Auch der Chef sollte die Schulbank drücken

Spanngurte, Holzkeile, Antirutschmatten und Styropormaterialien. Bei der Sicherung von Gefahrgutladungen können die sieben Fahrer des Transportunternehmens Georg Wagner in Nürnberg auf alle marktüblichen Produkte zurückgreifen. Auch bei der Mitarbeiterqualifizierung überlässt der 1952 gegründete Betrieb nichts dem Zufall. "Wir begnügen uns nicht mit dem ADR-Schein, der erst nach fünf Jahren erneuert werden muss, sondern unterweisen die Fahrer jedes Jahr neu in Ladungsschutzmaßnahmen", versichert Geschäftsführer Walter Wagner. Ladungssicherung wird unterschätzt Der Aufwand lohnt sich offenkundig. Seit Jahren sind die Lkw des Unternehmens, das sich als Spezialist für palettierte Gefahrgutsendungen einen Namen gemacht hat, nicht mehr von den Kontrolleuren des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) beanstandet worden. Ähnliche Erfahrungen hat ECL Euro Courier Logistics aus Chemnitz gemacht. "Allenfalls bei der Sicherung von sehr ausgefallenen Produkten haben die BAG-Mitarbeiter gelegentlich kleinere Fehler festgestellt", bilanziert ECL-Gefahrgutbeauftragter Andreas Harnisch. Der Manager des Kurier- und Paketdienstes führt dieses Ergebnis ebenfalls auf jährliche Unterweisungen für die 55 Fahrer zurück, die Stückgut in allen Gefahrgutklassen außer Klasse 1 und 7 (explosive beziehungsweise radioaktive Stoffe) fahren. Die Ladungssicherung von Gefahrgut ist ein unterschätztes Thema. Die ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) schreibt für den Transport Maßnahmen nach der europäischen Norm EN 12195 vor, welche in Deutschland von der VDI-Richtlinie 2700 konkretisiert wird. Jedes Ladungsteil muss demnach auf dem Fahrzeug oder im Container so verstaut und gesichert werden, dass seine Lage sich nur "geringfügig" ändern kann. Bei der Wahl der Ladungssicherungsmittel hat der Fahrer jedoch freie Hand. "Jedes marktübliche Produkt ist auch für Gefahrgut geeignet", betont Nicole van Eybergen vom Hersteller von Ladungssicherungstechnik Rainer. Denn für jede Gefahrgutklasse gelten die gleichen Vorschriften wie für alle anderen Transportgüter. Allerdings können Verstöße gegen diese mit deutlich höheren Bußgeldern belegt werden. Und Verstöße kommen offenbar häufig vor. Der Berater für Ladungssicherung, Stephan Bode, stellte bei 42 Prozent von 2200 untersuchten Gefahrguttransporten fehlerhafte Ladungssicherungen entsprechend den ADR-Regeln fest. "Viele Unternehmen füllen Ladelücken nicht auf, zurren Ladungen falsch oder setzen keine rutschhemmenden Produkte ein", zählt Bode die häufigsten Verstöße auf. Manche Verkehrsteilnehmer verzichten sogar auf jegliche Ladungssicherung. Wenn ihre Lkw in eine BAG-Kontrolle geraten, werden diese kaum ihre Weiterfahrt fortsetzen können. Viele Verfehlungen im Sammelgut Jedes Jahr kontrolliert das BAG über 17.000 Fahrzeuge auf Einhaltung der Gefahrgutvorschriften. Vor allem bei Sammelguttransporten stellt es immer wieder fest, dass VDI-2700-Anforderungen ignoriert werden. Viele Fahrer füllen Ladungslücken, welche bei gemischten Sendungen überdurchschnittlich oft anfallen, nicht auf. Auch Verteilerverkehre mit zahlreichen Be- und Entladestationen fallen den BAG-Kontrolleuren regelmäßig auf. Viele Fahrer starten zwar mit korrekten Ladungssicherungen, erneuern diese aber nicht während der Tour, weil sie auf den häufig sehr kurzen Strecken Zeit sparen wollen. Ausdrücklich empfiehlt die Behörde deshalb den Einsatz von Netzen, mit denen Ladungen vergleichsweise schnell gesichert werden können. Für manchen Experten liegt das Problem tiefer. So kritisiert der Gefahrgutsachverständige und VDI-Ausbilder Ralf Hiltmann, dass die Richtlinie am Transportund Logistikalltag völlig vorbeigehe. "Mit Formeln, welche die geeignete Ladungssicherung aus