Stuttgart. Zwischen dem neuen baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der Bahn gibt es erneut Streit um Stuttgart 21: Laut Hermann hat Bahnchef Rüdiger Grube einen Bau- und Vergabestopp bis zum Ergebnis des Stresstests für den geplanten Tiefbahnhof im Juni versprochen. Die Bahn teilte aber am Dienstag auf Anfrage mit, im gesamten Bahnkonzern sei diese Äußerung nicht bekannt. Vielmehr bleibe es dabei, dass die Arbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof nur bis zur Sitzung des Lenkungskreises an diesem Montag ruhten, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich der „Deutschen Presseagentur". Er fügte hinzu, Deutsche-Bahn-Vorstand Volker Kefer habe nach der Schlichtung zugesichert, dass bei den Baufortschritten die möglichen Ergebnisse des Stresstests berücksichtigt würden.
Mit der Zukunft des Bauprojektes beschäftigt sich am kommenden Montag der Lenkungskreis der Projektträger in Stuttgart. Die Deutsche Bahn argumentiert mit den hohen Kosten für den Baustopp, die sie nicht mehr weiter tragen wolle. Dagegen verweist Hermann darauf, dass die Deutsche Bahn in vollem Risiko die Baustelle betreibe. Der Staatskonzern beziffert die Kosten für einen halbjährigen Baustopp auf 150 bis 200 Millionen Euro.
Die grün-rote Koalition hat unterdessen eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt, um ein Gesetz zum Ausstieg des Landes aus Stuttgart 21 vorzubereiten. Das Gremium werde von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD), der als Stuttgart-21-Kritiker gilt, geleitet, kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an. Das Gesetz soll dem Landtag vorgelegt werden. Dort wird es aller Voraussicht nach von einer Mehrheit von SPD, CDU und FDP abgelehnt. Damit wäre der Weg frei für eine Volksabstimmung über den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhabens.
Verkehrsminister Hermann sprach sich erneut für einen kundenorientierten Fahrplan für den geplanten Tiefbahnhof aus. Er bezweifle, dass alle wichtigen Linien - etwa die von Stuttgart nach Tübingen - im Stresstest angemessen bedient würden. Er verspreche sich von der Sitzung des Lenkungsausschusses, dass die Voraussetzungen der Computersimulation der Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs offen gelegt würden. Immerhin bestelle das Land 80 Prozent des Verkehrs im derzeitigen und auch im geplanten Bahnhof. Er wolle aber den Stresstest nicht verlängern, versicherte er. „Juni/Juli bleibt das Ziel", sagte er mit Blick auf die Veröffentlichung des Ergebnisses.
Auch Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) machte klar, dass nicht noch einmal ein eigener Fahrplan der Landesregierung getestet werden solle. Es gehe um mögliche Erweiterungen und Ergänzungen der Datenbasis der Untersuchung.
Hermann will in einer öffentlichen Veranstaltung den Stresstest von Stuttgart 21 transparent machen. Innerhalb der kommenden vier Wochen sollen die Deutsche Bahn, die Verkehrsberatungsfirma SMA sowie Mitglieder der Landesregierung sich Fragen zu Methodik und Vorgehen für die Computersimulation stellen. Er sprach von einem geplanten mehrstündigen Treffen im Schweizer Konsulat, das ähnlich wie bei der Schlichtung über Videoleinwände und das Fernsehen live übertragen werden soll. Die Deutsche Bahn habe schon grünes Licht für die Veranstaltung gegeben. (dpa)