Berlin. Mehr als jeder dritte Autofahrer auf Deutschlands Straßen ist in aggressiver Stimmung unterwegs. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Unfallforscher der Versicherer hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Danach fühlen sich viele Bundesbürger im Straßenverkehr gestresst. Gewachsen ist dagegen das Sicherheitsgefühl. Ausgewählte Ergebnisse der Befragung:
Lichthupe, drängeln und rechts auf der Autobahn überholen - der Verkehrsalltag ist kein Ruhmesblatt für Deutschlands Autofahrer. Fast die Hälfte der Männer (44 Prozent) und mehr als ein Drittel der Frauen (39 Prozent) schätzt sich als „mindestens manchmal aggressiv” ein. Spitzenwerte bis hin zu 58 Prozent gibt es bei den Mitte 20- bis Mitte 40-Jährigen. Unfallforscher Siegfried Brockmann, der an der Studie beteiligt war, hält dieses Aggressionspotenzial für realistisch. „Allerdings machen sich die meisten Autofahrer den Stress selbst”, urteilt er. Überrascht hat ihn, dass gut verdienende Akademiker laut der Studie besonders rücksichtslos fahren. „Ich denke, es sind Menschen, die es gewohnt sind, sich durchzusetzen. Und die Straße als ein Revier sehen, in dem sie sich durchzusetzen haben.”
Stress im Straßenverkehr nimmt zu
Das Gefühl Stressdominiert, wenn es um die Beschreibung vom Straßenverkehr geht. Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich gestresst. Hohe Zustimmungswerte gibt es auch für die Begriffe „aufreibend” und „erzeugt Druck”. Rund ein Drittel macht der Straßenverkehr generell „nervös”. Forscher Brockmann erscheinen diese Wertungen ziemlich negativ. „Ich halte aber auch das für eine realistische Einschätzung”, ergänzt er. „Verkehrsraum ist knapp geworden. Die wachsende Konkurrenz darum empfinden viele Verkehrsteilnehmer nicht als angenehm.”
Im Vergleich zum Jahr 2010 fühlen sich jedoch deutlich mehr Menschen im Straßenverkehr sicher. Der Wert stieg von gut der Hälfte der Befragten auf fast zwei Drittel. Dieses positive Ergebnis zum Verkehrsklima überrascht die Unfallforscher. Sie erklären sich den Zuwachs vor allem durch Frauen. „Da sitzt eine neue Frauengeneration am Steuer, die das Fahrzeug selbstbewusst führt”, sagt Brockmann. Sicher ist aber nicht gleichbedeutend mit angenehm. Harmonie verbindet weniger als ein Drittel der Befragten mit dem Begriff Straßenverkehr.
Frauen fahren immer selbstbewusster
Frauen fahren nicht nur selbstbewusster als früher, sie lassen sich auch weniger gefallen. Drängelt der Hintermann, tritt ein Drittel der befragten Fahrerinnen erstmal auf die Bremse - um ihn zu ärgern. Dieser Wert liegt um zwei Prozent höher als bei Männern. Selbst zu drängeln liegt Frauen dagegen deutlich weniger als Männern. „Frauen sind nicht aufs Beherrschen der Straße ausgerichtet. Ihnen geht es eher um Selbstbehauptung und auch ums Erziehen der anderen”, sagt Forscher Brockmann. Männer zeigten dagegen weiterhin vorwiegend ein Dominanzverhalten.
Kritikfähigkeit ist Autofahrern in Deutschland generell wenig gegeben. Zwar beobachten fast alle Befragten ein zu dichtes Einscheren anderer Autos oder dreistes Vorbeiziehen an Kolonnen. Aber nur ein Fünftel gibt zu, das auch schon einmal gemacht zu haben. 97 Prozent haben auch gesehen wie Radfahrer zu dicht überholt werden. 95 Prozent schwören jedoch, dass sie immer besonders viel Rücksicht auf Radler nehmen. Unfallforscher Brockmann erklärt sich diesen Widerspruch mit einer falschen Selbstwahrnehmung bei Autofahrern und einem unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.
Und die Sache mit dem Handy am Steuer? Im Vergleich zu 2010 bekennen sich deutlich weniger Autofahrer dazu. 80 Prozent geben an, niemals ohne Freisprechanlage zu telefonieren. Und nur fünf Prozent geben zu, bei der Fahrt SMS oder E-Mails zu lesen. Obwohl die Risiken gut bekannt sind, glaubt Unfallforscher Brockmann nicht an den großen Bewusstseinswandel. „Das hat mit der Realität wenig zu tun”, betont er. „Wir halten das für einen Effekt von sozialer Erwünschtheit bei Befragungen.” (dpa/sno)