Subunternehmen: Selbst oder Schein?

In Kürze Bevor ein Unternehmen vermeintlich selbstständige Arbeiter beauftragt, sollte es genau hinschauen. Wer einen abhängig Beschäftigten unter dem Deckmantel der Selbstständigkeit einstellt, den kann dies teuer zu stehen kommen. Auf der sicheren Seite sind Arbeitgeber und Selbstständige, wenn sie bei Unsicherheiten den Weg zur Deutschen Rentenversicherung wählen. Die Zusammenarbeit mit einem Selbstständigen ist sowohl für die auftraggebenden Unternehmen als auch für die Subunternehmen reizvoll. So bringt der Status des Selbstständigen für den Unternehmer den Vorteil mit sich, dass sich dieser nicht mit etwaigen arbeitsrechtlichen Ansprüchen wie Lohnfortzahlung, Urlaub und Kündigungsschutz auseinandersetzen muss. Zudem gelten keine sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten. Beiträge sind auch nicht zu leisten. Die Vergütung eines Selbstständigen ist aber höher im Vergleich zu einem abhängig Beschäftigten. Das Subunternehmen dagegen kann seine Tätigkeit frei von Weisungen des Auftraggebers erbringen und es unterliegt keiner Sozialversicherungspflicht. Dafür trägt es Selbstverantwortung beim Ausüben seiner Tätigkeit. Diese Vorteile verleiten Unternehmen häufig dazu, vorschnell von einem selbstständigen Erwerbsstatus auszugehen. Obwohl Anhaltspunkte bestehen, dass es sich vielmehr um einen Mitarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis handeln könnte, werden diese oft beiseite geschoben. Sozialversicherung nicht bezahlt Daraus ergibt sich die Problematik der sogenannten "Scheinselbstständigkeit". Von einer solchen spricht das Bundesarbeitsministerium, wenn beide Vertragsparteien von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen und daher keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren immer weitergehende Kriterien zur Scheinselbstständigkeit entwickelt. Sie ist geprägt von vielen Fällen im Baubereich, die aber auch für die Logistik angewendet werden. Jüngst hat das Landessozialgericht Hessen entschieden, dass drei Gesellschafter einer GbR beim Erbringen zugewiesener Tätigkeiten für den Kläger als Scheinselbstständige agierten (LSG Hessen, L 8 BA 51/20). Kein eigenes Unternehmerrisiko Die Bauarbeiter hätten nur ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, so das Gericht. Da der Kläger selbst Material und Werkzeug bereitstellte, waren die Arbeiter in die Baufirma eingegliedert und mussten kein eigenes Unternehmensrisiko tragen. Ein eigenes Unternehmen hätten sie aufgrund der für den Kläger aufgewendeten Arbeitszeit nicht führen können. Der Kläger musste mehr als 100.000 Euro an Versicherungsbeiträgen nachzahlen. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, so das Gericht. Der Versicherungs- und Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei Paragraf 7 Absatz 1 viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV). Neuer Trend in der Rechtsprechung Danach ist jede Beschäftigung, die nicht selbstständige Arbeit ist, als ein Arbeitsverhältnis zu bewerten. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungs-Verhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, welches Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfasst. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet. Diese Rechtsprechung prägt einen neuen Trend. Wer als Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er wirklich von einer echten freien Mitarbeit ausgehen durfte, hat vorsätzlich gehandelt und hat strafrechtliche Folgen zu erwarten. Aus der aktuellen Rechtsprechung lassen sich verschiedene Anhaltspunkte entnehmen, die für Scheinselbstständigkeit sprechen. Dabei müssen diese Kriterien nicht alle erfüllt sein. Zu diesen zählen: Weisungsgebundenheit, feste Arbeitszeiten sowie keine Reporting-Pflichten gegenüber Kunden. Weitere Punkte sind ein festes Einbinden der tätigen Person in die Infrastruktur und die Prozesse des Unternehmens, feste Bezüge und das Tragen einheitlicher Firmenkleidung. Ebenfalls ein Kriterium ist, wenn das Unternehmen über die Arbeitskraft ohne neue Vertragsverhandlung verfügen kann. Auch kein Kontakt zu anderen Firmen während der Tätigkeit sowie keine Leistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung legen eine Scheinselbstständigkeit nahe. