Mobility Hub: Eine Tankstelle für alle
Das Familienunternehmen MaierKorduletsch hat mit der TÜV SÜD Industrie Service GmbH an seiner Seite einen Mobility Hub gebaut - inklusive Wasserstoff-Zapfsäulen und einem E-Ladepark, auch für Nutzfahrzeuge. Kann dieses Modell die Tankstelle der Zukunft sein?
Diesel, Benzin, Strom, Wasserstoff: Was darf es sein? Wer zum Autohof von MaierKorduletsch in Passau-Sperrwies fährt, hat die freie Wahl. Denn im Zuge der Energiewende verändert sich auch das Angebot an Tankstellen. Ihren ersten "Mobility Hub" eröffnete die Firma MaierKorduletsch mit Sitz in Niederbayern im August 2023 nach neunmonatiger Bauphase.
Neben einer konventionellen Tankstelle mit Otto-, Dieselkraftstoffen und Adblue gibt es dort Schnell-Ladeplätze für zehn Pkw sowie zwei Transporter oder Lkw und eine Wasserstoff-Tankstelle für Lkw: Bis zu zehn Lkw können ihren H2-Tank in einer Stunde volltanken, ein Betankungsvorgang dauert maximal 15 Minuten.
Im Shop wird neben dem klassischen Sortiment Frühstück und Mittagessen angeboten.
"Das Projekt entstand zum einen, weil wir uns mit Blick auf die mögliche Tankstelle der Zukunft mit der Transformation unseres Geschäftsmodells beschäftigen", berichtet Lorenz Maier, Gesellschafter und Geschäftsführer bei MaierKorduletsch. "Zum anderen wollen wir als Infrastrukturbetreiber zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors beitragen und die Mobilitätswende unterstützen."
Folglich hat das Unternehmen mit seinen beiden langjährigen Partnern Shell und Paul Nutzfahrzeuge GmbH, die herkömmliche zu wasserstoffbetriebenen Lkw umrüsten, ein Konsortium gegründet und für den rund 4000 Quadratmeter großen Standort in Passau-Sperrwies das Konzept für den Mobility Hub entwickelt. "Neben den Wasserstoffzapfsäulen haben wir eine konventionelle Tankstelle errichtet, die für Frequenz sorgt", berichtet Maier. "Da für den Neubau eine stärkere Trafostation nötig war, haben wir gleich in größeren Dimensionen gedacht und bei der Konzeption auch noch den E-Ladepark vorgesehen. Zudem haben wir zusätzliche Photovoltaik-Anlagen und Batteriespeicher installiert, die Lastspitzen abfedern und den Eigenverbrauch erhöhen können." Ein Batteriespeicher wird für den Intraday-Handel eingesetzt, der zweite sorgt für die Optimierung der Stromkosten am Mobility Hub. "So können wir die Infrastruktur auch heute schon wirtschaftlich betreiben, auch wenn der Hochlauf der Elektromobilität noch dauert", ergänzt Maier. "Laden und Wasserstofftanken muss sich nicht kannibalisieren, sondern kann sich ergänzen, weil beides einen starken Netzanschluss benötigt und wir das für einen Standort optimiert lenken können."
Eingespielte Teamarbeit
Im Zuge des Projekts hat Paul Nutzfahrzeuge 25 Lkw mit Brennstoffzelle und eigenem Tanksystem auf Wasserstoff umgerüstet, die Shell gekauft hat und im Mietmodell Speditionen und anderen Unternehmen - vornehmlich aus der Region - anbietet, die dann wiederum an der Shell-Station von MaierKorduletsch Wasserstoff tanken können. "Über 500.000 Kilometer haben diese Lkw bereits seit Start im vergangenen Sommer absolviert", berichtet Josef Bär, Leiter Technik und Prokurist bei MaierKorduletsch, der bereits seit über 35 Jahren für das Unternehmen tätig ist. Am Anfang galt es aber erst mal, aus dem Konzept eine funktionierende und sichere Praxis zu machen.
Dabei setzte MaierKorduletsch aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit auf die TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Sebastian Weigert, Gruppenleiter Elektrotechnik in der Abteilung Elektro- und Gebäudetechnik in der Niederlassung Regensburg der TÜV SÜD Industrie Service GmbH und seit zehn Jahren im Unternehmen, koordinierte das Projekt auf der Seite des Dienstleisters, der dafür ein Team von acht Mitarbeitenden zusammenstellte: "Seit 2021 begleiteten wir das Projekt über Planprüfungen und den Prüfbericht zur Erlaubnis und führten nach Errichtung der Anlage die Prüfungen vor Inbetriebnahme durch. Dabei war eine enge Abstimmung zwischen den Sachverständigen aus unterschiedlichen Fachbereichen nötig, um die Prüfungen der Explosionssicherheit, der Druckanlage und der elektrischen Anlage durchzuführen. Bei den hohen Drücken und dem flüchtigen Wasserstoff ist die Dichtheit der Anlage (Anlagensicherheit) auch eine wichtige Schutzmaßnahme für die Explosionssicherheit (Elektro- und Gebäudetechnik), und die Prüfung der Photovoltaikanlage ist ein Bestandteil für die VdS-Prüfung der elektrischen Gesamtanlage."
