Wo Europa funktioniert

Die Niederlande, derzeit EU-Ratspräsident, wollten ihrem Ruf als europäische Transportnation alle Ehre machen und riefen die European Truck Platooning Challenge ins Leben. An der Sternfahrt mit Ziel Rotterdam nahmen DAF, Iveco, MAN, Mercedes, Scania und Volvo teil. Zwar kommunizieren alle Fahrzeuge über das selbe WLAN-Netz, "sprechen" also theoretisch miteinander. Im Detail gibt es aber unterschiedliche Systemauslegungen. Während einige Hersteller direkt starteten, luden Daimler, MAN und Scania zu Ab- respektive sogar Mitfahrten ein, um die Systeme zu erleben - die VerkehrsRundschau war bei allen drei Herstellern live vor Ort respektive an Bord. Daimler erweitert dazu den "Highway-Pilot", der teilautonomes Fahren erlaubt und den die Wörther bereits seit Oktober 2015 auf öffentlichen Autobahnen testen. Laut Sven Ennerst, Entwicklungschef bei Daimler Trucks, will man auf eigenen Messstrecken mit bekannten Verbrauchsund Geschwindigkeitsprofilen mit einem Platoon aus drei Zügen, die in je 15 Meter Abstand mit 80 km/h fahren, im Mittel bis zu sieben Prozent Verbrauchseinsparung erreicht haben. Dabei holt der erste Zug laut Ennerst wegen des reduzierten Strömungsabrisses am Heck immerhin noch zwei Prozent, während der mittlere Zug elf und der hinterste Lkw mit Trailer immerhin noch neun Prozent sparsamer unterwegs ist. Ein komisches Gefühl fährt mit Wie fährt sich das in der Praxis? Nicht so einfach, wie theoretisch gedacht: Schon auf dem ersten Teilstück zwischen Stuttgart und Hockenheim "zerreißen" etliche Autobahnkreuze und einscherende Pkw die Actros-Dreierkette: An Autobahnkreuzen ist der Platoon gehalten, sich für einscherende Fahrzeuge zu "öffnen". Als ein übereifriger Pkw-Fahrer in die 15-Meter-Lücke zwischen den Lkw "hineinspringt", reagieren die Mercedes-Lkw per sofortiger Notbremsung abrupt -. Christian Ballarin, Leiter der Vorentwicklung, ist zufrieden: "Das synchrone Bremsen, einer der Knackpunkte bei solch geringen Abständen, funktioniert." Ansonsten ist er bemüht, die "Schwingungsfrequenzen" zwischen den Lkw im Platoon zu optimieren. Der Abstand wird im Extremfall auch einmal unter 15 Meter verkürzt, nötigenfalls wird aber auch viel mehr Platz gelassen. Im Gegensatz zu Daimler setzt MAN beim Platooning nur zwei Züge ein. Die Münchener sind der Ansicht, dass bereits der Zweier-Konvoi ausreichend Vorteile bietet. Vor allem aber schon sehr schnell eingesetzt werden kann - ganz im Gegensatz zu größeren Lösungen. Wobei MAN bei mehr als vier Fahrzeugen bereits Probleme sieht, während Mercedes-Entwickler Ennerst sich durchaus Platoons mit zehn Lkw vorstellen kann. Beim Abstand kalkuliert auch MAN mit 0,8 Sekunden (bei 8 km/h knapp 18 Meter). Harmonisierung in Europa Das sicher extremste Platoon brachte Scania an den Start: drei Lang-Lkw mit jeweils 64 Tonnen. Dumm nur, dass die außerhalb Schwedens nicht fahren durften. Am Ende zog Melanie Schultz van Haegen, niederländische Ministerin für Infrastruktur und Umwelt, eine positive Bilanz und forderte mehr Harmonisierung in Europa - auch wenn Europa nach unendlichen nationalen Genehmigungsmarathons zumindest für die Tage des Platooning ausnahmsweise Einigkeit in der Sache zeigte. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Platooning www.verkehrsrundschau.de/dossiers Offene Fragen Platooning - diese Hürden müssen überwunden werden - Zwar haben sich alle Hersteller auf einen WLAN-Standard geeinigt, die Fahrzeuge zu "mischen" wurde bei der Sternfahrt aber unterlassen- Die Aussagen zu Abständen und sinnvoller Lkw-Zahl im Platoon sind aktuell sehr uneinheitlich. Da bedarf es noch zahlreicher Versuche fürs Optimum- Der Effekt, die Fahrzeuge an Autobahnkreuzen auseinanderzuziehen, hat erhebliche, bislang nicht genau erforschte Auswirkungen auf den Verkehrsfluss hinter dem Platoon- Nach wie vor ungelöst: Was macht der Fahrer die ganze Zeit und ist die Zeit in der Kabine Lenk- oder Ruhezeit?- Wer übernimmt die Haftung bei einem Unfall?- Sinnvoll arbeitet das System erst, wenn auch die Infrastruktur (Verkehrsleitsystem) kommunikativ eingebunden ist gg Volvo startete mit seinen drei Zügen in Göteborg, fuhr aber von Beginn an mit drei Standardzügen

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