EU-Mobilitätspaket und der digitale Tachograf: Grenzerfahrungen

In wenigen Wochen treten weitere Neuregelungen aus dem sogenannten Mobilitätspaket in Kraft, das die EU im Sommer 2020 verabschiedet hat. So werden beim Thema "Entsendung der Fahrer ins Ausland" die Regelungen ab dem 2. Februar 2022 EU-weit vereinheitlicht. Dies bringt auch neue Pflichten für Lkw-Fahrer in Sachen Tachografenbedienung mit sich. Ab 2. Februar müssen sie Grenzübertritte am Tacho manuell dokumentieren - zumindest übergangsweise. Die Einführung der zweiten Generation des Smart Tachos, die die Erfassung von Grenzübertritten laut EU-Verordnung automatisch können muss, ist nämlich erst ab August 2023 vorgesehen - vorerst auch nur für alle neu registrierten Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen. Für alle Fahrzeuge, die im grenzüberschreitenden Verkehr noch gänzlich ohne intelligenten Fahrtenschreiber unterwegs sind, ist die neue Generation erst ab Ende 2024 verpflichtend. Ab August 2025 müssen schließlich auch Lkw, die mit dem ersten Smart Tacho fahren, auf die zweite Generation umgerüstet sein. Das bedeutet: Für eine gar nicht so knapp bemessene Übergangszeit müssen Fahrer den nächstmöglichen Halteplatz an oder nach einer Grenze ansteuern und dann das Symbol des Landes eingeben, in das sie gerade eingereist sind. Das Timing könnte besser sein Warum die Verordnungen zeitlich nicht besser koordiniert wurden, weiß Olaf Horwarth. Er ist offizielles Mitglied im Tachografenforum der EU-Kommission und in weiteren Arbeitsgruppen der EU aktiv. Mit seiner Firma SBS schult und berät der zertifizierte Trainer, Berater und Buchautor zum Thema Lenk- und Ruhezeiten und Tachograf. "Zum Zeitpunkt der Einführung des Smart Tacho stand erst einmal die bessere Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten im Fokus der Tachografenverordnung. Dass ein Mobilitätspaket mit neuer Entsenderichtlinie und Kabotageregeln kommt, war seinerzeit noch nicht klar und so fehlten auch die entsprechenden Anforderungen an das Gerät", erklärt Horwarth. Das sei nun geschehen: "Die Tachografenverordnung wurde dahingehend erweitert, dass eine neue Generation des Smart Tachografen künftig per Speicherung der Positionsdaten auch die Einhaltung der Entsendelinien und Kabotageregeln besser überwachbar machen soll", so Horwarth. Was die Regelung in der Praxis bedeutet, erklärt er im Interview auf dieser Seite. Continental hat die Arbeit an der zweiten Smart-Tacho-Generation VDO DTCO 4.1 bereits begonnen. Grenzübertritte wird das Gerät per Satellitenpositionssystem dann automatisch erfassen. "Die Entwicklungszeiträume sind sehr begrenzt und wir setzen alles daran, den gesetzlichen Einführungstermin für 2023 einzuhalten", sagt Dirk Gandras, der für die Tachografen zuständige Programmleiter im Geschäftssegment Commercial Vehicle Fleet Services bei Continental. Bis dahin sei übrigens kein Upgrade für die aktuelle Generation des intelligenten Tachografen von VDO bezüglich der automatischen Erfassung von Grenzübertritten geplant, so Gandras auf Nachfrage. Für die Zeit, in der dieses Feature noch nicht zur Verfügung steht, müssen sich Lkw-Fahrer also zwingend mit der Ländereingabe beim Grenzübertritt auseinandersetzen. Immerhin haben die Hersteller ihren aktuellen Gerätegenerationen Updates spendiert, die das Prozedere erleichtern. "Die komfortabelste Variante bietet Stoneridge: Stoppt der Fahrer nach der Grenze, erscheint