Lager: 5G oder besser Wifi 6?

In Kürze Der schnelle Mobilfunkstandard 5G wurde bereits als Schlüsseltechnologie für die Logistik 4.0 gehandelt, da waren die Lizenzen noch nicht mal vergeben. Mittlerweile steht mit dem neuen Wifi 6 ein neuer WLAN-Standard zur Verfügung, der mit höheren Netzwerk-Kapazitäten und Datenraten als seine Vorgänger punktet. Für welche Anwendungen welche Technologie infrage kommt. Geringe Latenz, hohe Bandbreite und Zuverlässigkeit - der aktuelle Mobilfunkstandard 5G wurde schon frühzeitig als Schlüsseltechnologie für effiziente Lagerprozesse gehandelt. Größere Projekte in Logistikumgebungen haben aber nach wie vor Pilotcharakter. Arvato Supply Chain Solutions etwa hat Anfang des Jahres am Standort Marienfeld ein 5G-Standalone-Campusnetz von O2 Telefónica in Betrieb genommen. Sogenannte Campusnetze sind nicht an ein öffentliches Netz angebunden; das Arvato-Netz funkt in diesem Fall auf einer Fläche von 32.000 Quadratmetern und versorgt 280 Mitarbeitende sowie Scanner und Logistiksysteme. Laut O2 Telefónica sorgen kurze Reaktionszeiten von bis zu 10 Millisekunden dafür, dass die beim Scanvorgang erzeugten Daten noch schneller verarbeitet werden. Gleichzeitig vernetze 5G mehr mobile Endgeräte auf engstem Raum miteinander, als es mit WLAN möglich sei, und ermögliche eine lückenlose Abdeckung aller Bereiche der Halle. Jannine Schrön, Vice President Industry Vertical Tech bei Arvato Supply Chain Solutions, bezeichnet die 5G-Technologie als wichtigen Baustein, um die Digitalisierungsstrategie weiter voranzutreiben. "Sie bringt nicht nur Geschwindigkeitsvorteile im Alltag, sondern ermöglicht es uns auch, weitere digitale Anwendungen zu entwickeln und auszuprobieren", sagt Schrön. Dazu zählen etwa 5G-vernetzte Logistikdrohnen und die Nutzung autonomer Transportsysteme. Auch in der Forschung werden die Möglichkeiten von 5G in der Logistik erprobt. Seit Anfang des Jahres verfügt der Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (FML) an der TU München über ein ebenfalls von O2 Telefónica errichtetes und betriebenes privates 5G-Campusnetz in seiner Versuchshalle. Laut Leonhard Feiner, Teamleiter am Lehrstuhl für FML, spiele 5G seine große Stärke bei Robotik-Anwendungen aus, weil es durch Priorisierung eine gesicherte Übertragung von Nachrichten erlaube. "Im Gegensatz zum WLAN, wo es zu kurzen Übertragungs-verzögerungen kommen kann, ist 5G auf eine echtzeitfähige Übermittlung ausgelegt. Das ist ein Riesenvorteil", so Feiner. Im Zentrum der Forschung steht die Vernetzung von Automated Guided Vehicles (AGVs), die Auswertung von Bilddaten für die Wahrnehmung der Roboter und die Steuerung heterogener Flotten. "Wir haben auch einen Stapler auf Teleoperation umgerüstet. Da sitzt der Fahrer praktisch im Homeoffice und steuert den Stapler sicher und nahezu ohne Latenz durch die Halle", sagt Feiner. 