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zunächst beim Auftraggeber tätig war: Ohne wesentliche Änderung der Art der Tätigkeit durch Vertragsänderung ergibt sich keine Selbstständigkeit. Eigenes Fahrzeug als Indiz Egal ob Frachtführer, Taxifahrer oder Pilot - im Bereich der Beförderung wird die Scheinselbstständigkeit vielfach am Merkmal des Einsatzes eines eigenen Transportmittels festgemacht. So kristallisiert sich ein Lkw-Fahrer, der Transporte ohne eigenes Fahrzeug vornimmt, in der Rechtsprechung klar als Kandidat für Scheinselbstständigkeit heraus. Dabei argumentieren die Gerichte, dass mangels Einsatzes von eigenen Betriebsmitteln kein wesentliches Unternehmensrisiko getragen wird. Die tätige Person biete lediglich eigene Arbeitskraft an, so wie es für einen abhängig Beschäftigten üblich ist. Auch die Deutsche Rentenversicherung äußerte sich in einem Rundschreiben 2022 zur Thematik. Ein Lkw-Fahrer mit eigenem Fahrzeug gilt dementsprechend auch dann als Selbstständiger, wenn er für ein einzelnes Unternehmen tätig wird und unter dessen Farben oder "Logo" die Beförderung vornimmt. Entscheidend ist nur, dass er sich seine Arbeitszeiten frei einteilen kann. Wichtig: Der Einsatz ohne eigenes Fahrzeug ist lediglich ein Indiz für Scheinselbstständigkeit. In Ausnahmefällen kann in Hinblick auf die Gesamtumstände auch ohne eigenes Fahrzeug ein unternehmerisches Risiko bejaht werden. So handelt es sich beispielsweise bei einem landwirtschaftlichen Fahrer, der saisonale Transporte für mehrere Unternehmen mit deren Fahrzeugen vornahm, um einen Selbstständigen (Urteil des LSG München, 23.11.2015, L 7 R 387/14). Ob es sich um ein eigenes Fahrzeug handelt, wird zentral am Einsatz von eigenem Kapital und Risiko festgemacht. Weiter muss neben der Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerbstätigen dieses auch durch eigene Mittel finanziert oder geleast sein. Ein handfestes Indiz für Scheinselbstständigkeit ist dagegen: die Beteiligung des Auftraggebers im Rahmen eines Finanzierungs- oder Leasingvertrags. Bei Unsicherheit Statusfeststellung Ist sich ein Unternehmen unsicher, ob ein Vertragspartner als freier Mitarbeiter oder als Arbeitnehmer einzuordnen ist, kann es dem Betrieb helfen, wenn er rechtzeitig ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren einleitet. Dafür zuständig ist die Deutsche Rentenversicherung als bundesweite Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen. Während die Unternehmen früher vor diesem Thema aufgrund der hohen Komplexität zurückschreckten, dienen die seit dem 1. April 2022 eingeführten Neuerungen dazu, die Statusfeststellung um ein Vielfaches zu vereinfachen und die Betroffenen dazu zu bewegen, das Verfahren von sich aus in Anspruch zu nehmen. Stellt sich erst im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung heraus, dass es sich bei einem Auftragsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Mitarbeiter um Scheinselbstständigkeit handelt, ist meist ein Zeitraum von mehreren Jahren verstrichen. Für das Unternehmen kann dies sehr teuer werden. Denn der Arbeitgeber muss sämtliche Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) nachzahlen. Die Möglichkeit, sich den Anteil der Sozialabgaben vom Arbeitnehmer wiederzuholen, ist dagegen auf einen Zeitraum von drei Monaten sehr begrenzt. Auf die Neuerungen beim Statusfeststellungsverfahren und weitere Folgen für Arbeitgeber geht die VerkehrsRundschau in einer der kommenden Ausgaben genauer ein. Darfs noch mehr sein? Auf unserer Profiplattform VerkehrsRundschau plus haben wir – gratis für Abonnenten – eine Checkliste mit charakteristischen Eigenschaften von selbstständiger und angestellter Tätigkeit zusammengestellt. In Fällen, in denen sich Unternehmen nicht sicher sind, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, erklären wir zudem kurz den Ablauf des Statusfestellungsverfahrens bei der Deutschen Rentenversicherung. www.verkehrsrundschau.de/plus/subunternehmen

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