Arbeitsrecht: Beschäftigung von Flüchtlingen

Mit der EU-Massenzustrom-Richtlinie (2001/55/EG) besteht für Flüchtlinge aus der Ukraine ein vereinfachter Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Mitgliedstaaten hatten Anfang März beschlossen, diese erstmals zu aktivieren. "Die Richtlinie bietet einen Mechanismus einer EU-weit koordinierten Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen", erklärt Gunnar Roloff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ecovis in Rostock. Status zum vorübergehenden Schutz National umgesetzt wird sie durch Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz). Dieser erlaubt den Geflüchteten relativ einfach, über die Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Die Aufenthaltserlaubnis ist zunächst auf ein Jahr beschränkt und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Wenn Flüchtlinge diese beantragen, erhalten sie eine sogenannte Fiktionsbescheinigung. Sie überbrückt die Zeit, bis der Aufenthaltstitel ausgestellt ist. Der Zugang zum Arbeitsmarkt soll über den Eintrag "Erwerbstätigkeit erlaubt" auf Aufenthaltstitel und Fiktionsbescheinigung ermöglicht werden. Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge sind aktuell Frauen. Der Bildungsstand ist oft hoch. "Das Prozedere der Einstellung von Geflüchteten aus der Ukraine unterscheidet sich nicht von demjenigen anderer Flüchtlinge", so Roloff. Die Beschäftigung sei aber verhältnismäßig unkompliziert. "Am wichtigsten ist die Arbeitserlaubnis, die mit der Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll und nach unserer Erfahrung auch mit dieser erteilt wird." Was grundsätzlich zu bedenken ist Die Vorlage einer solchen Erlaubnis ist notwendig, damit Arbeitgeber einen Flüchtling aus der Ukraine überhaupt einstellen können. Eine Kopie der Aufenthaltserlaubnis mit der Arbeitserlaubnis sollte der Arbeitgeber zu seinen Lohnunterlagen nehmen, wie Jan Brumbauer, Steuerberater bei Ecovis in Falkenstein, erläutert. "Darüber hinaus wird - wie bei Beschäftigten aus Deutschland auch - eine Identifikationsnummer für den Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) und das Geburtsdatum des Arbeitnehmers benötigt." "Wenn Sprachbarrieren bestehen, ist es sicher sinnvoll, die arbeitsvertraglichen Regelungen zweisprachig zu treffen", ergänzt Roloff zum Thema Arbeitsvertrag. Das Übersetzen werde mit einigem Aufwand verbunden sein. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei aus Arbeitgebersicht eine Regelung zu treffen, nach der die deutsche Sprache maßgeblich sein soll. Bevor man sich dazu entschließt, einen Flüchtling einzustellen, gibt es einiges zu bedenken. "Der Arbeitgeber sollte sich der besonderen Situation der Geflüchteten bewusst sein. Dabei gilt es, kritisch zu hinterfragen, ob Bereitschaft besteht, Sprachbarrieren zu akzeptieren", so Roloff. "Darüber hinaus bedarf es beim Unternehmer sicher eines besonderen Maßes an Empathie, um ein Arbeitsverhältnis mit Geflüchteten für beide Seiten gewinnbringend führen zu können." Sozialversicherungsnummer kann fehlen Um die Integration in den Betrieb zu erleichtern, sei der regelmäßige Austausch wichtig und es liege am Unternehmer, entsprechende Strukturen zu schaffen. "Nach unserer Erfahrung bestehen zum Teil Sprachbarrieren. Oft können diese aber auch mit russischsprachigen Mitmenschen überwunden werden." Hier sei Kreativität unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten gefragt. "Zum Teil bieten sich auf Gemeindeebene freiwillig Dolmetscher an." Für eine gute Integration könne es hilfreich sein, zunächst an eine Teilzeitbeschäftigung zu denken, um den neuen Mitarbeitenden zu ermöglichen, an Sprachkursen teilzunehmen. Arbeitsrechtlich, sozialversicherungsrechtlich und steuerlich gibt es bei der Beschäftigung aus der Ukraine Geflüchteter grundsätzlich keine Unterschiede zu anderen Beschäftigten aus der EU, erklärt Steuerberater Brumbauer. Allein das Anerkennen von beruflichen Qualifikationen, etwa bei reglementierten Berufen, könne sich als kompliziert erweisen "oder die Beurteilung, ob unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt oder nicht". Wird eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt, würden ukrainische Geflüchtete wie deutsche Mitarbeiter in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung pflichtversichert. "Da Geflüchtete im Normalfall nicht über eine deutsche Sozialversicherungsnummer verfügen, ist diese zusammen mit der Anmeldung bei der Rentenversicherung zu beantragen." Die Rentenversicherung meldet im Anschluss die neu vergebene Sozialversicherungsnummer an den Arbeitgeber