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Interview: Gas-Engpass – was nun?

28.07.2022 09:45 Uhr | Lesezeit: 3 min
Gas-Engpass – was nun?
Warnt vor Gas-Engpässen: Falko Thomas, Vorsitzender des Vorstandes des VDKL
© Foto: Thermotraffic

Ohne Gas, keine Kühlung: Warum dies die Versorgung von uns allen bedroht, sagt Falko Thomas, Vorsitzender des Vorstandes der Deutscher Kühlhäuser & Kühllogistikunternehmen (VDKL) und Geschäftsführer von Thermotraffic, im Interview mit der VerkehrsRundschau.

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Mittlerweile gelangt wieder Erdgas von Russland nach Deutschland, nachdem im Juli die Nord-Stream-Pipeline zehn Tage lang gewartet worden war. Trotzdem warnen Sie als Vorsitzender des Verbandes Deutscher Kühlhäuser & Kühllogistikunternehmen (VDKL), jetzt schon davor, dass Putin Deutschland völlig den Gashahn zudreht. Warum?

Die Situation ist für die gesamte Kühl- und Tiefkühlwirtschaft sowie Kühllogistik außerordentlich belastend. Denn diese Unternehmen stellen die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit allen temperaturgeführten Lebensmitteln sicher, also Tiefkühlprodukten und frischen Waren.

Zusätzlich übernehmen die Kühllogistikunternehmen die Lagerung, den Transport und die Versorgung mit temperaturabhängigen lebenswichtigen Medikamenten, Impfstoffen, Blutplasma und Blutseren. Fallen Teile dieser professionellen Kühl- und Tiefkühlkette aus, hat das dramatische Auswirkungen auf die entsprechende Versorgung der deutschen Bevölkerung. Und Gas spielt bei alledem eine ganz erhebliche Rolle.

 Warum ist Gas in der Kühl- und Tiefkühlwirtschaft so wichtig?

Zahlreiche Kühlhäuser produzieren ihren Strom für die Kälteerzeugung mittlerweile selbst. Dies erfolgt mit gasbetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW), die noch vor einigen Jahren von Bund und Ländern als nachhaltiger Beitrag zum Umweltschutz beworben und gefördert wurden. Eben diese Anlagen sind von Gas abhängig. Das birgt eine dramatische Planungsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen. Im Extremfall bedroht dies sogar deren Existenz.

Produzieren wirklich alle Kühlhäuser hierzulande, so wie Sie es schildern, Ihren Strom für die notwendige Kühlung ausschließlich über Gas? Oder nutzen Sie dafür fallweise auch andere Energieträger?

Kühl- und Tiefkühllogistikzentren setzen natürlich auch vielfach andere Energieträger ein. So erfolgt die Kälteerzeugung kontinuierlich und zunehmend über den Einsatz von regenerativen Energien, etwa Photovoltaik-Anlagen auf Kühlhausdächern oder Windkraftanlagen.

Wie bereiten sich jetzt Kühlhäuser und Kühllogistiker auf die die Rationierung von Gas, möglicherweise sogar das Gas-Aus, vor?

Die Unternehmen haben ihre Energieeffizienzmaßnahmen in den letzten Monaten nochmals ganz erheblich intensiviert. Wobei für die Firmen die kontinuierliche Prüfung und professionelle Verbesserung der Energieeffizienz schon immer einen sehr hohen Stellenwert hatte.

Im Übrigen aktualisiert eine Arbeitsgruppe unseres Verbandes gerade einen VDKL-Praxisleitfaden zur Verbesserung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Kühlhäusern – sowohl für Bestandsgebäude als auch für Neubauten. Dabei haben wir bei der Prüfung der Verbrauchs-Kennzahlen innerhalb der Branche festgestellt, dass der Energieverbrauch innerhalb der letzten zehn Jahre in der temperaturgeführten Logistik gegenüber dem Jahr 2009 durchschnittlich um über 25 Prozent gesunken ist

Die Lage für Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen ist aufgrund der Gas-Misere trotzdem ernst. Wie kann die Politik da noch helfen, um das Worst-Case-Szenario zu vermeiden?

Wir sehen und begrüßen ja, dass in Berlin derzeit zahlreiche Möglichkeiten intensiv geprüft werden, um eine stabile Gasversorgung in den kommenden Wintermonaten zu gewährleisten. Unsere Unternehmen brauchen jedoch so langsam Planungssicherheit!

