Logistik: Neues Geschäftsfeld, neue Chance

Es ist ein kleiner Coup: Im Jahr ihres 60-jährigen Bestehens gewinnt die Denkinger Internationale Spedition mit ihrem "Rail-Hub-Projekt" den Deutschen Logistik-Preis der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Erstmals seit zehn Jahren stand damit wieder ein mittelständisches Transport- und Logistikunternehmen auf dem BVL Supply Chain CX-Event in Berlin auf dem Siegertreppchen. Höchste Zeit für einen Besuch am Firmensitz in Ehingen bei Ulm. Von außen wirkt Denkinger mit seinem Unternehmens-Gebäude mit zwölf Ladestationen wie viele andere Speditionen auch. Doch im Gespräch mit den Geschäftsführern Peter Denkinger und Simon Brunner, und Theresa Striebel, die bei Denkinger das Thema Digitalisierung verantwortet, spürt man sehr schnell, was das Unternehmen auszeichnet: Es ist das "Mensch-sein", wie es Peter Denkinger formuliert, aber auch die Offenheit dafür, proaktiv neue Wege auszuprobieren und entsprechend zu investieren, um nach vorne zu kommen. Für rund 20 Millionen Euro ein Rail-Hub auf der grünen Wiese zu realisieren und damit den Schienengüterverkehr auszubauen, wie es jetzt Denkinger getan hat - das wagen nur wenige Mittelständler. Drei Geschäftsführer, eine Vision Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1964 von Maria und Josef Denkinger, den Eltern der beiden heutigen Geschäftsführer Nico und Peter Denkinger - zunächst mit einem Lkw für Holztransporte. Heute umfasst die Spedition 290 Mitarbeiter und 130 eigene Lkw (siehe S. 23). Treibende Kraft dahinter ist neben Nico und Peter Denkinger auch Simon Brunner, der schon als Student während seines Wirtschaftsingenieurs- und Logistikstudiums bei Denkinger jobbte. Mittlerweile ist er dort Geschäftsführer und verantwortet nicht nur das Kaufmännische, sondern auch die Logistik. "Wir stimmen unsere Strategie eng ab, Simon treibt das Unternehmen dabei mit neuen Ideen und Innovationen voran", formuliert es Peter Denkinger. Er selbst leitet die Spedition und das Personal, während sein Bruder Nico die Technik und den Fuhrpark verantwortet. Um das Unternehmen auch für die nächste Generation zukunftssicher aufzustellen, haben sich die Geschäftsführer viel vorgenommen: "Unsere Vision ist es, dass wir Denkinger zu einem IT-Unternehmen weiterentwickeln - mit eigenem Fuhrpark und mit eigenen Logistikflächen, die sich nicht nur per Lkw ansteuern lassen, sondern auch mit der Schiene", erklärt es Brunner im Gespräch (siehe S. 22). Weiterentwicklung zum IT-Unternehmen deshalb, weil dies ein wichtiger zukunftsorientierter Baustein des Geschäftsmodells sei, außerdem könne sich Denkinger dadurch leichter in Kombination mit Logistikdienstleistungen vom Wettbewerb abgrenzen. Zusammenspiel statt Silodenken Und um dieses Thema weiter zu treiben, etablierte das Unternehmen schon vor zwei Jahren Arbeitskreise mit jeweils ein bis zwei Fach- und Führungskräften aus jeder Abteilung - sogenannte "Key-User", die sich seitdem regelmäßig zum Austausch treffen. "Dadurch wollen wir erreichen, dass jeder Mitarbeiter aus seinem Fachgebiet heraus proaktiv digitale Lösungen anstößt", erläutert Theresa Striebel. "Und durch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit vermeiden wir Silodenken und bringen Digitalisierungsprojekte gezielter und schneller voran." Eine klare Strategie verfolgt Denkinger aber auch mit seinem "Rail-Hub-Projekt" in Rottenacker - zehn Kilometer vom Firmensitz in Ehingen entfernt. Wie es dazu kam, erklärt Brunner so: "Unsere Strategie ist es, verantwortungsvoll für Mitarbeitende, Kunden und Partner zu handeln. Dazu gehört für uns auch ein ressourcenschonendes Nachhaltigkeitsmanagement, und daher wollen wir sehr viel stärker auch im Schienengüterverkehr wachsen." Ziel sei es, kündigt er an, wenn möglich, die Denkinger-Logistikstandorte nicht nur über Lkw anzubinden, sondern auch über die Schiene. Geschwindigkeit à la Mittelstand Gründe genug also für Denkinger, im Jahr 2021 ein 60.000 Quadratmeter großes Grundstück mit stillgelegtem Gleisanschluss zu erwerben und diesen zweisträngig zu reaktivieren und um ein Ausweichgleis zu erweitern. Der Clou: Um die Planung und Umsetzung zu