Ausbau A 7

Ausbau A 7 Operation am offenen Herzen In wenigen Monaten startet eines der komplexesten deutschen Straßenbauprojekte: der Ausbau der A 7 in Hamburg und Schleswig-Holstein. Ein notwendiges Vorhaben – doch die Straßentransportunternehmen befürchten Stauchaos bis 2022. Noch kennen allenfalls Bürger der Hansestadt Hamburg und Berufspendler aus dem Umland die Langenfelder Brücke, die Holsteiner Chaussee oder den Hamburger Deckel. Doch bald schon könnten diese Namen überregionale oder sogar nationale Berühmtheit erlangen – durch den Verkehrsfunk. Sie sind Schnittstellen eines Großprojektes, das PKW-Fahrer und den Straßengüterverkehr ab Mai 2014 bis voraussichtlich 2022 in Atem halten wird. Die Autobahn A 7 in Hamburg und Schleswig-Holstein soll bis zum Dreieck Bordesholm bei Neumünster ausgebaut werden – in Hamburg nördlich des Elbtunnels bis zum Dreieck Nordwest auf sieben Kilometern achtspurig (siehe Karte), zwischen den Dreiecken Nordwest und Bordesholm auf fast 60 Kilometern sechsspurig. Starkes Verkehrswachstum auf der A 7 „Niemand stellt die Frage, ob der Ausbau der A 7 nötig ist“, sagt Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Reinhard Meyer und wird damit höchstens von Naturschützern Widerspruch ernten. 154.000 Kraftfahrzeuge befuhren beispielsweise im Jahr 2005 täglich die A 7 auf Höhe der Ausfahrt Stellingen. Prognosen zufolge soll die Zahl bis 2025 auf 165.000 wachsen und schon heute kommt der Verkehr zu Spitzenzeiten kaum noch voran. Noch stärkeres Wachstum wird auf schleswig-holsteinischem Gebiet erwartet von heute 72.000 Kraftfahrzeugen/Tag auf 102.000 Kraftfahrzeuge/Tag im Jahr 2025. Eigentlich müssten die schleswig-holsteinischen und dänischen Transportunternehmen die Sektkorken knallen lassen, dass dieses Nadelöhr endlich aufgebohrt wird. Stattdessen sieht man besorgte Gesichter. „Wir befürchten in der Bauphase erhebliche Mehrbelastungen für das Gewerbe“, sagt Peter Boyens, Vorsitzender des Unternehmensverbandes Logistik Schleswig-Holstein (SH). „Es wird sicherlich wirtschaftliche Probleme für den gesamten Wirtschaftsraum geben“, befürchtet Anders Jessen vom dänischen Transportverband ITD. Die Sorgen sind nicht aus der Luft gegriffen. Die Komplexität der Baumaßnahmen, das hohe Verkehrsaufkommen und der Mangel an geeigneten Umfahrungsmöglichkeiten lassen nichts Gutes erwarten. Dabei hätte es ganz anders laufen können, wenn die Vision von Dietrich Austermann wahr geworden wäre. Der ehemalige schleswig-holsteinische Verkehrsminister (2005 bis 2008) hatte angekündigt, 2015 die Elbe nordwestlich und außerhalb von Hamburg auf der A 20 zu überqueren. Doch heute endet die unter anderem als Entlastung der A 7 geplante Autobahn kurz vor Bad Segeberg. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Weiterbau bis zur A 7, weil die Richter die Belange von einigen tausend Fledermäusen nicht genügend beachtet sahen. Damit waren die Chancen geplatzt, eine leistungsfähige Umfahrung für den Schwerverkehr über die A 20/A 21 und die A 1 fertigzustellen. Kritik an der Alternativroute B 205/A 21 Jetzt soll eine Umfahrungsmöglichkeit ab Neumünster Süd über die Bundesstraße B 205 bis zur A 21 und dann zur A 1 geführt werden, die den Verkehr am östlichen Rand von Hamburg vorbeiführt. Verkehrsexperten und Transporteure halten das für keine gute Idee. Weder die B 205 noch die A 21 in ihrem derzeitigen Zustand seien geeignet, diese Verkehrsströme aufzunehmen. So liegen die Hoffnungen der Planer denn auch mehr oder weniger auf den Mitteln des konventionellen Verkehrsmanagements. Die gute Nachricht für alle Autofahrer: Die heutige Zahl der Fahrspuren soll während der Bauphase unverändert bleiben. Allerdings werden die Fahrspuren verengt. Der für den LKW-Verkehr wichtige rechte Fahrstreifen auf 3,25 Meter, der linke Fahrstreifen auf höchstens 2,75 Meter. „Wir haben aus der Erfahrung des A 1-Ausbaus zwischen Hamburg und Bremen gelernt“, sagt Bernd Rothe von der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH (Deges). Die Deges betreut den Bauabschnitt zwischen Hamburg-Nordwest und dem Bordesholmer Dreieck, das nach dem ÖPP-Modell gebaut werden soll. Auf der A 1 waren die Fahrspuren auf 3 Meter rechts und 2,50 Meter links verengt worden. Das hatte zu zahlreichen Unfällen geführt. Auch die Verzögerungs- und die Beschleunigungsspur werden mit 250 Meter länger sein als beim A 1-Ausbau. Geplant ist auch, einen über die Landesgrenzen hinweg agierenden