Schwerlasttransporter mit längerer Fahrerkabine: Was bedeutet das für die Praxis?

Schwerlasttransporter auf der Straße
Längere Fahrerkabinen versprechen ein Plus an Effizienz, Komfort und Sicherheit
© Foto: Ilya/Adobe Stock

Seit September 2020 sind verlängerte Lkw-Führerhäuser laut EU-Richtlinie zulässig. Im nationalen Recht ist das aber für den Schwerlasttransport noch nicht vollständig umgesetzt. Detlev Irtenkauf, Sachverständiger für Schwertransport bei TÜV SÜD Division Mobility, erklärt, was das für die Praxis bedeutet.

80 bis 90 Zentimeter zusätzlich zu den bis dato erlaubten 2,35 Meter dürfen Lkw-Fahrerkabinen seit dem 1. September 2020 in der Länge messen. Die EU-Verordnung Nr. 1230/2012 ist die gesetzliche Grundlage dafür, in Deutschland wurden die Vorgaben in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) umgesetzt. Vor rund zwei Jahren kamen die ersten längeren Zugmaschinen, teils mit runderem Bug, auf den Markt, und es folgen sukzessive immer mehr.

Kein Wunder, immerhin bieten Zugmaschinen mit vergrößerten Fahrerkabinen das Potenzial für eine größere Knautschzone und damit für mehr Sicherheit, zudem mehr Sozialraum für die Fahrenden und die Möglichkeit, aerodynamischere und damit effizientere Modelle umzusetzen.

EU- und nationales Recht

Also eine uneingeschränkte Erfolgs­geschichte? Fast. Denn damit auch die Schwerlastbranche von den Vorteilen der längeren Fahrerkabinen profitieren kann, muss die Neuerung auch noch in den Empfehlungen zur StVZO (§ 70) aufgenommen werden, in denen die nationalen Bestimmungen für den Schwerlasttransport geregelt werden. "Bislang tauchen die verlängerten Führerhäuser dort noch nicht auf", erklärt Detlev Irtenkauf, Sachverständiger für Schwertransport bei TÜV SÜD Division Mobility. "Damit gelten die Freigaben für die verlängerten Kabinen zwar für Sattelzug- und andere Kombinationen, aber nicht für Schwerlasttransporter - das fiel in der Branche bereits mit den ersten langen Fahrerkabinen auf der Straße auf." EU- und nationales Recht sind aktuell also nicht auf dem gleichen Stand. "Außerdem müssen sich in Deutschland die Bundesländer noch auf eine gemeinsame Linie einigen, wenn es um die Vorschriften für Schwertransporte geht", ergänzt Irtenkauf die rechtlichen Herausforderungen.

Schwertransporter-Schild
Schwertransporte fahren meist nachts
© Foto: Kai Krueger/Adobe Stock

Aufsichtsbehörden: informiert

Dabei wären laut dem Sachverständigen gerade im Schwerlasttransportbereich mehr Annehmlichkeiten und Sicherheit am Steuer angebracht, da ein Transport mit Überlängen und -maßen immer besonders hohe Anforderungen an die Fahrenden bedeutet und enorm viel Konzentration erfordert. "Vor rund 1,5 Jahren haben wir die Aufsichtsbehörden erstmals darauf hingewiesen, dass für den Bereich des Schwerlasttransports eine Lösung benötigt wird", berichtet Irtenkauf. Auch wenn es aktuell noch keine finale Regelung gibt: Zugmaschinen mit verlängerter Fahrerkabine dürfen unter bestimmten Umständen inzwischen immerhin schon bei Schwerlasttransporten eingesetzt werden.

Gleichstellung gefordert

"Durch ein verlängertes Führerhaus dürfen diese aber keine Vorteile gegenüber anderen Transportern haben und sie müssen bei den Genehmigungen und Kontrollen so behandelt werden, als wenn sie tatsächlich kürzer wären", konkretisiert Irtenkauf. Das mache die Gutachtenerstellung und das Genehmigungsverfahren aber sehr viel aufwendiger. "Für eine problemlose Praxis braucht es die Gleichstellung von Schwerlast- zu normalen Transporten", fordert er folglich.

Verzicht auf Komfort, Sicherheit

Zwar darf eine Zugkombination mit einem verlängerten Führerhaus kein Zugewinn an Ladefläche oder -volumen bedeuten, aber die Fahrerinnen und Fahrer von Schwertransportern müssen dennoch aktuell verzichten: auf das Mehr an Komfort, Sicherheit und Effizienz. "Schwertransporte dürfen nur nachts stattfinden, folglich muss man am Steuer gut erholt sein und einen möglichst sicheren Arbeitsplatz vorfinden", so Irtenkauf. "Mit der aktuellen Gesetzeslage müssen wir aktuell aber noch auf die neuesten Möglichkeiten verzichten, die das neue Level in diesen Bereichen bietet."

Irtenkauf und seine Kolleginnen und Kollegen bei TÜV SÜD Division Mobility werden häufig nach Einschätzungen gefragt, wenn es um Neuanschaffungen für den Speditionsfuhrpark geht. "Viele Spediteure wollen ihrem Fahrpersonal etwas Gutes tun, aber die Mehrkosten für neue Genehmigungen und die Tatsache, dass die unterschiedlichen Maschinen teils nicht so einfach untereinander austauschbar sind, schrecken viele ab", berichtet er


TÜV SÜD Ansprechpartner

TÜV SÜD Division Mobility
Detlev Irtenkauf
Sachverständiger (Schwertransport/§ 70 Gutachten)
Tel.: +49 7941 9227-17
E-Mail: detlev.irtenkauf@tuvsud.com


Ein Service von TÜV SÜD

DSGVO: Auskunftsrecht
Beim Auskunftsrecht gibt es viele Fallstricke. Dr. Max-Hendrik Böttcher, Datenschutzexperte von TÜV SÜD: "Daher sollten Unternehmen jetzt noch einmal genau prüfen, ob sie alle von der DSGVO geforderten Maßnahmen ergriffen haben. Externe Datenschutzbeauftragte, wie wir sie von TÜV SÜD stellen, begleiten und koordinieren alle Aspekte des Datenschutzes in Unternehmen. Aktuell richten sie besonderes Augenmerk auf die bestehenden Vorgehensweisen und Dokumente hinsichtlich des Auskunftsrechts." Weitere Informationen unter www.tuvsud.com/de-de/dienstleistungen/cyber-security/datenschutz.
Aggressiver Verkehr
Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) von 2023 zeigt, dass es auf Deutschlands Straßen immer aggressiver zugeht: Rund die Hälfte gab an, dass sie sich nach Ärger gelegentlich im Verkehr abreagieren und etwa schneller fahren als sonst. 2016 war dieser Wert nur knapp halb so hoch. 44 Prozent treten demnach zumindest gelegentlich kurz auf die Bremse, um Drängelnde hinter ihnen auszubremsen. Rund 31 Prozent treten schon mal absichtlich aufs Gaspedal, wenn sie überholt werden, und 21 Prozent machen gelegentlich beim Überholen auf der Autobahn mit Lichthupe und Blinker auf sich aufmerksam.

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