnen die Sicht und Folgen der 72-Stunden-Regel für die Güterschifffahrt inhaltlich ausführlicher darzulegen. Auch die EU-Kommission und die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) habe er mittlerweile eingeschaltet. Bislang würden aber keine Reaktionen vorliegen.
BDB-Präsident Martin Staats (MSG) mahnt deshalb nochmals: „Wir richten den dringenden Appell an die Bundesländer, diesen Unfug unter keinen Umständen in ihre Quarantäneschutzverordnungen zu übernehmen. Bei allem Verständnis für das Bemühen der Regierung, die Bevölkerung vor dem Coronavirus zu schützen.“
Verstoß gegen Vereinbarungen zum europäischen Green-lane-Verfahren
Dem BDP-Präsidenten zufolge sei die Regelung für den Güterverkehr fern jeglicher Praxis. Binnenschiffe seien regelmäßig länger als 72 Stunden in Nachbarländern wie etwa den Niederlanden oder Belgien unterwegs. Allein die Wartezeit der Containerbinnenschifffahrt an den Seehafen-Terminals in Rotterdam und Antwerpen betrage zurzeit drei bis vier Tage, führt Staats aus. „Würde diese Regelung von den Bundesländern übernommen und konsequent umgesetzt“, warnt Staats, „käme der Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland binnen kürzester Zeit zum Erliegen, da Güterverkehre per Binnenschiff, zum Beispiel in der Chemie-, Stahl- und Mineralölindustrie und im Containertransport, nicht aufrecht zu erhalten wären.“
Abgesehen davon verstoße der Bund, so Staats weiter, trotz aller Hinweise der Transport- und Logistikwirtschaft gegen die Vereinbarungen zum europäischen Green-lane-Verfahren, das im April 2020 zur Aufrechterhaltung des ungehinderten Güterverkehrs beschlossen worden sei. „Wir werden in Brüssel und bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg gegen dieses Vorgehen protestieren.“ (eh)