Verkehrskoordinator zu etablieren. Dieser soll nicht nur Koordinierungsrunden aller am Mammutprojekt Beteiligten leiten, sondern auch darauf achten, dass das A 7-Projekt mit der übrigen Baustellenplanung in Hamburg und Schleswig-Holstein abgestimmt wird. Für den Wirtschaftsverkehr besonders wichtig: Der Koordinator ist auch Ansprechpartner für die Unternehmen. Die Staufolgen mildern sollen zudem Verkehrsleitsysteme und eine intensive Information der Betroffenen. Unter anderem ist eine A 7-App für Smartphones geplant, die aktuell über die Verkehrssituation informiert. Verbesserte Angebote im Öffentlichen Personennahverkehr sollen die Pendler von der Straße holen. Für das Umsteigen von Güterladungen böten die KV-Terminals in Padborg (Dänemark) und Neumünster Potenzial. Die erste Bewährungsprobe wird es im Mai dieses Jahres geben. Dann beginnen die Arbeiten in Hamburg an der Langenfelder Brücke. Das Brückenwerk überspannt zwischen den Anschlussstellen Hamburg-Stellingen und -Volkspark (siehe Karte) die Eisenbahnverbindungen zwischen Hamburg sowie Kiel, Flensburg und Westerland. Die Brücke muss bei laufendem Straßen- und Schienenverkehr abgerissen und vierspurig neu gebaut werden. Ebenfalls noch 2014 beginnt das ÖPP-Projekt zwischen dem Dreieck Nordwest- und dem Dreieck Bordesholm. Das Baurecht liegt vor, die Auftragsvergabe soll nach Angaben der Deges im Frühjahr abgeschlossen sein. Mit Baubeginn wird im Herbst gerechnet. 2014 wird zunächst die Fahrbahn erweitert, in den Jahren 2015 bis 2018 soll der eigentliche Bau über die Bühne gehen. Auf dem besonders schwierigen Abschnitt zwischen dem Elbtunnel und dem Dreieck Nordwest wird es mehrere Unterabschnitte geben. Die Arbeiten im Bereich der Langenfelder Brücke werden 2014 begonnen und sollen 2018 fertig sein. Der Tunnel Stellingen rund um die gleichnamige Ausfahrt hat noch kein Baurecht, soll aber flexibel ab 2015 in vierjähriger Bauzeit abgeschlossen werden. Den Abschnitt Altona zwischen den Anschlussstellen Othmarschen und Volkspark will die Hansestadt Hamburg zwischen 2019 und 2022 in Angriff nehmen. Massive Folgen für den Hafen Mit gemischten Gefühlen verfolgt man auch im Hamburger Hafen die ehrgeizigen Planungen. Zum einen machen sich die Hafenbetriebe Sorgen, dass Ladungen aus Jütland oder aus Schleswig-Holstein andere Wege nehmen. Noch schwerer wiegt jedoch, dass direkt vor der Haustür massive Baumaßnahmen drohen. Die auf einem Brückenwerk durch den Hafen führende A 7 südlich des Elbtunnels ist marode. Eine Sanierung der Lebensader für die Containerterminals ist zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet und könnte bereits 2016 beginnen. Auch Bauarbeiten auf der Köhlbrandbrücke lassen sich nicht mehr lange aufschieben. Dem Hamburger Hafen droht ein massives Problem mit einer seiner größten Stärken – den Hinterlandverbindungen. ❙❚■ Björn Helmke, VR-Korrespondent in Hamburg hohe Kosten und lange Bauzeiten Hintergrund: Hamburger Deckel „Ohne Dach ist Krach“: Mit diesem Slogan kämpfen Initiativen von A 7-Anwohnern schon seit Jahren für einen besseren Lärmschutz. Mit Erfolg. Messungen ergaben die Notwendigkeit von zwei Tunnelbauwerken mit einer Länge von 730 beziehungsweise 980 Metern. Doch der Hamburger Senat entschied sich, über diese Pflichtmaßnahmen hinauszugehen. Begründung für die verkehrspolitische Extravaganza sind auch städtebauliche Erwägungen: „Ein Gewinn an Lebensqualität: Auf den Tunneldeckeln entstehen Parkanlagen und Kleingärten, Quartiere wachsen zusammen und auf lärmberuhigten Flächen können mehr als 2500 neue Wohnungen errichtet werden“, heißt es auf einer Website der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Qualität hat ihren Preis: Für 1860 weitere Tunnelmeter muss die klamme Stadt das Geld selbst aufbringen. Insgesamt kostet der achtspurige Ausbau auf sieben Kilometern 775 Millionen Euro. Zum Vergleich: Für den sechsspurigen Ausbau zwischen Hamburg und Bordesholm (59,8 Kilometer) sind für Bau und Grunderwerb 330 Millionen Euro vorgesehen. Aber immerhin: Der Hamburger Deckel wird – sofern der Kostenrahmen eingehalten wird – nicht teurer als die Elbphilharmonie, deren Kosten bei knapp 800 Millionen Euro liegen werden. hel „Wir befürchten in der Bauphase erhebliche Mehrbelastungen für das Gewerbe“ Peter Boyens, Vorsitzender des Unternehmensverbandes Logistik SH Noch in diesem Jahr wird in Hamburg mit den Bauarbeiten begonnen

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