Versicherungen: Raus aus der Gefahrenzone

Was passiert mit dem Versicherungsschutz von Logistikunternehmen, wenn ein Land, in dem sie aktiv sind, in einen Krieg gerät, so wie jetzt in der Ukraine? "Entscheidend ist, ob in den Versicherungsbedingungen die sogenannte Kriegsausschlussklausel enthalten ist", erklärt Prof. Axel Salzmann vom Kravag-Kompetenzzentrum Straßenverkehrsgewerbe und Logistik. Diese Klausel greift unter anderem im Falle von kriegerischen Handlungen. Sie ist in fast allen Versicherungsverträgen enthalten. "Einer der zentralen Ausschlüsse in der Versicherungswelt ist, dass Krieg nicht versicherbar ist", so Salzmann. "Krieg ist unberechenbar. Wenn alles zerstört wird, gibt es keinen wirtschaftlichen Finanzdienstleister, der so etwas kompensieren oder ersetzen kann. Mit Ausnahme des Staates." Er könne, zumindest begrenzt, mit Ausgleichsmaßnahmen helfen. Paradigmenwechsel Die Gefahrengemeinschaft der Versicherungen sei grundsätzlich seit Kriegsbeginn nicht mehr Risikoträger für Personen-, Güter- und Sachschäden im Bereich Ukraine, Belarus und Russland. Somit habe der 24. Februar zu einem Paradigmenwechsel im Riskmanagement für alle Wirtschaftsbeteiligten in dieser Region geführt. "Es ist wichtig, die Risiken zu analysieren und den Mitarbeitern bewusst zu machen", so Salzmann. "Unternehmen müssen bedenken, hier herrscht jetzt ein anderes Kräfteregime. Sie müssen wissen, wie sie damit umgehen: Mein Appell ist, alle Tätigkeiten zurückzustellen, um nicht zusätzliche Risiken einzugehen." Auch Aktivitäten in angrenzenden Gebieten wie in Polen empfiehlt er einzustellen. Schäden, verursacht etwa durch fehlgeleitete Kriegswaffen, seien nicht versichert. "Ich hoffe nicht, dass so etwas passiert, aber diese Risikooption steht im Raum." Außerdem sagt er: "Ich finde es großartig, wenn sich Firmen und Mitarbeiter engagieren und das unter dem Krieg leidende Volk in der Ukraine unterstützen." Aber man müsse sich darüber klar sein, dass es für Unternehmen und auch Mitarbeiter erhebliche Risiken gibt. Kriegsausschluss nicht in allen Fällen Andere Absicherungsmöglichkeiten von Waren und Transporten sieht der Experte nicht, er wisse von keinen kaufmännischen Lösungsansätzen. Grundsätzlich verweist er bei Logistik-Dienstleistungen auf die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2017, Ziffer 12. Zu Leistungshindernissen, die keiner Vertragspartei zugerechnet werden, zählt auch Krieg. Hier gelte es für die beteiligten Parteien, miteinander zu reden, um Lösungen zu finden. "Im Fall von Mehrkosten sind diese vom Auftraggeber zu tragen, hier besteht ein Freistellungsanspruch zugunsten des Spediteurs." Auch bei Hilfsgütern, die Unternehmen zur Grenze bringen, seien aus Riskmanagement-Aspekten besondere Vertragsgestaltungen nötig. Wichtig sei, allen Beteiligten zu verdeutlichen, dass jeder Eigenrisiken trägt, die anders als im üblichen Geschäftsleben nicht von Dritten oder dem Arbeitgeber übernommen werden. Wenn möglich, gelte es vor dem Start eindeutige verständliche Vertragsgestaltungen zu treffen. Was normalerweise über die Versicherung ausgeglichen wird, fällt im Kriegsfall also weitgehend weg. Allerdings nur für Schäden, die durch kriegerische Ereignisse entstehen. Kein Kriegsausschluss besteht laut Salzmann weitestgehend bei einer Betriebshaftpflichtversicherung auf Basis der üblichen Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen. Wenn es etwa zu einem Umweltschaden kommt aufgrund von Fehlern bei der Verpackung oder der Lagerung und ein kriegerisches Ereignis der Auslöser wäre, "hätten wir eine Leistungsverpflichtung des Versicherers, da kein entsprechender Ausschluss