5G-Netz zum Ausprobieren Dass 5G momentan vor allem für Automatisierungs-Anwendungen relevant ist, zeigt auch das Beispiel Stäubli. Der Hersteller mobiler Transportroboter hat die Mobilfunk-Kompatibilität seiner Lösungen jüngst mit dem privaten 5G-Netz von M3connect erfolgreich erprobt. Im Entwicklungslabor von Stäubli errichtete der Wireless Internet Service Provider eigenen Angaben zufolge temporär ein 5G-Campusnetz. In diesem Zeitraum wurden mehrere Anwendungen in das 5G-Netz eingebunden und erprobt. Neben der Kopplung eines mobilen Roboters mit einer 5G-Smartphone-Steuerung wurde zwei Koppel-Plattform-Fahrzeugen das Ausführen von kooperativen Fahrmanövern über 5G ermöglicht. "Viele Kunden gehen bei dem Aufbau von 5G von einem großen Planungs- und Installationsaufwand aus. Unser mobiles 5G-System jedoch ist in 15 Minuten betriebsbereit", verspricht Justin Eichenlaub, Head of Cellular Solutions M3connect. So könnten Kunden ihre 5G-Anwendungen testen, ohne kostenintensive Anschaffungen tätigen zu müssen. Wifi 6 - das schnellste WLAN Anwender, die eher wenig Automatisierungspläne verfolgen, dürften dagegen mit der neuesten WLAN-Generation zurechtkommen. Die Stückgutkooperation CargoLine etwa hat ihren im März eröffneten Zentral- und Europahub in Niederaula vom Logistik-IT-Spezialisten Eikona Logistics mit Wifi 6 ausrüsten lassen. Laut René Wagenhäuser, Teamlead IT-Services und Prokurist bei Eikona Logistics, sind in der Halle rund 25 Access Points verbaut worden; die Gesamtinvestition in die Hardware betrug rund 30.000 Euro. Der wichtigste Unterschied zu vorangegangenen WLAN-Standards: Während der Zugriff von vielen Geräten gleichzeitig bislang zu einer Überforderung des WLANs führen konnte, werden die Daten unter Wifi 6 gebündelter und effizienter verteilt - Stichwort Airtime Fairness. "Die Funktion erkennt, wenn ein Endgerät die Datenübertragung schon in kurzer Zeit abschließen kann und gewährt schnellen Geräten Vorfahrt", erklärt Wagenhäuser. Somit sei unerheblich, wie viele Geräte das Netz nutzen. Bei CargoLine in Niederaula seien es zu Spitzenzeiten mehrere Hundert, von Scannern/MDEs für den Hallenumschlag über die Fahrerscanner bis hin zu privaten Geräten. Darüber hinaus haben auch die Stapler eine WLAN-Anbindung. Standort-Leiter Uwe Heinbach zeigt sich jedenfalls zufrieden: "Was wir nach den ersten Monaten sagen können, ist, dass das System stabil und störungsfrei läuft und wir mit einem flüssigen Datenaustausch arbeiten können." 5G ist für die Hubs von CargoLine noch kein Thema. Auch Leonhard Feiner von der TU München meint, dass Anwender, die allenfalls über Teilautomatisierung nachdenken, bei Indoor-Anwendungen noch mit schnellem WLAN zurechtkommen. "Für künftige Outdoor-Anwendungen allerdings, wie etwa autonome Fahrzeuge auf dem Hof oder Werksgelände, ist 5G wahnsinnig interessant", betont der Experte. Das Ganze sei aber auch eine Kostenfrage. Wer selbst die Hardware anschaffen will, müsse derzeit mit einem sechsstelligen Invest rechnen. "Viele KMUs sind da raus. Aber wie bei allen neuen Technologien wird es auch hier mit den Hardware-Preisen schnell nach unten gehen", prognostiziert Feiner. Interview Welche logistischen Anwendungen die TU München konkret in ihrem 5G-Campusnetz in Garching testet und was man beim Betrieb eines privaten 5G-Netzes berücksichtigen muss, erklärt Leonhard Feiner vom Lehrstuhl für FML – Fördertechnik Materialfluss Logistik an der TU München im Interview auf unserem Profi-Portal VerkehrsRundschau plus. www.verkehrsrundschau.de/plus/feiner-interview

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