beschleunigen, übernahm das Unternehmen auch die stillgelegte Weiche und erneuerte diese auf eigene Kosten. "Wir konnten also sofort loslegen. Die Umsetzung durch das DB Netz hätte deutlich länger gedauert. Ein Start vor 2025 wäre dadurch nicht möglich gewesen", erklärt Brunner. Und so entstand nach gerade einmal eineinhalb Jahren Bauzeit das nun von der BVL ausgezeichnete Rail-Hub - bestehend aus zwei jeweils 110 Meter langen neuen Umschlagshallen entlang einer zwei Kilometer langen Gleisanlage, in die Güterzüge direkt einfahren und mit Spezialequipment wie Schwerlastkränen mit Vakuum- und Magnettraversen, Stapler und Reachstacker entladen werden können. Die Verteilung an die Endempfänger erfolgt dann über eigene E-Lkw, die über eine eigene Fotovoltaik-Anlage mit 1,8-Megawatt-Speicher aufgeladen werden können. Einer der Partner, der von Anfang an involviert war und das Projekt proaktiv mitgestaltet hat, war im Übrigen das Unternehmen Liebherr. Zwei bis drei Tage Transportdauer Ab März 2025 werden wir alle Mengen, die in unserem Rail-Hub per Schiene ankommen, in einem Umkreis von 250 Kilometern per E-Lkw ausliefern können", freut sich Brunner. Der größte ökologische Vorteil sei aber: "Mit dem Rail-Hub verlagern wir heute schon über 100.000 Tonnen Stahltransporte pro Jahr von der Straße auf die Schiene", erzählt Denkinger sichtlich stolz. "Und unser Ziel sind bis zu 150.000 Tonnen im Jahr." Der zeitliche Versatz ist nicht groß. So würde ein Transport von Bremerhaven nach Rottenacker ins Rail-Hub auf der Schiene im Regelbetrieb zwei bis drei Tage dauern, nennt Brunner Zahlen. Zum Vergleich: Ein Lkw brauche dafür ein bis zwei Tage, zudem sei dieser natürlich flexibler. Generell gelte aber: Je länger die Strecke und je höher die Tonnage, desto besser könne die Bahn ihren Wettbewerbsvorteil ausspielen. "Weitere Besonderheit unseres Unternehmens ist, dass uns neben der Nachhaltigkeit und Leidenschaft für Logistik auch die Digitalisierung ein Herzensanliegen ist", berichtet Theresa Striebel. So sei es das Ziel - sowohl unternehmensintern als auch bei den Kunden - mittels digitaler Lösungen entweder die Kosten zu senken, den Umsatz zu erhöhen oder aber sich dadurch noch besser vom Wettbewerb abzugrenzen. Dazu nur wenige Beispiele, was Denkinger da schon heute macht: Damit sich Lkw-Fahrer und Besucher auf dem Rail-Hub-Gelände schneller zurechtfinden und mit den dort geltenden Regeln, etwa in puncto Arbeitssicherheit, vertraut werden, setzt Denkinger laut Striebel für einen virtuellen Rundgang den künstlich generierten Avatar "Pepe" ein, der - so viel Spaß muss sein - Geschäftsführer Peter Denkinger verblüffend ähnlich sieht. 18 Landessprachen beherrscht Pepe derzeit; kostenloses WLAN ist inklusive, das Lkw-Fahrer und Besucher mittels QR-Code direkt am Eingang des Rail-Hub erhalten. Kran-Steuerung vom Büro aus Ein weiteres Pilotprojekt vor Ort ist, dass sich die im Rail-Hub im Einsatz befindlichen Kran-Anlagen "remote" via Kamera-Technik steuern lassen. Mit dem Vorteil, dass ein Mitarbeiter diese Kran-Anlage per VR-Brille vom Schreibtisch aus steuern kann, erklärt Striebel. "Wir können die Prozesse dadurch deutlich glätten, weil ein Mitarbeiter mehrere Krananlagen bedienen kann, und werden so nochmal schneller." Noch funktioniere das aber nicht in Gänze: "Wir haben da noch eine Verzögerung von rund einer Sekunde. Da müssen wir noch runter. Daran arbeiten wir gerade mit Experten." Die Zusammenarbeit mit DB Cargo funktioniere im Übrigen, betont Brunner: "Wenn es sich nicht um zeitkritische Transporte handelt, klappt das sehr gut." Um das Rail-Hub bedienen zu können, habe DB Cargo zudem eine zusätzliche Lok angeschafft. "Was allerdings den Ausbau des Schienennetzes und der Infrastruktur betrifft, wünschen wir uns deutlich mehr Tempo - vor allem seitens der DB Netz", findet Brunner deutliche Worte. "Die Beteiligten, die bei den Gesprächen dabei sind, sollten da wesentlich schneller Entscheidungen treffen dürfen." Schuld daran sei, wie sollte es anders sein, wieder einmal die Bürokratie. "Dieses Tempo passt auch nicht zu uns als Mittelstand und auch nicht zu unseren Kunden", kritisiert er. "Wenn wir zum Beispiel die