direkt am Display des SE-5000 8.0 automatisch eine Aufforderung, das per Satellit ermittelte Land zu bestätigen", erklärt Experte Horwarth. Auch der VDO-Tachograf in der neuesten Version DTCO 4.0e kann den Grenzübertritt dank Satellit erkennen. "Beim VDO wird nach dem Update zwar auch das per Satellit ermittelte Land als erster Ländervorschlag angezeigt - aber eben erst im entsprechenden Menüpunkt Länderauswahl und nicht automatisch im Display", sagt Horwarth. Er verweist zudem auf eine weitere Neuerung bei Stoneridge: "Beim Ein- und Abschalten der Zündung erscheint automatisch die Abfrage nach dem Land zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit." Nicht zuletzt stellt sich aber die Frage, wie es in der Praxis aussehen wird, wenn jeder Lkw-Fahrer kurz nach der Grenze am nächstmöglichen Halteplatz anhalten muss, um das neue Land auszuwählen beziehungsweise zu bestätigen. Auch wenn dies nur ein, zwei Minuten dauern dürfte - es könnte demnächst eng werden auf grenznahen Parkplätzen. Mehr zum Thema finden Sie unter #Tachograf www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Neuregelungen aus dem EU-Mobilitätspaket, die im Februar in Kraft treten, sollen die Entsende- und Kabotageregeln besser überwachbar machen. Das betrifft auch den Digitacho, an dem Grenzübertritte künftig dokumentiert werden müssen. Da das noch nicht automatisch geht, müssen die Fahrer manuell ran. Interview mit Olaf Horwarth, Geschäftsführer SBS-SchulungBeratungService "Bin sehr gespannt, was ab Februar passiert" Was bedeuten die neuen Regeln in der Praxis?Der Fahrer muss nach Überqueren einer Grenze manuell das Symbol beziehungsweise den Namen des Landes am Tachografen eingeben, und zwar auf dem nächstmöglichen Halteplatz an oder nach der Grenze. Der Tacho lässt diese Eingabe nur zu, wenn das Fahrzeug wirklich steht. Laut Vorschrift muss der Fahrer auf einem für den Fahrzeughalt geeigneten Platz anhalten - das kurze Anhalten auf dem Standstreifen verbietet sich also. Die EU-Kommission hat in ihren Guidelines festgelegt, dass am VDO und Intellic-Gerät die Eingabe "Beginn Land" zu verwenden ist. Bei Stoneridge heißt das "Start Ort".Wenn jeder Lkw kurz nach der Grenze anhalten muss, um das neue Land einzugeben, droht dann nicht Chaos?Ich bin tatsächlich sehr gespannt, was ab dem 2. Februar passiert. Es gibt in Europa Grenzübergänge, wo die Lkw unterstützt von der automatischen Mauterfassung nur so durchrauschen. Was die neue Vorschrift für den Verkehrsfluss an den Grenzen bedeutet, wird sicherlich sehr spannend.Was blüht eigentlich Fahrern, die auf die Dokumentation des Grenzübertritts verzichten?Bislang war in der EU-Verordnung 403, die die Einstufung schwerwiegender Verstöße im Straßenverkehr regelt, die Ländereingabe noch nicht berücksichtigt. Es wird aber pünktlich zum Inkrafttreten der neuen Entsenderichtlinie eine entsprechende Ergänzung geben. Das Nicht- oder falsche Eingeben des Ländersymbols nach Grenzübertritt wird dann einen sehr schweren Verstoß darstellen, also einen VSI. Hier in Deutschland könnten mindestens 75 Euro pro Tag bis hin zu 250 Euro Strafe fällig werden. In anderen europäischen Ländern kann es durchaus noch teurer werden.Wird es eine "Schonfrist" für die Sanktionierung geben?Das obliegt den einzelnen Staaten, ob diese die Kontrollorgane anweisen, für eine gewisse Zeit ein Auge zuzudrücken. mh

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