besteht." Ähnlich sehe es im Falle der Kfz-Haftpflicht aus. Anders bei kombinierten Versicherungsprodukten Verkehrshaftung/ Transportversicherung wie bei der Kravag. "Dort haben wir einen Kriegsausschluss, der auch für Betriebshaftpflicht gilt." Im Kasko-Bereich gilt für das Transportmittel, also Lkw oder Hänger, der Kriegsausschluss. Wenn ein Schaden, etwa durch eine fehlgeleitete Rakete, auftritt, ist das das Eigenschadenrisiko des Unternehmens. Bei Transportversicherungen ist zu differenzieren: Bei Landtransporten besteht ein Kriegsausschluss. Im Bereich Luft- und Seefracht sind dagegen Kriegsrisiken in vielen Verträgen über eine eigene Klausel wieder eingeschlossen. Es bestehe aber das Gestaltungsrecht der Risikoträger, diesen Wiedereinschluss kurzfristig kündigen zu können. Dann greife auch bei diesen Transporten der Kriegsausschluss, so Salzmann. Von dieser Kündigungsmöglichkeit hätten fast alle Versicherer seit dem 24. Februar Gebrauch gemacht. Auch bei disponierten und transportbedingten Lagerungen gilt weitgehend der Kriegsausschluss. Risiken managen Generell sei aus Riskmanagement-Aspekten bei einem Kriegsausschluss das Eigenschadenrisiko zu beachten, so der Experte. Hier könne ein Ausgleich im gewerblichen Bereich nicht über die Versicherung, aber womöglich über steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten erfolgen. "Bei Personal ergeben sich für den Arbeitgeber noch weitergehende Verpflichtungen, allein aus dem Aspekt der Fürsorgepflicht heraus", gibt er zu bedenken. Hier gehe es etwa um Krankenversicherungen, die teils sehr differenzierte Kriegsklauseln beinhalten, und um Unfallversicherungen. "Da entstehen für Arbeitgeber viele Fragen: Denn welche Verpflichtungen ergeben sich, wenn wirklich etwas passiert?" Zum Beispiel, wenn ein Beschäftigter etwa über eine private Unfallversicherung mit einer Kriegsklausel verfügt, die dann nicht leistet? "Dann ergibt sich womöglich aus dem Arbeitsvertrag ein Schadenersatz- oder ein Ausgleichanspruch." Für Arbeitgeber gelte daher: Die Kriegsregion ist absolutes Tabu-Gebiet. "Da darf es keine Kompromisse geben. Meine Wahrnehmung im Markt ist, dass trotz der unschätzbaren und großen Bereitschaft zu helfen, viele sich aus diesen rationalen Gesichtspunkten zurückgehalten und dies den hierfür speziell aufgestellten Hilfsorganisationen überlassen haben." Bei Organisationen wie dem Roten Kreuz sind im Fall von Verletzungen und Schäden aufgrund kriegerischer Ereignisse die Risikoverhältnisse anders gelagert. Sie haben für ihre Mitarbeiter einen weitergehenderen Krankenversicherungsschutz und anders ausgestaltete Unfallversicherungsbedingungen, so der Experte. Viele Standardverträge enthalten bei Kranken- und Unfallversicherungen aber eine Kriegsklausel. Hier rät Salzmann:"Bei seinem Versicherer nachfragen oder in den Bedingungen nachlesen." Egal bei welchem Versicherungsschutz: Es gibt zahllose vertragliche Gestaltungen. "Daher der Tipp : Wenn ein Unternehmen in irgendeiner Form mögliche Berührungen mit Ostpolen hat, sollte es vorab mit seinem Versicherer sprechen, ob Eigenschadenrisiken bestehen oder nicht. Um so von vornherein Risiken ganz bewusst beherrschbarer zu machen." Mehr zum Thema finden Sie unter #Versicherungen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wenn es wie in der Ukraine zu einem Krieg kommt, kann es passieren, dass Verletzungen und Schäden, die durch den Krieg verursacht werden, vom Versicherungsschutz durch die Kriegsklausel ausgeschlossen sind. Unternehmen sollten ihr Risiko prüfen und Aktivitäten einstellen, empfiehlt Prof. Axel Salzmann von der Kravag.

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