Bonn. Nach Ansicht des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) führen die aus dem Mindestlohngesetz (MiLoG) folgenden Haftungs- und Verwaltungsverpflichtungen „zu untragbaren Belastungen für die Unternehmen“ in der Speditionsbranche. Rund acht Wochen nachdem der gesetzliche Mindestlohn in Kraft ist, kommt der DSLV in einer ersten Zwischenbilanz zu einer zwiespältigen Bewertung des Gesetzes.
Konkret fordert DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster eine Streichung der Auftraggeberhaftung: „Sie birgt für die betroffenen Unternehmen ein kaum kalkulierbares Risiko bis hin zur Existenzbedrohung“, wird Huster in einer aktuellen Mitteilung des Verbands zitiert. „Mindestens seien jedoch praktische und rechtssichere Freizeichnungsmöglichkeiten im Mindestlohngesetz zu verankern“, fordert der DSLV. Nach derzeitiger Gesetzeslage haftet der Auftraggeber dafür, dass alle Auftragnehmer in sämtlichen Auftragsebenen den Mindestlohn zahlen.
Kontrolle des Mindestlohns sei nicht zu leisten
Weil vor allem bei internationalen Warenversendungen mehrere, auch ausländische Transportunternehmen in vielgliedrigen Lieferketten beauftragt würden, sei die Haftungsfrage nach dem Mindestlohngesetz für deutsche Speditionen „von entscheidender Bedeutung“, betont der DSLV. Eine sichere Kontrolle aller Auftragnehmer sei in den meisten Fällen nicht zu leisten.
Eine Nachbesserung des MiLoG wünscht sich der DSLV auch bei Transit- und grenzüberschreitenden Verkehren. Für diese Verkehre wird die Einhaltung des Mindestlohns bis zur Klärung rechtlicher Fragen auf EU-Ebene derzeit nicht kontrolliert. Allerdings besteht trotz des Kontrollmoratoriums grundsätzlich weiter die gesetzliche Verpflichtung, den Mindestlohn zu bezahlen. Deutsche Verlader und Spediteure unterliegen in solchen Fällen noch immer der Auftraggeberhaftung, wie das Bundesarbeitsministerium kürzlich klarstellte.
Ein ausländischer Transit-Fahrer, der derzeit unterhalb des deutschen Mindestlohns liege, könne seinen Anspruch auf die fehlende Vergütung gegebenenfalls zivilrechtlich geltend machen. Im Umkehrschluss heißt dies: Ein deutscher Spediteur oder Verlader, der etwa einen polnischen Frachtführer beauftragt, Waren von Warschau nach Zürich zu befördern, muss weiterhin darauf achten, dass dieser Auftragnehmer seinen Leuten für den deutschen Streckenanteil mindestens 8,50 Euro pro Stunde zahlt. Wenn dies nicht geschieht, könnte der deutschen Auftraggeber verklagt werden.
DSLV-Hauptgeschäftsführer Huster fordert deshalb, dass diese Verkehre vollständig vom Mindestlohn ausgenommen werden, sofern die rigide Auftraggeberhaftung nicht korrigiert werde: „Die Anwendung auf solche Dienstleistungen erhöht nicht nur das Haftungsrisiko für deutsche Speditionen, sondern behindert auch den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit in Europa.“ Weitere Verbesserungsvorschläge des DSLV sind der Ausschluss von Bereitschaftszeiten des Fahrpersonals beim Mindestlohn und eine Reduktion der Gehaltsschwelle für die Auslösung von Dokumentationspflichten von derzeit 2.958 auf 1.900 Euro.
Ein ausführliches Positionspapier hat der DSLV auf seiner Homepage veröffentlicht. (diwi)
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