Auf der Suche nach den Kostentreibern

Ob bewusst oder unbewusst - zu häufig ignorieren Verlader- und Empfangsunternehmen, welche Konsequenzen ihr Verhalten in speditionellen Prozessen nach sich ziehen kann. So wird im Lieferschein nur "eine Palette" als Lademittel angegeben, obwohl es im speditionellen Prozess einen großen Unterschied macht, ob die Ware letztlich auf einer Einweg- oder Europalette befördert und umgeschlagen werden muss. Und das ist laut Rainer Hoppe, Chef der Logistikberatung A'pari Consulting, nur ein Beispiel von vielen, die die Prozesskosten innerhalb einer Lieferkette sprengen können - häufig zulasten der Transport- und Speditionsdienstleister. Grund genug, auf Spurensuche zu gehen: Was sind die Ursachen für diese alltäglichen Missstände und damit unnötigen Kostentreiber in der Prozesskette? Was können Spediteure, Verlader- und Empfängerunternehmen tun, um gemeinsam solche Kostentreiber zu identifizieren und gemeinschaftlich Kosten innerhalb der Lieferkette zu senken? Das diskutierten Rolf Lorenz, Geschäftsführer der Spedition Schmidt-Gevelsberg, Gerald Penner, stellvertretender Geschäftsführer von Streck Transport, Michael Tillner, einer der drei Geschäftsführer der Zufall Logistics Group, sowie Rainer Hoppe, Inhaber der Logistikberatung A'pari Consulting, gemeinsam mit der VerkehrsRundschau. Bedürfnis nach Sonderbehandlung Fest steht: Das Unbehagen in den Speditionen ist groß. Denn der Preisdruck der Verlader und deren Bedürfnis nach "Sonderbehandlung" steigt; darin sind sich alle Firmenchefs einig. "Gleichzeitig aber bleiben potenzielle Kosteneinsparmöglichkeiten in der Transportlogistik häufig ungenutzt, weil jedes Unternehmen nur sein eigenes Gärtchen sieht", wie es Geschäftsführer Lorenz formuliert, "und keiner über den Gartenzaun blickt, sprich, die gesamte Prozesskette vor Augen hat." Typisches Beispiel dafür sei das Thema Lieferavis, nennt der stellvertretende Streck-Geschäftsführer ein konkretes Beispiel: "Acht bis zehn Prozent unserer Eingangssendungen benötigen mittlerweile ein Lieferavis. Das bindet bei uns massiv Ressourcen für das Ausschleusen der Sendungen im Umschlag und das telefonische Avisieren beim Empfänger - unter Umständen auch mehrfach, bis dieser erreichbar ist. Und wir haben bislang keine Lösung gefunden, wie wir das automatisieren", führt Penner aus. Sein Wunsch: "Im Idealfall haben wir da einen durchgängigen Prozess - vom Versender über den Spediteur bis hin zum Empfänger." Doch dafür fehle bislang bei vielen Kunden das Bewusstsein, geschweige denn die Bereitschaft, hier nachzubessern. Weitere "Prozess-Störer" sind für Zufall-Geschäftsführer Tillner "unproduktive Zeiten, die durch fehlende oder unvollständige Informationen verursacht werden. Wenn der Informationsfluss in der Lieferkette richtig funktionieren würde", ist er überzeugt, "könnte man zum Beispiel viele unnötige Wartezeiten an der Kundenrampe vermeiden. Da steckt richtig Geld drin." Aus seiner Beratungserfahrung kann dies Rainer Hoppe nur bestätigen: "In der Transportlogistik hat das Prozessdenken tatsächlich noch wenig Einzug gehalten", sagt er. Dabei gebe es gerade in diesem Geschäft noch viele interessante Potenziale, die die Partner gemeinsam heben könnten, um so Kosten zu senken, ist der Berater überzeugt. In Kontraktlogistik- und Warehouse-Geschäften seien die Unternehmen hier viel weiter, weiß Hoppe. "Da bestehen feste Kundenbeziehungen, feste Prozesse und jeder Projektbeteiligte kennt die Bedürfnisse des Projektpartners." Mit der Folge, dass hier häufig sehr schlanke Prozesse zu schlanken Kosten möglich seien. Stellt sich die Frage, ob und vor allem wie sich dieses Erfolgsmodell auf das speditionelle Geschäft übertragen lässt, in dem die Dienstleister jeden Tag unterschiedlichste Kunden- und unterschiedlichste Prozessvorgaben handeln müssen. Auch darüber diskutierte die Gesprächsrunde. Einhellige Meinung: "Als neutraler Mittler zwischen Verlader- und Empfänger-Unternehmen und Organisator der Transporte kennen wir die Prozesse", sagt der stellvertretende Streck-Geschäftsführer Penner. Das Prozess-Know-how sei bei den Spediteuren da. Allerdings werde dieses Know-how von Kunden noch zu wenig eingefordert, sagt er. Plädoyer für klare Spielregeln "An dieser Misere sind wir Spediteure aber auch ein gutes Stück selbst schuld", zeigt sich Rolf Lorenz selbstkritisch. Der Geschäftsführer der Spedition Schmidt-Gevelsberg wörtlich: "Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit der Frage, wie wir Dinge korrigieren, die schief gelaufen