Vorspannkraft, Reibbeiwert, Beschleunigung und Ladungsgewicht berechnen, können Fahrer wie Lagermitarbeiter nichts anfangen", wettert Hiltmann, der auch stellvertretender Vorsitzender des Gefahrgutverbands Deutschland (GGVD) ist. Weil immer mehr Sendungen auf Frachtenbörsen akquiriert und deshalb nicht im hauseigenen Lager verladen werden, müssen die Fahrer stärker als bislang von der Notwendigkeit einer professionellen Ladungssicherung überzeugt werden. Hiltmann empfiehlt praxisnahen Anschauungsunterricht. "In diesem sollen die Fahrer erleben, wie infolge von plötzlichen Brems- und Ausweichmanövern ungesicherte Ladungen nachhaltig beschädigt werden", rät der Experte. So können auch Trucker mit unzureichenden Deutschkenntnissen motiviert werden, gerade Gefahrgut mit Spannbändern, Verzurrgurten und anderer Sicherungstechnik kipp- und rutschfest zu machen. Vorgesetzte sollten sich schulen lassen Solche Lösungen können jedoch nur Verpackungen schützen, welche wirklich beförderungssicher sind. "Viele Umverpackungen aus Feinblech und Pappe stabilisieren die Einzelsendungen nicht wirklich", kritisierte Bode in einem Vortrag auf der Leipziger Messe Gefahrgut & Gefahrstoff. Im Extremfall werden diese durch Verzurrgurte und andere Ladungssicherungen sogar beschädigt. "Jede Maßnahme muss auf die jeweilige Verpackung abgestimmt werden", empfiehlt der zertifizierte Experte. Weil solche Prozesse im Lager vorgenommen werden müssen, rät Bode, über die Fahrer hinaus auch andere Logistikmitarbeiter in puncto Ladungssicherung zu schulen. Ohnehin muss laut ADR jeder, der mit Gefahrgut zu tun hat, in den Umgang mit solchen Produkten eingewiesen werden. Das kann auch Abteilungsleiter und Geschäftsführer einschließen. Bode empfiehlt dies jedem Vorgesetzten. "Wenn dieser wirklich effektiv kontrollieren will, muss er über das Thema genau Bescheid wissen", sagt der Experte. Mehr zum Thema im Dossier "Ladungssicherung" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Lasi bei Hoyer Auf Nummer sicher Für Lutz Kahlen kann das Thema Ladungssicherung (Lasi) für Gefahrgut nicht von der Sicherheit der Ladeeinheit getrennt werden. "Jeder Container muss auf dem Chassis mit Twistlocks gesichert werden", sagt der Gefahrgutbeauftragte der Hoyer Group. Über die Bedienung dieser Verschlusstechnik werden Fahrer und Lagermitarbeiter ebenso regelmäßig geschult wie über die transportsichere Verstauung von palettierten Gütern und den korrekten Einsatz von Ladungssicherungsmaterialien.Das genügt Hoyer jedoch nicht."Jeder Mitarbeiter soll sichere Arbeitsgewohnheiten entwickeln", sagt Kahlen. Die Prüfer beobachten regelmäßig Arbeitsabläufe und besprechen mit den Mitarbeitern, was diese besser machen können. Für alle weiteren Fragen steht ein Ansprechpartner für Ladungssicherung zur Verfügung. Einen solchen Mitarbeiter hat Hoyer für jeden Standort ernannt. bot Tipp Aus der Praxis: drei Tipps für die Ladungssicherung - Schulungen für Ladungssicherung sollten laut VDI 2700 alle drei Jahre stattfinden: Prüfen Sie anhand von Vorfällen der letzten Jahre, ob diese Frist ausreichend ist und außer Fahrern auch weitere Mitarbeiter teilnehmen sollen.- An Weiterbildungsanbietern herrscht kein Mangel: Sondieren Sie den Markt nach Dienstleistern, welche sich auf die von Ihrem Unternehmen umgeschlagenen Gefahrgutklassen spezialisiert haben, und lassen Sie sich Referenzen vorlegen. Investieren Sie bei produktspezifischen Ladungssicherungen in Inhouse-Seminare.- Formschluss ist die sicherste Ladungssicherung: Stellen Sie bei der Weiterbildung Lösungen in den Mittelpunkt, welche ein Verrutschen der Ladung unmöglich machen. Beachten Sie vor allem beim Einsatz von Zurrsicherungen, dass die Sendungen beförderungssicher verpackt sind. bot

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