Berlin. Am heutigen Donnerstag verabschiedet der Bundestag das Mindestlohngesetz. Die namentliche Abstimmung ist für den frühen Nachmittag angesetzt, zur Stunde läuft die abschließenden Beratung im Bundestag. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales wurde am Vortag der zwischen den Koalitionsfraktionen von Union und SPD ausgehandelte Kompromiss mit den Stimmen der Koalition und der Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen.
Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Mindestlohn zusammengestellt:
Wer haftet, wenn der gesetzliche Mindestlohn nicht gezahlt wird?
Laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit einer Werk- oder Dienstleistung beauftragt, wie ein Bürge dafür, dass der beauftragte Unternehmer oder dessen Nachunternehmer den Mindestlohn zahlt. Der Auftraggeber muss also auch für ein Unternehmen einstehen, mit dem er keinen Vertrag geschlossen hat und das er gegebenenfalls nicht kennt.
Weiterhin ist er während der Geschäftsabwicklung gehalten, die notwendige Sorgfalt walten zu lassen. Werden ihm konkrete Anhaltspunkte bekannt, die befürchten lassen, dass der Auftragnehmer seiner Pflicht, den Mindestlohn zu zahlen, nicht nachkommt, muss er geeignete Maßnahmen ergreifen, um solchen Verstößen entgegenzuwirken.
„Jeder Arbeitnehmer eines jeden im Rahmen der Auftragsabwicklung eingesetzten Nachunternehmers kann sich an den ursprünglichen Auftraggeber halten, wenn sein Arbeitgeber ihm den Mindestlohn nicht zahlt “, erklärt Detlef Neufang, Justiziar des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Von diesem könne er die Differenz von vorgeschriebenem Mindestlohn und tatsächlich gezahltem Nettoentgelt verlangen.
An diesem Paragrafen stört sich neben dem BWVL auch der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV): „Der Staat darf seine Kontrollpflicht nicht auf die Wirtschaft abwälzen“, kritisiert Andreas Stommel, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Spedition und Logistik Deutschland (ASL), der die Arbeitgeberinteressen der DSLV-Mitglieder vertritt. Eine solche Regelung sei unkalkulierbar und praxisfremd.
Welche Strafe droht bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz?
Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen das geplante Mindestlohngesetz verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Diese ist bei schweren Delikten mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro verbunden. „Eine solche Strafe riskiert zum Beispiel, wer Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang – was immer das auch heißen mag – von einem anderen Unternehmer ausführen lässt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser nicht den Mindestlohn zahlt“, erklärt Neufang. Bei Verstößen unter anderem gegen die Anmelde- oder Dokumentationspflicht droht immerhin ein Bußgeld bis zu 30.000 Euro.
Wie können sich Auftraggeber gegen Haftungsrisiken absichern?
Die Haftung bei Verstößen gegen das geplante Mindestlohngesetz entfällt nach dem Kabinettsentwurf nur dann, wenn der Auftraggeber nachweist, dass er weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nicht nachkommt.
Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, wie hoch die Latte für die Fahrlässigkeit gehängt werde, sagt Neufang. „Weil sich der Auftraggeber schwierig vom Vorwurf des Verschuldens befreien kann, dürfte es häufiger zu Rechtsstreitigkeiten kommen."
Der BWVL-Justiziar hält es für unabdingbar, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer im Vertrag auf die Einhaltung des Mindestlohngesetzes verpflichtet. „Gleichzeitig sollte er mit dem Auftragnehmer vereinbaren, dass dieser mit Nachunternehmern gleichlautende Vereinbarungen trifft und ein Entgelt aushandelt, dass es zulässt, den Mindestlohn zu zahlen“, sagt Neufang.
Wenn der Auftraggeber auf diese Weise einen seriösen und zuverlässig erscheinenden Unternehmer beauftragt, enden nach Ansicht des Rechtsanwalts dessen Einflussmöglichkeiten. „Andere Maßnahmen zur Risikobegrenzung gibt es nicht, weil sich Auftragnehmer in der Regel nicht in die Bücher schauen lassen und die für die Preiskalkulation maßgeblichen Lohnkosten auf den Tisch legen wollen“, erläutert er. Und wenn er es zuließe, wäre das für den Auftraggeber unter Umständen heikel – wegen des Verdachts der Scheinselbstständigkeit. „Wer vor allem einem kleinen Subunternehmer diktiert, wie er seine Geschäfte zu machen hat, läuft Gefahr, dass er sich einen Arbeitnehmer ans Bein bindet“, sagt Neufang.
Was kommt an Papierkram auf das Güterverkehrsgewerbe zu?
Laut dem Gesetzentwurf müssen Unternehmen bestimmter Branchen künftig die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren. Dazu gehört auch das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe.
Für den Fall, dass der Zoll kontrolliert, muss der Arbeitgeber die Dokumente mindestens für die Dauer der Werk- oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre bereithalten. Auf Verlangen der Prüfbehörde müssen die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung vorzeigbar sein.
„Bei den LKW-Fahrern stellt das keine zusätzliche Herausforderung dar, weil das digitale Kontrollgerät automatisch die Arbeitszeit erfasst“, erklärt Frank-Peter Gentze, Geschäftsführer des Ausschusses für Sozialpolitik beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Er geht aber davon aus, dass die neue Dokumentationspflicht bei allen anderen Arbeitnehmern zu Umstellungen führt. Stommel vom ASL ist daher gegen den zusätzlichen Papierkram. Der führe zu erhöhten Bürokratiekosten und benachteilige einzelne Wirtschaftszweige, sagt er.
Welche Regeln gelten für ausländische Unternehmen?
Auch Betriebe aus anderen Ländern müssen künftig die 8,50 Euro zahlen, wenn sie ihre Fahrer auf Tour nach Deutschland schicken oder innerhalb der Bundesrepublik Güter transportieren. Im Gesetzentwurf steht, dass der Mindestlohn für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer von Arbeitgebern mit Sitz im In- oder Ausland gilt.
Das heißt, auch Kabotage- und Transitfahrten in beziehungsweise durch Deutschland fallen unter das geplante Mindestlohngesetz. „Dadurch könnte Dumpingangeboten vor allem mit osteuropäischem Personal ein Riegel vorgeschoben werden, um die Spirale nach unten zu stoppen“, sagt BGL-Experte Gentze. Wegen des harten Wettbewerbs im europäischen Transportmarkt würden die Arbeitsbedingungen zunehmend schlechter – auch für Fahrer aus Osteuropa. (ag)