und die Einzugsstelle. Mehr zum Thema finden Sie unter #Arbeitsrecht www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten aufgrund der Massenzustrom-Richtlinie vereinfacht eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Deutschland. Ohne Arbeitserlaubnis ist keine Beschäftigung möglich. Auch weitere Dokumente werden benötigt. Außerdem gilt es, die Geflüchteten mit Empathie zu integrieren. Wo gibt es mehr Infos und Hilfe? Information zur Integration bietet etwa das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge: www.nuif.de oder eine Plattform von BDA, BDI, ZDH, Arbeitsagentur: www.erfolgreich-integrieren.de- Die Arbeitsagentur berät telefonisch auch unter der Hotline für Arbeitgeber: 0800 4 5555 20 (Hinweise zur Erstellung, Vermittlung sowie zu Fördermöglichkeiten, die individuell nach Einzelfall geprüft werden) Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finden sich hier: www.bamf.de/bamf-navi Der Arbeitgeberverband BDA hat einen FAQ etwa zu rechtlichen Fragen zusammengestellt: arbeitgeber.de/krieg-in-der-ukraine-faq-derbda-zu-aktuellen-themen Beispiele für Jobbörsen speziell für Flüchtlinge: workeer.de, www.jobaidukraine.com Exklusiv online Damit die Sozialversicherungsnummer vergeben werden kann, sind folgende Angaben des Arbeitnehmers notwendig: Name, Geburtsname – wenn abweichend, Geburtsort, Geburtsdatum, Geschlecht, Staatsangehörigkeit. Für den Abruf der ELStAM ist wie schon erwähnt eine Identifikationsnummer notwendig, die die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Deutschland im Normalfall noch nicht besitzen dürften. „Die Vergabe der Steuer-ID wird entweder durch die Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde des Unterbringungsorts der Geflüchteten angestoßen oder kann separat beantragt werden“, erklärt Brumbauer. Den Antrag könne auch der Arbeitgeber übernehmen, wenn er vom Arbeitnehmer bevollmächtigt wird. Sprachbarrieren abbauen Sind die formalen Aufgaben angegangen, ist es daneben zum Beispiel wichtig, Sprachbarrieren abzubauen – etwa über Sprachkurse. Dafür bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Möglichkeit. „Die Sprachförderung von Geflüchteten aus der Ukraine, die nach Deutschland kommen, gehört zu den besonderen Anliegen der Bundesregierung. Ziel ist insbesondere, Geflüchteten die erste Orientierung in Deutschland zu erleichtern und ihren Beratungsbedarf zu decken“, sagt Christoph Sander, Sprecher des Bundsamts für Migration und Flüchtlinge. So sind verschiedene Kurse und Angebote für die Flüchtlinge aus der Ukraine, die unter den Anwendungsbereich des §24 Aufenthaltsgesetz fallen, geöffnet worden. Dazu zählen Erstorientierungskurse für Asylbewerber, Migrationsberatung für Erwachsene des Bundes (MBE), das Programm „Migrantinnen einfach stark im Alltag“ (MiA-Kurse), Integrationskurse sowie Berufssprachkurse. Für weitere Informationen und zu den Anmeldemodalitäten hat das BAMF ein Informationsblatt (Integrationsangebote für Geflüchtete aus der Ukraine) als PDF zusammengestellt. Hilfe und Beratung Außerdem kann die Arbeitsagentur Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen möchten, mit verschiedenen Angeboten unterstützen: „Wir empfehlen Unternehmen auf den Arbeitgeber-Service vor Ort zuzugehen“, so Olga Schwalbe, Pressereferentin der Bundesagentur für Arbeit. Dieser helfe Arbeitgebern durch Beratung und Vermittlung weiter. „Er informiert die Betriebe darüber, wie sie geflüchtete Menschen einstellen können und unterstützt sie bei der Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern.“ Außerdem berate der Service auch zu den Fördermöglichkeiten wie Eingliederungshilfen und Zuschüsse zur Weiterbildung von Beschäftigten. Er gebe Hilfestellung und Tipps für eine erfolgreiche Integration der Geflüchteten im Betrieb. „Die Förderung hängt jedoch vom Einzelfall ab und wird individuell geprüft. Deshalb ist es lohnenswert, sich mit dem Arbeitgeber-Service vor Ort im Rahmen der Einstellung in Verbindung zu setzen.“ Und wer kann bei bestimmten anderen Themen noch weiterhelfen? „Wichtige Ansprechpartner für die Einstellung von ukrainischen Geflüchteten sind die Meldebehörde für die Registrierung und Erteilung der Identifikationsnummer, wenn die Flüchtlinge einen Wohnsitz begründen“, so Gunnar Roloff abschließend. Die Ausländerbehörde helfe beim Thema Erteilung der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis weiter. Für das Erstellen von Arbeitsverträgen seien kompetente Steuer- oder auch Lohnabrechnungsbüros sowie Rechtsberater wichtige Ansprechpartner. mwi

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