Reaktivierung und den Ausbau der Weiche nicht selbst in die Hand genommen hätten, wäre das Projekt möglicherweise gescheitert." "Viele interessante Anfragen durch den BVL-Preis" Denkinger hat den Deutschen Logistik-Preis 2024 der BVL gewonnen. Hat Ihnen das zusätzliche Aufträge beschert? Bislang ist unser Unternehmen unter dem Radar geflogen. Das geht leider nicht mehr (lacht). Aber Spaß beiseite: Wir haben durch den Preis sehr viel Aufmerksamkeit und viele interessante Anfragen erhalten. Das hilft uns - gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage Deutschlands. Wie wollen Sie Denkinger sicher durch diese Zeiten führen? Die Logistik ist für uns ein wichtiges Standbein. Dort wollen wir weiter wachsen. Derzeit verfügen wir über acht eigene Logistik-Standorte. Ziel ist es, dass wir diese, wenn möglich, nicht nur über Lkw anbinden, sondern sukzessive auch über die Schiene. Abgesehen davon bleibt für uns das Transportgeschäft mit eigenen Lkw ein wichtiges Standbein. Das Transportgeschäft befruchtet aber immer auch unsere Logistik. Unser drittes Standbein ist die IT. Dafür haben wir soeben eine eigene IT-Firma als Start-up gegründet mit dem Ziel, auch für Drittkunden digitale Lösungen zu entwickeln, etwa im Bereich Data Analytics, aber vermehrt auch in puncto Künstliche Intelligenz und 3D-Druck. Was ist Ihre Vision für Denkinger? Unsere Vision ist es, die Denkinger Spedition zu einem IT-Unternehmen weiter zu entwickeln - mit eigenen Logistikflächen und eigenem Fuhrpark. Sprich: Unsere Mitarbeiter sollen dadurch das notwendige digitale Mindset entwickeln. Immer mit der Fragestellung: Wie hilft die digitale Lösung, um Kosten zu reduzieren, den Umsatz zu steigern oder um sich dadurch noch besser vom Wettbewerb abzugrenzen? Diversifizierung zahlt sich aus Bleiben schlussendlich nur zwei Fragen offen: Wie sehr trifft Denkinger die momentane Krise in der deutschen Wirtschaft, insbesondere im Maschinenbau und der Automobilbranche? Wurde das Rail-Hub in Ehingen vor diesem Hintergrund vielleicht zu groß geplant? Dazu befragt, meint Brunner: "In Summe ist dies sicherlich eine herausfordernde Zeit, eine Zeit des Wandels, aber auch eine Zeit mit neuen Chancen. Wir sind gerüstet, mehr Menge zu machen." Und natürlich hoffe er, dass es sich wieder drehe, dass die Unternehmen wieder investieren und proaktiv nach vorne gehen. Denkinger als Unternehmen sei aber sehr diversifiziert aufgestellt, betont Brunner: "Das ist ein wichtiger Vorteil - auch in der aktuellen Phase. Und natürlich hilft uns da auch der Logistikpreis sehr. Es gibt viele Anfragen von potenziellen Auftraggebern." So gesehen blickt Denkinger durchaus zuversichtlich auf das neue Jahr. Zumal das Rail-Hub in der ersten Ausbaustufe sehr gut angelaufen sei, resümiert Brunner, und im Januar seien sogar neue Projekte dazugekommen. Auch die nachträgliche Erweiterung (Fertigstellung war Dezember 2024 - die Red.) werde schon mit Ware gefüllt. Kein Wunder also, dass er das nächste Projekt bereits im Blick hat: "In Bremerhaven soll in Zukunft", verrät er, "das Gegenstück des Rail-Hubs entstehen, um den Norden mit dem Süden per Schiene zu verbinden." Daten + Fakten: Denkinger Spedition Die Denkinger Internationale Spedition in Ehingen wurde 1954 von Maria und Josef Denkinger gegründet - zunächst mit einem Lkw. Heute erbringt das Unternehmen nationale und internationale Transport- und Logistikservices in der Bau-, Projekt- und Eventlogistik und fokussiert sich auf die Bau-, Maschinenbau-, Stahl- und Automobilbranche. Die drei Denkinger-Standbeine Der Eigenfuhrpark umfasst derzeit 130 Lkw, davon zehn E-Lkw, vier weitere kommen 2025 dazu. Das Unternehmen betreibt zudem eine Lkw-Werkstatt sowie 330.000 Quadratmeter Logistikfläche an mittlerweile acht Logistikstandorten - vorwiegend in Süddeutschland, aber auch in Bremerhaven und Lübeck. Drittes und wichtigstes Standbein ist die IT, die Denkinger 2023 als Start-up ausgegliedert hat, um auch für Dritte IT-Lösungen entwickeln zu können. Im Oktober 2024 wurde das Unternehmen mit dem Deutschen Logistikpreis der Bundesvereinigung Logistik (BVL) ausgezeichnet.

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