sind. Sinnvoller wäre es, wenn man von vornherein mit den Beteiligten in der Lieferkette saubere Spielregeln vereinbaren würde", so Lorenz. "Vielen Spediteuren fehlt auch die Hartnäckigkeit", glaubt Tillner. "Wenn wir Lösungen für unsere Kunden haben, müssen wir diese aktiv anbieten", fordert er seine Kollegen zu proaktiven Lösungen auf. Dies aber erfordere aufseiten der Vertriebsmitarbeiter Mut, weiß Tillner. "Man darf sich als Vertriebler nicht entmutigen lassen, wenn ein Verlader die Vorschläge nicht aufgreift, oder einen gar vor die Tür setzt, weil er glaubt, die Prozesse selbst besser im Griff zu haben." Wunsch nach Verbesserungs-Austausch Was aber schafft Abhilfe? Hoppes Rat: Ausschließlich die Vertriebsmitarbeiter mit den Kunden sprechen zu lassen, helfe da wenig, weil Vertriebler meist über zu wenig profunde Projektmanagement-Kenntnisse verfügen. Sinnvoller sei, so der Berater, die Initiierung von "Verbesserungskreisen", in denen sich die operativ-verantwortlichen Mitarbeiter aus den jeweiligen Firmen treffen, um gemeinsam Prozessoptimierungs-Möglichkeiten zu diskutieren. "Das passiert in Speditionen aber noch zu wenig", sagt er. Dass Auftraggeber daran durchaus Interesse haben, zeigt das Beispiel der Zufall Logistics Group. "Wir treffen uns regelmäßig mit unseren Kunden zum Verbesserungs-Austausch - Stichwort KVP. Wir nennen das auch gerne ,Kundenverwöhnprogramm'", erzählt Tillner und lacht. "Dafür schulen wir auch unsere Mitarbeiter, damit sie unseren Kunden argumentativ auf Augenhöhe begegnen können", führt er aus. Bevor man aber mit dem Kunden spricht, ist eines unerlässlich: "Ein Spediteur muss wissen, wie viel ihn bestimmte administrative Prozesse kosten und wie viel er sich letztlich einsparen kann, wenn der Verlader zum Beispiel seine Packstücke ordnungsgemäß belabelt", sagt Penner. "Diese Transparenz muss ein Spediteur schaffen", sagt er. Und Geschäftsführer Lorenz zufolge sei last but not least schon sehr viel gewonnen, wenn jeder Beteiligte in der Lieferkette die fünf wichtigsten Kostentreiber - Stichwort "Prozess-Zerstörer" - kenne. "Wenn wir diese identifiziert haben", ist sich Lorenz sicher, "dann lassen sich daraus sinnvolle Kosteneinspar-Maßnahmen ableiten, die zum Wohle aller Beteiligten wirken." Effizienz zahlt sich preislich aus Fazit: Es gibt also noch viel zu tun. Sowohl aufseiten der Spediteure, als auch aufseiten der Versender- und Empfänger-Betriebe: "Viele Firmen betrachten den Transport, überspitzt formuliert, nach wie vor nur als Abfallprodukt und nicht als zentrales Glied in ihrer Wertschöpfungskette. Mit der Folge, dass sie dem Thema Prozess-Effizienz zu wenig Aufmerksamkeit schenken", bringt es Hoppe auf den Punkt. Andererseits ist auch eines klar: "Je effizienter der Prozess ist, desto preisgünstiger kann ein Dienstleister anbieten", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Penner. "Letztlich also profitieren alle Seiten von mehr Prozesseffizienz - der Verlader, der Spediteur und der Warenempfänger." Experten-Tipps So lassen sich Prozesse effizienter gestalten Die wichtigsten Ergebnisse der Expertenrunde im Überblick:- Nutzen Sie das in Ihrer Firma verstreute Wissen Ihrer Mitarbeiter aus dem Vertrieb, der Fahrer, Ihrer Service- und Lagermitarbeiter und bündeln Sie deren Wissen, um Ihren Kunden Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.- Bringen Sie dieses Know-how mit dem Wissen Ihrer Kunden zusammen. Schaffen Sie dafür regelmäßige Arbeitskreise mit Vertretern Ihrer Spedition sowie der jeweiligen Verlader- und Empfängerfirma, um über Lösungen zu sprechen, wie sich Dinge im Prozessablauf verbessern lassen. Formulieren Sie vorab für diese Treffen klare Spielregeln und dokumentieren Sie die Ergebnisse in Form von Maßnahmeplänen oder Prozessbeschreibungen.- Treffen Sie sich nicht nur mit Ihren Großkunden regelmäßig. Deren Prozesse hat man meist im Blick und im Griff. Sinnvoller sind solche Verbesserungstreffen meist mit Kunden mit weniger Aufkommen.- Akzeptieren Sie als Dienstleister nicht alles, was Ihre Kunden fordern. Zeigen Sie ihnen Ansätze für schlankere Abläufe. Verhandeln Sie auf Augenhöhe. Wirkliche Prozessverbesserungen erreichen Sie leichter, wenn nicht nur Ihr Vertriebsmitarbeiter mit den Kunden spricht, sondern ein Mitarbeiter, der die operativen und administrativen Prozesse und deren Anforderungen kennt.- Ziel allen Handelns muss es letztlich sein, im Zusammenspiel mit den Kunden Prozesse zu schaffen, die für alle Beteiligten in der Lieferkette nachvollziehbar und wirtschaftlich sind. eh