MaierKorduletsch
Der Mobility Hub
- Sechs Zapfsäulen mit konventionellen Kraftstoffen (Super E10/E5, Fuel Save Diesel, V-Power Diesel, V-Power Racing, Lkw-Diesel, AdBlue für Lkw und Pkw
- Elektro-Schnellladepark: fünf überdachte Ladesäulen mit zehn Ladeplätzen. Jede Ladesäule mit 300 kW Leistung, max. 150 kW/Ladeplatz; eine Ladesäule mit zwei Ladeplätzen für Nfz, beidseits anfahr- und durchfahrbar mit max. 300 kW Leistung Wasserstoff: Zwei Dispenser mit 350 bar auf vier Fahrspuren
- Trafo 1600 kVA, vorgerüstet für zweiten mit identischer Leistung, PV-Anlage, zwei Speicher mit jeweils 750 KW Leistung und 1300 kWh Kapazität, Shop, Bistro, Außenterrasse, Parkplätze
Die einzelnen Bereiche - klassische Tankstelle, Photovoltaikanlage, Ladepark, Wasserstofftankstelle - waren für MaierKorduletsch genauso wenig Neuland wie für TÜV SÜD Industrie Service, wohl aber die Kombination all dieser Einzeltechnologien inklusive ihrer Schnittstellen an einem Standort. Dass TÜV SÜD Industrie Service auch übergreifende Expertise und Erfahrungen mit erneuerbaren Energien und Wasserstofftechnologien - und den entsprechenden regulativen und normativen Anforderungen - hat, war für die Realisierung eines solchen komplexen Projekts ausgesprochen wichtig.
Die Zusammenarbeit verlief sehr gut, Bär freute sich, einen zentralen Ansprechpartner zu haben. Und auch Weigert resümiert die Zusammenarbeit positiv: "Sehr eng, offen und vertrauensvoll." Bei der Anlage in Passau-Sperrwies wurden die Benzin-, Diesel- und Adblue-Tanks unterirdisch verbaut, die Wasserstoffanlage mit Trailer inklusive Gasflaschen, Verdichteranlage und Speichern oberirdisch - mit Betonumzäunung. Von dort gelangt der Wasserstoff bei Abruf über unterirdische Leitungen zu den Zapfsäulen ("Dispensern").
Positives Zwischenfazit
MaierKorduletsch betreibt den E-Ladepark und die Wasserstoffstation selbst, die Tankstelle ist verpachtet. "Die Abrechnung ist aufgrund des Energiekonzepts sehr viel aufwendiger als bei anderen Stationen", so Maier, der mit dem ersten Jahr seit Inbetriebnahme zufrieden ist. Bär ergänzt, dass es bei den Wasserstoff-Tankstellen und auch im E-Ladepark viele Rückfragen gibt, die über den Pächter an MaierKorduletsch weitergeleitet werden. "Fahrer von E-Autos werden von den Herstellern und Autohäusern oft alleine gelassen", so seine Einschätzung.
Insgesamt kostete der Mobility Hub MaierKorduletsch knapp 10 Millionen Euro, wobei es 2,25 Millionen Euro Förderung gab. "Der Stromanteil für die Trafostation et cetera an den Gesamtkosten war noch bei keinem anderen Projekt so hoch wie hier", so Maier. "Aber wir haben die Investition in den Netzanschluss bewusst getätigt, es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, welches Geschäftsmodell dafür das erträglichste ist." Damit spielt der Geschäftsführer darauf an, dass aktuell noch unklar ist, wo die Reise im Mobilitätssektor letztlich hingehen wird: Elektrifizierung auf breiter Ebene, Wasserstoff? "Ein leistungsfähiger Netzanschluss ist aber in jedem Szenario das Wichtigste, ohne wird der Standort der Zukunft nicht funktionieren", sagt Bär.
MaierKorduletsch plant aktuell einen weiteren, noch größeren Mobility Hub auf 60.000 Quadratmetern, verfeinert parallel das Energiekonzept und diskutiert mit Partnern, wie sich die Idee des Mobility Hubs auch auf andere Stationen übertragen lässt. "Ein Neubau auf grüner Wiese hat dabei natürlich das größte Potenzial, weil man nicht auf bestehende Umstände Rücksicht nehmen muss", so Maier.
Generell sehen Maier und Bär in der Kopplung von Strom- und Verkehrssektor die Zukunft: "Wir werden einen Energiemix haben - es wird nur ein Miteinander geben und kein Gegeneinander der einzelnen Antriebsarten." Maier bestätigt: "Es ist wichtig, dass es alles gibt. Heute Parkplätze mit Steckdosen zu bauen, ist sinnlos, wenn man noch nicht weiß, wie sich die Nachfrage in 15 Jahren entwickelt." Und genau deshalb setzt MaierKorduletsch auf den Mobility Hub, bei dem wasserstoffbetriebene und batterieelektrische Mobilität verbunden wird - Energievermarktung inklusive, sodass die Tankstelle als Flexibilitätsanbieter auch für eine Entspannung von Netzengpässen sorgen kann.
TÜV SÜD Ansprechpartner
Abteilung Elektro- und Gebäudetechnik Sebastian Weigert
Tel.: +49 941 9910-413
E-Mail: sebastian.weigert@tuvsud.com