Noch ist der „Notfallplan Gas“ dafür nicht genügend aussagekräftig. So fehlen in der gesamten Kühl- und Tiefkühlwirtschaft nach wie vor ausreichende Informationen, nach welchen Kriterien im Falle einer konkreten Gasmangellage die temperaturgeführte Lebensmittelwirtschaft und Logistik geschützt werden wird. Die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist aber, meinen wir, genauso schutzwürdig, wie der Betrieb eines Krankenhauses oder einer Polizeidienststelle.

Hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei Ihnen schon gemeldet, dass er Ihre Branche als systemrelevant und schutzwürdig einstufen wird?

Ja, das Bundeswirtschaftsministerium hat sich bei uns gemeldet und Bundesminister Robert Habeck ist sich der Schutzwürdigkeit der temperaturgeführten Lebensmittellogistik sicher durchaus bewusst. Dass die Kühl- und Tiefkühllogistik systemrelevant ist, steht seit Beginn der Corona-Krise auch bereits ausdrücklich fest. Systemrelevanz bedeutet allerdings nicht automatisch auch Schutzwürdigkeit im Sinne des Notfallplanes Gas. Hierfür gelten unterschiedliche Anforderungen.

Leider gibt es aber seit Monaten keine konkreten Aussagen, nach welchen Kriterien die Schutzwürdigkeit von Unternehmen am Ende bemessen wird. Dies ist nicht nachvollziehbar und verunsichert natürlich.   Allerdings ist es für mich auch schwer vorstellbar, dass die Grundversorgung der deutschen Bevölkerung mit temperaturgeführten Lebensmitteln und Medikamenten tatsächlich gefährdet werden könnte.

Gibt es in der Kühl- und Tiefkühlbranche einen Plan B, wenn Putin tatsächlich in wenigen Tagen den Gas-Hahn zudreht? Und wenn ja, wie seht dieser aus?

Die Unternehmen prüfen seit Monaten intensiv verschiedene Notfallszenarien. Nicht nur hinsichtlich einer Gasmangellage, sondern auch für den Fall von generellen Stromengpässen. Denn den etwaigen Wegfall von Gasmengen müssen wir durch einen verstärkten Einsatz von Strom kompensieren. Aber auch hier stehen wir vor großen Herausforderungen, vor denen ich jetzt schon warne: Im Winter haben wir nun einmal weniger Sonne, und es kann auch mal eine längere Windflaute herrschen. Auf jeden Fall wird unsere Branche aber den Einsatz von regenerativen Energien für die Strom- und damit Kälteerzeugung deutlich ausbauen und beschleunigen. Das steht im Fokus unserer strategischen Entscheidungen.

Mittelfristig mag das die Lösung sein. Aber was hilft Ihnen und uns allen da kurzfristig?

Es gilt nun zunächst die Gasspeicher so schnell wie möglich weiter zu füllen. Zusätzlich müssen wir in allen Branchen die Energieeffizienz der Unternehmen weiter verbessern. Es muss an allen Stellschrauben gedreht werden, die in Frage kommen. Im VDKLarbeiten wir, wie gesagt, in einer Arbeitsgruppe aus Unternehmen, Technikern, Logistikern und Beratern an neuen und aktualisierten Empfehlungen zur Energieeinsparung sowohl für Bestandsgebäude als auch Neubauten. Die Unternehmen erhalten unter anderem konkrete Checklisten, wie sie in ihrem gesamten Betrieb von der Kälteerzeugung über die Lagerräume bis hin zu den Verwaltungsgebäuden mit Sozialräumen den Energieverbrauch auf ein Minimum reduzieren können.

Sie sind ja nicht nur Vorsitzender des VDKL, sondern auch Geschäftsführer der mittelständischen Kühllogistikers Thermotraffic. Wie wirkt sich die Gas-Misere auf Ihr Unternehmen aus?

Unser Hauptgeschäftsfeld sind nationale und internationale Kühl- und Tiefkühltransporte, die wir weitgehend mit hochmodernen Diesel-Lkw durchführen. Die gegenwärtige Gasproblematik betrifft unser Unternehmen daher eher untergeordnet. Als Vorsitzender des VDKL setze ich mich aber natürlich für die gesamte Kühl- und Tiefkühllogistikbranche ein.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa

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