München. Die Transport- und Logistikbranche leidet seit Jahren an Fachkräftemangel. Umso wichtiger ist es, den passenden Nachwuchs für den eigenen Betrieb zu finden sowie zu halten. Welche Wege müssen Branchenunternehmen gehen, um das Fachpersonal von morgen ins Boot zu holen?
Vier Vertreter von deutschen Speditionen tauschten sich in einem digitalen Seminar der VerkehrsRundschau, anlässlich der Messe Transport Logistic, zum Thema „Fachkräfte von morgen finden: Trends bei der Nachwuchssuche für Transport und Logistik“ aus.
Arbeitskräftepotential sinkt stark
Michael Cordes, stellvertretender Chefredakteur der Verkehrsrundschau und Moderator der Veranstaltung, leitete das Seminar ein: „Das Arbeitskräftepotential in Deutschland sinkt und das mit zunehmendem Tempo.“ Als Beleg zitierte er die kürzlich veröffentlichte Frühjahrsprognose führender Wirtschaftsforschungsinstitute. Darin heißt es, dass der Anteil der 15 bis 64-Jährigen der Gesamtbevölkerung 1992 noch 69 Prozent betrug, 2020 sei dieser allerdings auf 65 Prozent abgesackt und soll 2030 nur noch 60 Prozent betragen.
Ausbildungsleiterin Region Ost bei der Nagel-Group, Isabelle Rottzoll, bildet unter dem Motto „Nachwuchstalente finden und entwickeln“ 600 junge Menschen deutschlandweit aus. Der Lebensmittellogistiker kann eine Übernahmequote von 80 Prozent garantieren und bietet ein abwechslungsreiches Azubiprogramm mit Exkursionen und Onboardings. Rottzoll gab außerdem einen Einblick in die tatsächliche Anwerbung von neuen Fachkräften: „Die Nagel-Group wirkt unter anderem in Arbeitskreisen von Schulen mit und kontaktiert Sportvereine.“ Ein Problem bei der Suche nach neuen Auszubildenden sei jedoch das immer noch schlechte Image der Logistikbranche.
Trotz Corona viele tolle Bewerbungen
Philipp Doll von der Landauer Transportgesellschaft Doll KG bezog sich in seiner Präsentation vor allem auf den bevorstehenden Generationswechsel der Branche und der damit zwingend folgenden Digitalisierung: „Da muss man auch als mittelständisches Unternehmen mitgehen“, appellierte er. Flache Hierarchien sowie Homeoffice- und Teilzeit-Möglichkeiten wären bei Bewerbungsgesprächen oft ein Thema. An den vier Standorten des Familienunternehmens in Garching bei München, Hockenheim, Passau und Regensburg können Interessierte zwischen fünf verschiedenen Ausbildungs- und Studienangeboten wählen. Und das Konzept funktioniert: „Trotz Corona haben wir dieses Jahr viele tolle Bewerbungen bekommen“, berichtete Doll.
Appell an die Kollegen: "Mehr ausbilden!"
Mit den Worten „Logistik braucht mehr Akzeptanz durch neue Wege“, schloss sich Wolfram Dischner, Geschäftsführer der Spedition Dischner, seinen Vorrednern an. Er beschäftigt derzeit rund 100 Mitarbeiter in 90 Fahrzeugen. Mit einem modernen Internetauftritt und ungewöhnlichen Werbemaßnahmen will der Betrieb bei den Jugendlichen punkten: „Wir machen Kinowerbung, denn da gehen unsere potenziellen neuen Mitarbeiter heutzutage hin. So werden sie auf uns aufmerksam“, erklärte er. Er appellierte außerdem an seine Kollegen: „Wir müssen mehr ausbilden!“ Darüber hinaus sei ihm wichtig, dass Fahrer mehr gesellschaftliche Akzeptanz durch höhere Bezahlung erlangen und auch Frauen mehr in die Strategien zur Anwerbung von Nachwuchskräften eingebunden würden.
Als Letzter der Runde stellte Benjamin Oppl, Vice President of People & Culture, seinen Betrieb Forto vor: „Forto ist eine digitale Spedition. Wir haben keine Fahrzeuge oder Lager, sondern bieten Logistiktechnologien an, die unsere Kunden dazu befähigen, ihre Lieferketten digital zu steuern“, erklärte Oppl. Die Firma setzt vor allem auf Homeoffice-Angebote und tarifliche Belohnungen für engagierten Einsatz. Das 2016 gegründete Unternehmen beschäftigt derzeit 500 Angestellte an zwölf Standorten auf der ganzen Welt und hat große Pläne: „Wir wollen uns jedes Jahr verdoppeln“, kündigt Oppl an. Was das Erreichen dieses Ziels angeht, ist er optimistisch: „Digitalisierung ist heutzutage ein Muss.“ (ste)