Erfurt. Abfindungen, die bei Betriebsschließungen mit Massenentlassungen gezahlt werden, können nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts miteinander verrechnet werden. In einem Fall aus Berlin entschieden die höchsten deutschen Arbeitsrichter am Dienstag in Erfurt, dass ein Arbeitnehmer zusätzlich zu einer vor Gericht erstrittenen Entschädigungszahlung in Höhe von rund 16 000 Euro nicht auch noch die Sozialplanleistung in Höhe von 9000 Euro beanspruchen kann.
Der Mann, der in einem von Stilllegung betroffenen Industriebetrieb gearbeitet hatte, scheiterte mit seiner Klage auf zusätzliche Zahlung der Sozialplanleistung damit in allen drei Arbeitsgerichtsinstanzen. Die Entschädigungszahlung für Nachteile durch die Stilllegung erfüllte auch die Sozialplanforderung, begründeten die Bundesarbeitsrichter ihre Entscheidung. Der Zweck beider betriebsverfassungsrechtlichen Leistungen sei weitgehend deckungsgleich. Dem stehe EU-Recht bei Massenentlassungen nicht entgegen.
In dem konkreten Fall hatte der Arbeitgeber allen Beschäftigten gekündigt, noch bevor mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt wurde. Weil der Arbeitgeber damit gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstieße, erstritt der Kläger vor dem Arbeitsgericht für sich die Zahlung des Nachteilsausgleichs. Schließlich vereinbarten Arbeitgeber und Betriebsrat doch einen Sozialplan.
Nach Angaben der Wirtschaftskanzlei Lutz Abel in Hamburg müssen Arbeitgeber nach dem Urteil keine Doppelzahlungen befürchten, wenn sie Betriebsänderungen bewusst oder irrtümlich unter Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte umsetzten. Solche Fälle kämen in der Praxis relativ häufig vor. (dpa/ag)
Urteil vom 12.02.2019
Aktenzeichen: 1AZR 279/17